Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

… es ist mal wieder an der Zeit

Das vergangene Jahr ist rasend schnell an uns vorbeigeflogen, und irgendwie wollten wir es im neuen einmal ruhiger angehen lassen.

Nun sind schon mehr als zwei Monate vergangen, und trotz aller guten Vorsätze klappt das nicht so richtig. Es kommt schon wieder dieser Stress auf. Wenn der Zug Verspätung hat, das Internet zu langsam ist oder der Wagen vor uns schleicht – ein Gräuel. Dann haben wir das Gefühl, als rinne uns etwas durch die Finger, und das stimmt: Zeit. Eine äußerst knappe Ressource in der immer mehr beschleunigten Welt. Die Gesellschaft hat uns dynamisiert. Einordnen, anpassen, unterordnen.

Die Sozialforschung hat erkannt, was uns so antreibt: Angst und Gier. Es ist die Angst, die uns hetzt und treibt. Der Gedanke, immer schneller, effizienter, produktiver zu sein, und die Gier, immer mehr haben zu wollen. Wir wollen reicher, gesünder, klüger und immer besser sein als der Nachbar oder Kollege.

Geld kann man anhäufen, Zeit nicht. Und haben wir einmal Zeit im Überfluss, beispielsweise durch Krankheit oder gar Arbeitslosigkeit, dann kommt sie wieder, die Angst – vor dem Verlust von Status, Anerkennung und Privilegien. Unsere moderne Gesellschaft muss sich immer wieder erneuern und wachsen, sich beschleunigen. Allein schon, um den Standard zu halten. Sonst droht die Krise, und das Vertrauen in die Staatsmacht löst sich auf. Sie benötigt beschleunigte Entwicklung und permanente Dynamik, um Innovationen zu erhalten und auszubauen. Aber wir sollten uns von der zwanghaften Vorstellung verabschieden, unsere Lebensqualität an den Zuwachs zu koppeln.

Coffee, Burger, Pizza, appen, mailen, simsen – alles to go. Immer bereit sein, immer to go. Aber „to go“ lässt sich nicht ewig weiter steigern. Es wird den Einzelnen zunehmend psychisch belasten. Wenn das Gefühl besteht, man gebe immer nur und bekomme nie etwas zurück, läuft etwas falsch. Dann irrt man durch die Steigerungsfalle, was in einer Katastrophe enden kann.

Es ist an der Zeit, die Fähigkeit zum Entschleunigen zu entwickeln; Dinge zu tun, die uns wichtig sind und uns innerlich bewegen. Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen. Das Jahr hat eben erst begonnen, nehmen wir uns die Zeit.

 

In diesem Sinne, Viktor