Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Mal eben schnell zum Einkaufen

Nach dem Jonglieren in die viel zu enge Parklücke schnappe ich mir die Tüte mit den fünf Plastikflaschen und steuere auf den kleinen Raum mit den zwei Pfandautomaten zu. Von außen höre ich schon das Piepen des einen Automaten. Behälter voll. Am anderen steht eine ältere Dame mit zwei prall gefüllten großen gelben Müllsäcken. Das kann dauern.

Endlich Flaschen entsorgt, Euro in den Einkaufswagen – und auf geht’s. In der Obstabteilung steht ein alter Mann vor einem Haufen loser Kirschen und fischt mit den Händen seine Kirschen heraus. Über ihm hängt ein großes Plakat mit fetten Lettern: „Bitte Einweghandschuhe benutzen“. Die liegen auch direkt neben den Kirschen.

Na ja, dann gehe ich schon mal zur Fleisch- und Wursttheke. Lange Schlange. Obwohl vor der Reihe noch meterweise Platz ist, rückt keiner auf. Vor mir noch eine Frau, hinter mir zehn weitere Kunden. Eine Verkäuferin bedient, zwei schneiden unentwegt Wurst in Scheiben. Die Frau vor mir hätte gerne vier Scheiben von der und zwei Scheiben von der Wurst. Aber bitte dünn geschnitten.

Die zwei Scheibenschneiderinnen ignorieren konsequent die Kundenschlange weiter. Da meldet sich von hinten jemand, ob die beiden nicht mal mitbedienen könnten. Endlich bin ich dran. Italienische Salami bitte. Gelangweilt pikt die Fachverkäuferin Scheibe für Scheibe mit der Gabel in das dünne Papier. Danke, das reicht. Ist das auch original italienische? Nee, nach Mailänder Art. Aber ich wollte doch … Egal, danke, das war’s.

Wo steht der leckere Saft? Entschuldigung, ich suche den „Sowieso-Saft“. Keine Ahnung, wir füllen nur die Regale auf. Ach so. Ah, eine der beiden Wurstschneiderinnen schleicht an mir vorbei. Hallo, ich suche den „Sowieso-Saft“. Sie sei aus der Wurstabteilung, aber irgendwo dahinten müsse der stehen. Wo dahinten? Da drüben links oder da in der Nähe. Ah ja, danke.

An sich wollte ich noch einiges einkaufen, aber irgendwie habe ich keine Lust mehr. Ab zur Kasse. Lange Schlange. Eine Kasse besetzt – drei Kassenplätze leer. Könnten Sie mal eine Kollegin rufen? Kassiererin ruft Kollegin. Frau Trallala bitte Kasse drei. Keiner kommt. Vor mir noch zwei Kunden. Bald habe ich es geschafft. Die Kundin ganz vorne holt ihren Einkauf aus zwei Stoffbeuteln und legt alles auf das Band. Das Mädel an der Kasse tippt ein. Fünfunddreißigfünfundsechzig bitte. Haben Sie eine Pay-back-Karte? Ja – Moment. Die Kundin sucht ihre Pay-back-Karte und die Kreditkarte. Endlich gefunden und bezahlt. Jetzt wird alles wieder seelen­ruhig in die beiden Stoffbeutel sortiert. Hallo, geht’s auch ein bisschen schneller?

Der Rentner vor mir schüttet sein ganzes Kleingeld aus. Die Kassiererin pfriemelt den Betrag aus dem Haufen. Jetzt bin ich endlich dran. War alles okay mit Ihrem Einkauf? Jaja, geht schon. Haben Sie eine Pay-back-Karte? Nein, warum? Ja, das gibt doch Treuepunkte. Denen bleibe ich sowieso nicht treu.

Draußen steht ein Typ und spielt auf seinem Akkordeon. Das streichelt meine geschundene Kundenseele. Der hat den Euro aus dem Einkaufswagen verdient. Nun habe ich auch noch vergessen, den Pfandbon einzulösen. Egal, den soll der nette Musiker mit dem freundlichen Lächeln „on top“ bekommen.

Euer Viktor