Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Die Nachricht als Ware

Wahrlich – wir leben in öffentlichen Zeiten. Die Medienvertreter begleiten rund um die Uhr das Zeitgeschehen, die Politik, die Prominenten und die Nichtprominenten, die für fünf Minuten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen möchten. Eine Hatz, die nie nachlässt. Unablässig drehen sich in immer schnellerer Frequenz Medienvertreter und ihre Nachrichtenlieferanten im Hamsterrad der Nachrichtenproduktion. Denen, die etwas zu sagen haben und denen, die nichts zu sagen haben, wird gleichermaßen das Mikrophon vor den Mund gehalten. Noch der letzte Wortmüll wird zu Papier gebracht und mit viel Puder und Make up das blasseste Gesicht für die TV Kamera zurecht gemacht.
Für den Medienapparat gelten dabei grundsätzlich die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie in unserer gesamten Wirtschaftsordnung. Es wird mit einer Ware gehandelt, die zum bestmöglichen Preis auf dem Markt angeboten wird. In diesem unbarmherzigen Geschäft handeln die Kolleginnen und Kollegen von der Journaille allerdings mit einer heißen, höchst verderblichen Ware, deren Halbwertszeit sich in Zeiten der Online-Vermarktung nach Stunden und Minuten misst. Den Journalisten, der zu spät bekommt, den bestraft der Markt. Im Konkurrenzkampf der Medien untereinander um Auflagen und Einschaltquoten sind Exklusivität und Neuheit der Nachrichten unabdingbar notwendig. Gibt es das nicht, ist die Nachricht nur noch Müll. Da unterscheiden sich vermeintlich kritisch-aufklärerische TV-Magazine keinen Deut von auflagenstarken Zeitungen, die die Meinungen des Volkes bilden wollen. Beide gehen in der Nachrichtenbeschaffung gleich aggressiv zu Werke, wenn die Quoten sinken.
Den Letzten beißen dabei die Hunde. Und das ist in diesem Fall der Journalist. Er ist ein kleines Rädchen im großen Medien-Mechanismus. Er lebt von der Hand in den Mund, hat kaum Zeit, sich in Themen einzuarbeiten. Heute Pressekonferenz bei der Bank XYZ, morgen Werksschließung bei Nokia, dann wieder Preiserhöhung in der Bierbranche. Alles ist kurzfristig und mit heißer Nadel gestrickt. Seit Monaten kündigen beispielsweise die Bierbrauer Preiserhöhungen an. Jetzt, wo sie da sind, reibt sich die Journaille die Augen und alles wundert sich: ach, das ist aber neu!
Klar, dass bei der hektischen Suche nach Themen und Inhalten die Qualität leidet. Das bleibt alles an der Oberfläche; tiefergehende Ursachenforschung – dafür ist keine Zeit, ist auch zu trocken und zu langweilig. Da laufen einem ja die Leser, die Hörer und die Seher weg. Wer’s doch wagt, der muss halt wissen, dass er Nachrichten nur für Minderheiten produziert. Es schleichen sich ärgerliche Fehler ein; da ein Name falsch geschrieben, da ein Zahlendreher. Kleinigkeiten mag man denken, aber symptomatisch. Keine Zeit zum Check, keine Zeit zum Korrekturlesen. Die journalistische Sorgfalt leidet. Kurz zum Hörer gegriffen, ein Paar O-Töne von diesem oder jenem Geschäftsführer abgefragt. Um ein Stück Anschaulichkeit zu be- …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 03/2008