Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Das Weinwunder von Oestrich-Winkel

Ein Wunder wurde da angekündigt: ein Winzer aus Oestrich-Winkel ließ über seine Presseagentur verlauten, er habe nach jahrelangen Experimenten eine neue Rebzüchtung vollbracht. Überschwenglich wurde das Ergebnis in den höchsten Tönen gelobt.
Mit dem neuen, so genannten Perlmutt-Riesling sei ein wahrhaft königlicher Wein entstanden, viele Fehlschläge habe der arme Winzer erdulden müssen, bevor im Herbst 2007 unter strengster Geheimhaltung der erste Perlmutt-Riesling gekeltert worden sei. Bei den Profis habe das Ergebnis nach der ersten Blindverkostung „ungläubiges Kopfschütteln“ ausgelöst, aufgrund des nicht enden wollenden Abgangs sei die Jury „sprachlos“ gewesen, hieß es. Verantwortlich seien dafür „feinste Perlmutt-Kristalle“, die am Gaumen das intensive Geschmackserlebnis bewirken und dem Riesling einen unwiderstehlichen Glanz verleihen sollten. Damit nicht genug, für den Unterschied seien zehn Prozent Perlmuttbeeren verantwortlich, sogar an einer eigens hergestellten Mühle für Perlmutt- und Rieslingbeeren sollte es nicht fehlen, welche diese besonders fein mahlen sollte. Der Grundstein für die neue Methode stammte laut Erfinder von den Fidschi-Inseln, nach welchem die Einheimischen dort den Muscheln ein Stück Perlmutt ins Muschelfleisch einsetzten, um die Erträge an Perlen zu erhöhen. Das Prinzip sei auf den Weinbau erfolgreich übertragen worden: in frisch gepropfte Rieslingsetzlinge habe man ein Stück einer besonderen Muschelart eingesetzt, was zu dem schier unglaublichen Ergebnis geführt habe.
Frauchens Mitstreiter und Kollege kam dies spanisch vor. Zwar gibt es ja auch gerade beim Weinbau in den letzten Jahren die verrücktesten Sachen und dass die Perlenzüchter auf den Fidschi-Inseln ihre Erträge steigern, indem sie den Muscheln einen Fremdkörper einsetzen, der das Wachstum einer neuen Perle beschleunigt, hatte er auch schon mal gehört.
Aber dass jetzt Winzer in irgendwelchen Weinbergen Muschelfleisch auf Reben propfen sollten – das erschien ihm doch mehr als fragwürdig. Dazu kam noch die Tatsache, dass der neue sagenhafte Wein erst Mitte April der Öffentlichkeit offiziell vorgestellt werden sollte, obwohl die ProWein als wichtigste Weinmesse der Welt im März gerade gelaufen war. Normalerweise stellt man „weltbewegende“ Neuheiten gerade bei solchen Gelegenheiten vor.
Ein schärferer Blick auf das Datum der Pressemitteilung zum „Wunder von Oestrich-Winkel“ nährte den Verdacht: 1. April – obwohl der erst eine Woche später stattfinden sollte. Frauchen rief bei der Presseagentur des Winzers an und richtig: es handelte sich um einen klassischen Aprilscherz, der als PR-Maßnahme des besagten Winzers genutzt worden war und auf den laut Auskunft angeblich viele Fachkollegen hereingefallen sein sollten, die sich schon zur Verkostung anmelden wollten. Wir sind es jedenfalls nicht und was es auf der ProWein sonst noch so gab, könnt Ihr in dieser Ausgabe lesen.

Euer Viktor