Die neuen Sinnmärkte: der Wertewandel in den Konsumwelten

von Dr. Eike Wenzel

Künftig kaufen die Menschen
nicht mehr Prestige, sondern Lebenssinn

Ein gigantischer Zukunftsmarkt ist im Entstehen begriffen. Teile davon sind uns schon seit Langem bekannt, und vielleicht bearbeiten Sie, liebe Leserinnen und Leser, diesen Markt schon selbst. Bislang hat uns jedoch das umfassende Verständnis über die Strukturen, Mechanismen und Chancen dieses Marktes gefehlt. Die Rede ist von dem Sinnmarkt oder besser: den Sinnmärkten. Wir werden in der Zukunft immer weniger die Produkte und Dienstleistungen kaufen, die nur noch einen simplen Gebrauchswert haben. Wir werden stattdessen immer häufiger diejenigen Produkte und Dienstleistungen kaufen, die
> ideellen Charakter für uns haben, etwas – für uns – besonders Wertvolles darstellen (Werthaltigkeitsdimension)
> uns Bedeutung, Tiefe, eine einzigartige Werthaltigkeit versprechen (Tiefendimension)
> unserem Leben Orientierung, Richtung, Perspektive – eine Stimmigkeit – geben (Orientierungsdimension)
> unser Leben in einem größeren Zusammenhang der Tradition, der Zusammengehörigkeit, der Verantwortung und auch der Zukunftsoffenheit erscheinen lassen (Kollektivdimension)
> eine symbolische Bedeutung haben, die über den Konkretismus des Alltäglichen hinausgeht (Transzendenzdimension)
Das Ende der Massenkultur
des 20. Jahrhunderts

Der Abschied von der Massenkultur hat längst begonnen, auch wenn einige „Dinosaurier“ nach wie vor noch nicht an den eigenen Untergang glauben wollen. Die modernen Konsumenten beginnen, das Sein gegenüber dem Haben zu privilegieren. Wir erleben gerade die Entstehung des Zeitalters der Sinnmärkte. In enttraditionalisierten Gesellschaften wird Lebenssinn zu einem permanenten Mangel, der seit einiger Zeit auf vielen neuen Märkten in neue Bahnen gelenkt wird. Kauften wir uns früher Wohlstand und Teilhabe an der Mehrheitskultur, geht es uns heute um immaterielle Werte. In dieser Entwicklung ist die Krise keineswegs ein Hemmnis, sondern vielmehr ein Beschleuniger: Das Paradox der momentanen Krisensituation besteht dar¬in, dass gerade in Zeiten finanzieller Unsicherheit die Frage nach der Qualität, der Werthaltigkeit und dem Warum umso dringlicher wird. Wie bitte? Denken jetzt alle Leute, selbst die Reichen, nicht unaufhörlich ans Sparen? Eben nicht. Es sind vielmehr die Boomzeiten, in denen sich Märkte polarisieren: in einen immer absurderen Luxussektor und in einen Billig-Trash-Discount-Sektor, in dem nur der Preis zählt. Die Boomgewinner feiern ihren Triumph in Statuskonsum. Diejenigen, die Angst haben, von der Dynamik abgehängt zu werden, verbergen ihre Angst im Schnäppchenkauf. In der „realisierten” (also angenommenen) Krise ist das plötzlich alles vorbei. Die Reichen trauen sich nicht mehr oder sie haben die Lust verloren. Die nicht so Reichen wägen ihre Investitionen besser ab. Vieles, das billig war, so haben sie erfahren, war das Geld nicht wert. Künftig fragen sich die Konsumenten mehr denn je: „Was ist mir das wirklich wert, was ist mir wirklich wichtig?“
Acht Märkte und Branchen, die die
Wertschöpfung von morgen bestimmen

Insbesondere in acht Teilmärkten wird das Versprechen von Sinn in der Ökonomie künftig eine entscheidende Rolle spielen. Diese Märkte machen bereits heute einen Bedeutungswandel durch.
1. Regionalität:
die Sinnmärkte des Nahen, Guten und Vertrauten

Sinnvoll ist etwas für uns dann, wenn wir uns darin wiederfinden und so etwas wie Identität und Geborgenheit empfinden. Vertrautheit ist in der Welt des 21. Jahrhunderts ein besonders gefragter Sinngeber. Die Renaissance des Regionalen ist eine Konstruktion und ein mit Sentimentalität aufgeladener Erwartungshorizont, der starke emotionale Werte transportiert (Reinheit, Kindheit, Nähe, Vertrautheit). Diese emotionale Qualität wird bislang vor allem von der Food- und Gastro-Branche adressiert, beginnt sich aber allmählich auf viele andere Märkte auszudehnen. ….

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 06-07/2009