Schaler Beigeschmack

von Bijan Peymani
Bier braucht Heimat – und eine Stimme. Dem Deutschen Brauer-Bund wurde sie systematisch geraubt. Umso mehr kommt es auf die Öffentlichkeitsarbeit hiesiger Brauereien an. Doch die wird derzeit von bemerkenswerten Personalien, verordnetem Schweigen und dem Fehlen positiver PR-Anlässe überschattet.
Ein kontinuierlich sinkender Pro-Kopf-Verbrauch, bevorstehende Preiserhöhungen, drohende EU-Werbeverbote für Alkohol – nach einer bierseligen Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land hat der Alltag die heimische Bierbranche wieder. Dass weitere Produktinnovationen nicht in Sicht und die Märkte von Me-too-Strategien geprägt sind, verstärkt nur die Katerstimmung. Doch wer jetzt konzertierte, vom Deutschen Brauer-Bund (DBB) in Berlin initiierte Aktionen oder gezielte Öffentlichkeitsarbeit einzelner Unternehmen erwartete, sieht sich getäuscht.
Stattdessen sorgen namhafte Zu-und Abgänge in den PR-Abteilungen für Aufmerksamkeit, die selbst auf Insider befremdlich wirken. Jüngster und zugleich beschämendster Fall ist Dietmar Henle, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bitburger-Brauerei. Im Sommer 2000 hatte er den Job mit damals 46 Jahren übertragen bekommen. Per 31. Dezember 2006 werde Henle das Unternehmen in der Eifel „im gegenseitigen Einvernehmen“ verlassen, bestätigt die nach Absatz hier zu Lande drittgrößte Brauerei auf Nachfrage knapp. Eine Nachfolge ist nicht geplant, auch kein offizielles Dossier zur Personalie – Henle hatte dem Gerstensaftunternehmen immerhin 18 Jahre loyal gedient. Jetzt ist er freigestellt und schweigt, die personalisierte Bitburger-Mail-Adresse ist bereits seit Anfang Oktober nicht mehr geschaltet. „Ein unwürdiges Schauspiel“ und „schlechter Stil“ sei das, ereifern sich Branchenkollegen. „In einem normal geführten Unternehmen wäre der Abgang des Sprechers eine Meldung wert“, ätzt einer, der ungenannt bleiben will. Auch die übliche Zusendung eines Henle-Fotos verweigert das Unternehmen; es sei „Firmenpolitik“, nur Bilder von neu startenden oder amtierenden Führungskräften zu versenden, erklärt Kerstin Flötner, Leiterin Unternehmenskommunikation der Bitburger-Gruppe und Henles Chefin. Flötner hatte den eigens geschaffenen Posten im Oktober 2005 angetreten. Seither war die studierte Medienwissenschaftlerin nicht gerade durch offensive Kommunikationsarbeit aufgefallen.

Vor Wut geschäumt?

Schwerer wiegt, dass die Besetzung der Kommunikationsleitung natürlicherweise Henle zugestanden hätte, zumal sich dieser als Bitburger-Sprecher bewährte und „einen guten Job gemacht“ habe, wie Kollegen anerkennen. Dass Flötner eine Branchenfremde ohne Stallgeruch war – die 42-Jährige kam aus dem Marketing von Hewlett-Packard – und kaum Erfahrung im Umgang mit den Medien aufwies, muss Henle vor Wut geschäumt haben lassen. Sein Abgang schien spätestens seit diesem Frühjahr nur eine Frage der Zeit. Das gilt analog für Stefan Leppin, zuletzt in Diensten von Branchenprimus Radeberger aus dem schillernden Oetker-Reich. Auch Leppin, Jahrgang 1957 und ein Jahrzehnt im Binding/Radeberger-Geschirr, hat sich vor wenigen Monaten sang- und klanglos als Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verabschiedet. Seinen Job hat zum 1. Oktober Birte Kleppien übernommen. Mit der Namensähnlichkeit sind die Gemeinsamkeiten zwischen Leppin und seiner 13 Jahre jüngeren Nachfolgerin aber auch schon erschöpft.
Wichtigster Unterschied: Kleppien kann prima mit ihrem neuen Chef Ulrich Kallmeyer, Leppin konnte so gar nicht. Immerhin wurde ihm der Abgang versüßt: Der ehemalige Redakteur der renommierten Lebensmittel Zeitung (Deutscher Fachverlag) steht noch gut ein Jahr auf der Radeberger-Payroll. Bitter stößt gleichwohl auf, dass auch Leppin – er gilt als einer, der sein Handwerk im großen Bierzelt besonders gut beherrscht – ohne eine Würdigung seitens seines langjährigen Arbeitgebers blieb; alle Sprachorgane blieben stumm.
Wie bei Kollege Henle war es aufgestauter Frust, der Leppin dazu veranlasste, die Brocken hinzuschmeißen. Nach der Übernahme von Brau und Brunnen (BuB) durch Oetker hatte sich Leppin berechtigte Hoffnungen darauf gemacht, auch der vergrößerten Radeberger-Gruppe die Kopfstimme zu verleihen. Intern wurde ihm jedoch signalisiert, dass der damalige BuB-Sprecher Udo Dewies für den Job auserkoren sei. Während Leppin an der inneren Kündigung arbeitete, bereitete Dewies, auch kein erklärter Kallmeyer-Intimus, selbst seinen Abgang vor.
Wie man heute weiß, zog es den 49-Jährigen nach Norddeutschland – zur Carlsberg-Gruppe (Ex-Holsten) nach Hamburg. Dem Vernehmen nach soll sich Dewies im Grundsatz bereits auf der Branchenleitmesse Internorga Anfang März mit Carlsberg-Deutschland-Chef Wolfgang Burgard einig gewesen sein. Beide kennen sich aus BuB-Tagen, und – Ironie des Schicksals – beide führen nun Kalamitäten mit Radeberger-Chef Kallmeyer wieder zusammen. Udo Dewies, studierter Maschinenbauer, arbeitet sich derzeit in seine neue Aufgabe ein. Als Leiter Unternehmenskommunikation wird er offiziell zum Jahreswechsel Udo Franke (63) beerben, der seit Oktober 1988 zunächst auf der Holsten-, später auf der Carlsberg-PR-Brücke das Kommando führte. Über seine aktive Zeit hinaus, so steht zu vermuten, wird der studierte Diplom-Kaufmann seinen Nachfolger und die Brauerei beratend begleiten. Ob Frankes Rückzug aufs Altenteil ganz aus freien Stücken erfolgte, weiß nur er selbst. Fakt ist: Mit der Konzentration auf vier Kernmarken (Carlsberg, Holsten, Lübzer, Duckstein) ist das Feld für Dewies bestellt. Der gelernte Journalist Dewies – in den 80er Jahren schrieb er für die Westdeutsche Zeitung – wird bemüht sein, dem Posten seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Auf Nachfrage kündigt er eine „kooperative Zusammenarbeit“ mit Marketing und Vertrieb an, will sich den Medien mit seinen beiden Mitarbeitern und externer PR-Unterstützung künftig gar als Themendienst empfehlen. Wie die interne Restrukturierung im Detail ausfällt, will Dewies Anfang 2007 offenbaren.

