Die Weinwelt wird asiatisch und feminin

von Mario Scheuermann

Wie wird die Weinwelt in zehn, fünfzehn Jahren aussehen? Hoffentlich besser als heute, werden all jene antworten, denen die grassierende Wirtschaftskrise das Ergebnis in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres nachhaltig verhagelt hat. Diese Antwort und die damit verbundenen Hoffnungen sind verständlich, aber sie gehen letztlich an der Frage vorbei.
Ganz egal nämlich, ob die Geschäfte in den kommenden Jahren für den einen besser oder für den anderen schlechter laufen werden, die Weinwelt wird sich in der zweiten und dritten Dekade dieses Jahrhunderts grundsätzlich verändern, und zwar nicht nur aufgrund des Klimawandels und technischer Fortschritte.
Da sind zum einen die langfristigen Auf- und Abwärtstrends beim weltweiten Weinkonsum. In den klassischen europäischen Märkten sinkt der Pro-Kopf-Verbrauch seit vielen Jahren kontinuierlich. Und dies wird nach einer aktuellen Studie der Vinexpo auch in den nächsten Jahren so weitergehen, sich möglicherweise sogar beschleunigen. In der zweiten Jahreshälfte 2008 ist der Weinkonsum in Frankreich überraschend stark um 9,1 Prozent zurückgegangen. Dies deutet darauf hin, dass der von der Vinexpo prognostizierte Konsumrückgang in Frankreich in den kommenden fünf Jahren drastischer ausfallen könnte als erwartet. Nach der Vinexpo-Studie soll der Weinverbrauch dort von 2008 bis 2012 um 2,9 Prozent zurückgehen. Im davorliegenden Fünf-Jahres-Zeitraum 2003 bis 2007 war der Konsum bereits um 8,7 Prozent gesunken. Ähnliches gilt zum Beispiel auch für Spanien (-5,9 Prozent). Gleichzeitig rechnet die Studie damit, dass der Weinkonsum bis 2012 in anderen Ländern, vor allem in Übersee und in Asien, kräftig steigen wird, und zwar in den USA um 11,9 Prozent, in Russland um 24,5 Prozent und in China um 36,7 Prozent.
Das heißt im Endeffekt, dass die Weinwelt weniger europäisch geprägt sein wird als bisher. Nicht mehr der Geschmack klassischer Weinmilieus in Deutschland, Italien oder Frankreich, nicht mehr die Restaurantszenen in den europäischen Metropolen Paris, London, Rom oder Madrid werden vorgeben, was angesagt ist, sondern Megapolen wie Moskau, Mumbai, Rio oder Peking werden den Ton angeben – vor allem aber „Shangkong“, wie man heute in Finanzkreisen die beiden Schwesterstädte Schanghai und Hongkong nennt. Sie werden sowohl als Finanz- wie auch als Lifestylezentren mit New York gleichziehen. Dort lässt sich bereits ein anderer Megatrend studieren: Vor allem in Schanghai und im indischen Mumbai sind es nämlich nicht mehr die männlichen Finanzeliten, die den Konsum prägen, sondern zunehmend junge erfolgreiche Frauen – Managerinnen wie selbstständige Geschäftsfrauen, Künstlerinnen, Medien- oder Modeschaffende –, die ihre Liebe zum Wein entdecken. In der globalisierten Arbeitswelt der Zukunft, so der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski, könnten bis 2030 rund 30 Prozent der Führungskräfte Frauen sein. Derzeit sind es noch weniger als zehn Prozent.
So wird die künftige Weinwelt auch sehr viel weiblicher sein als die heutige, nicht nur, weil es immer mehr Winzerinnen und Weinhändlerinnen gibt und Berufe wie Önologin oder Sommelière zu Modeberufen für junge Frauen geworden sind, sondern einfach deshalb, weil immer mehr Frauen Wein trinken werden.

Fazit: Die Weinwelt der Zukunft wird asiatischer und femininer sein. Wer als Produzent dann Erfolg haben will, wird sich danach richten müssen.