Bitte um „etwas Geduld“

Etwa um diese Zeit muss auch Radeberger-Sprecherin Kleppien vor die Mikrofone treten. Nicht nur die Fachwelt will erfahren, wie es um die Markenführung steht. Radeberger-Chef Kallmeyer selbst hatte das Fass aufgemacht, als er zu Jahresbeginn vollmundig die Repositionierung der Schlüsselmarken avisierte. Nach dem Sommer sollten die Perlen im Portfolio – Radeberger, Jever und Schöfferhofer – in neuem Glanz erstrahlen. Semper-Oper, Frieslandgänger, Bauchnabel – keins der gelernten Key-visuals schien tabu. Bis heute blieb alles beim Alten. Immerhin erhielten Teilnehmer einer Vertriebstagung Mitte Oktober in Berlin eine Vorahnung auf das Kommende. Kleppien bittet „um etwas Geduld“, Radeberger werde „zu gegebener Zeit“ mit Ergebnissen „an die Öffentlichkeit“ gehen. Auch zu den Personalien im Haus – Dewies und Leppin – möchte sich die Gruppe nicht äußern. Kleppien selbst, seit 2001 beim Deutschen Brauer-Bund und zuletzt DBB-Sprecherin, weiß verständlicherweise nichts zu den Vorgängen zu sagen.
Weniger Interpretationsspielraum lässt ihr eigenes Engagement bei Radeberger zu. Kallmeyer persönlich hat Kleppien an den Main geholt. Er lernte die junge Frau, die als Arbeitstier, aber auch als „nicht sehr meinungsfreudig“ gilt, in seiner Funktion als DBB-Schatzmeister kennen und schätzen. Nun ist Kleppien zu Höherem berufen. Leidtragender ist DDB-Hauptgeschäftsführer Peter Hahn – und mit ihm die Branche: Schon fürchten Vertreter, die mangels Manpower eher schale Imagearbeit des Verbands fürs Bier könnte ganz abstehen.
Es scheint, als werde der Brauerbund den Flaschengeist, den er einst rief, nicht mehr los. So fasste das Präsidium auf Betreiben von Kallmeyer im März 2004 den Beschluss, die verbandseigene Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit (GVÖ) aufzulösen. Mit ihr verschwand auch DDB-Geschäftsführer Erich Dederichs – angeblich auf Druck des mächtigen Radeberger-Fürsten. Die DDB-Beiträge bemessen sich nach dem Hektoliterausstoß. Sein wachsendes Branchengewicht soll Kallmeyer daher als Folterwerkzeug gedient haben. „Der hat den Verband systematisch ausgeweidet“, klagt ein Insider. So bleibt DDB-Chef Hahn nur, sich um eine Nachfolge für Kleppien zu bemühen – die Ausschreibung läuft. Wer immer den Job in Berlin künftig macht, es ändert nichts an dem unheilvollen Status quo „stummer Verband – stumme PR-Stellen“. Konkret gibt es vielleicht noch ein Dutzend hauptamtlicher Sprecher in der Branche – zu Beginn der 90er Jahre waren es gut und gerne noch doppelt so viele.

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 01/02/2007