Biervielfalt, Regionalität, Konsolidierung, Konzentration
von Monika Busch
Spannende Bewegung prägte den deutschen Biermarkt in 2006, mit gedämpfter Spannung geht es im Jahr 2007 weiter. Sei es in punkto Kreativität bei Biermischungen und deren Geschmacksrichtungen, Flaschenausstattung, Übernahmen, Verkäufen und Konsolidierung.
Klar, das Jahr 2006 war ein Ausnahmejahr mit Fußball-WM und einem langen Sommerwetter. Deshalb wundert es kaum, das laut Statistischem Bundesamt der Bierabsatz im Inland um 1,4 Prozent (Jan.-Aug.06) gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden konnte. Und im dritten Quartal 2006 mit 29,6 Millionen Hektoliter ein Zuwachs von 2,2 Prozent zu verzeichnen war. Die Biermischgetränke legten um 28,9 Prozent zu.
Aber, die nasskalten Monate August und September haben die WM-Zuwächse nahezu eliminiert. Die demographische Entwicklung ist nicht aufzuhalten, auch nicht die veränderten Geschmackspräferenzen.
Der traditionelle Biertrinker verschwindet zunehmend. Statistisch gesehen trinkt jeder Bundesbürger im Alter ab 15 Jahren täglich eine kleine Flasche Bier. Was einer Menge von 0,35 Liter entspreche, so das Statistische Bundesamt. Die jüngere Generation trinkt nach wie vor weniger Bier. Und in der Gastronomie ist Bier von Wein und einer Vielzahl von alkoholfreien Getränken umzingelt.
Die Folge: eine weitere Konzentration des Marktes, mit Übernahmen und Braustätten-Schließungen – aber auch neue Zusammenschlüsse mittelständischer Privatbrauereien als Gegenpol zu den Big-Playern in der Branche.
Beispielsweise schlüpfte die in Miesbach ansässige Weißbierbrauerei Hopf Anfang des Jahres 2006 unter das Dach der zur Paulaner-Gruppe gehörigen Hacker-Pschorr Bräu GmbH, die Radeberger Gruppe übernahm die Freiburger Brauhaus AG, die Landskron Brauerei in Görlitz wurde von Carlsberg Deutschland an die Dr. Lohbeck Stiftung – auch im Besitz der Schwelmer Brauerei – verkauft. Die Krombacher Brauerei hat sich mit der Übernahme der Vertriebsrechte für Schweppes und Orangina strategisch den Markt für alkoholfreie Getränke geöffnet.
Die Bitburger-Gruppe hat sich eine Neuausrichtung verordnet und einer reinen Mengenführerschaft eine Absage erteilt. Medial wurden immer wieder Übernahmespekulationen durch die Radeberger-Gruppe dementiert. Zuletzt sah sich die Schörghuber Unternehmen-Gruppe gemeinsam mit der Oetker-Gruppe veranlasst, Gerüchte und Mutmaßungen über eine Akquisition der Paulaner Brauerei durch die Oetker-Biersparte per Pressemeldung zu dementieren. Die Brauereigruppe Oettinger übernahm das in Pritzwalk ansässige Brauhaus Preussen Pils.
Als „Verdrängungsmarkt und Schlachtfeld“ bezeichnete Peter Rikowski, Geschäftsführung der Bitburger Brauerei, den Biermarkt 2006. Ulrich Kallmeyer wurde nicht müde beständig auf die „gut gefüllten Oetker-Kassen“ zu verweisen, mit dem Ziel, bis 2010 den Marktanteil der Radeberger-Gruppe auf 20 Prozent zu steigern. Das Hofbräuhaus-Wolters wird nun durch ein Management-Buy-Out vorerst weitergeführt, die Brauerei Dinkelacker Schwabenbräu wurde von dem früheren Miteigentümer Wolfgang Dinkelacker wieder zurückgekauft.
Und die personell überraschende Nachricht am Jahresende war sicherlich die 50-Prozent-Beteiligung von Paul Bösken-Diebels an der Korschenbroicher Privatbrauerei Bolten. Die Altbierbrauerei wurde 2005 vom Brancheninsider Michael Hollmann erworben. Mit dem ehemaligen Diebels-Anteilseigner und Geschäftsführer will Hollmann weiter „Gas geben”. Wie die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post berichtete, sollen mit dem neuen Partner notwendige Investitionen vorangetrieben werden. Zudem auf der Agenda: der Einstieg von Bolten in den Weinhandel. Der größte deutsche Mälzer Weissheimer wurde von der russischen Malzgruppe Russky Solod, zur Bankholding Avangard gehörend, geschluckt. Russky Solod kommt in Russland auf eine Gesamtproduktion von rund 340.000 Tonnen. Mit der Übernahme der rund 330.300 Weissheimer-Tonnen liegt die Gruppe weltweilt auf Rang Sechs.
Gentechnik und die EU-Alkoholpolitik bringen die deutschen Brauer in Aufruhr. Europäische Genuss-Skeptiker seien am Werk, die die Freiheit der Verbraucher einschränken wollten. Die Europäische Union stelle den maßvollen Genießer, der sein wohlverdientes Feierabendbier trinke auf eine Stufe mit jenen, die das rechte Maß verloren hätten, schimpft Peter Hahn, Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Und pünktlich zum Jahresende wurden vermehrt Stimmen über „eine Verknappung der Braugerste“ laut.
Reinheitsgebot in Gefahr? Könnte deutsches Bier bald mit Reis gebraut werden? Wird das deutsche Reinheitsgebot nach über 500 Jahren fallen? Nein, die deutschen Brauer erteilen dieser Aussage eine klare Absage. Gestartet wurde auch eine Brauer-Kampagne gegen Gentechnik im Bier, nachdem das Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben von Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Genehmigung erhalten hat, gentechnisch veränderten Weizen freizusetzen.
„Mit dieser Genehmigung ist der nächste Schritt zum Gen-Tech-Bier erfolgt – und das, obwohl Landwirte, Brauer und Verbraucher sich bereits jetzt massiv gegen die Gentechnik stellen. Offensichtlich hat der jüngst im deutschen Handel aufgetauchte gentechnisch veränderte Reis keinen Lerneffekt ausgelöst“, empörte sich Dr. Franz Ehrnsperger, Inhaber der Neumarkter Lammsbräu und Biobrauer der ersten Stunde.
Bei Irlands größten Wettanbieter Paddy Power plc hingegen wird tatsächlich gewettet, ob das deutsche Reinheitsgebot fallen wird oder auch nicht. Ebenso gewichtige Faktoren sind gestiegene Energiepreise und die Mehrwertsteuererhöhung. Nichtsdestotrotz bietet die deutsche Brauwirtschaft eine riesige Vielfalt – die größte in Europa und damit auch Potenzial. Aber, so die Erkenntnis von Bierinsider Conrad Seidl, laut einer Studie des Linzer market-Instituts, ignoriert jeder zweite deutsche Biertrinker diese Vielfalt.
Für Seidl: „Unglaublich, was sich die Menschen entgehen lassen“. Denn, fünfzig Prozent der Befragten kauften in den vergangenen drei Monaten immer wieder nur ein bestimmtes Bier. Und die andere Hälfte der Befragten hat mehrheitlich nicht mehr als drei verschiedene Biere ausprobiert – und das im Bier-Schlaraffenland. „Junge Befragte und Angehörige der höheren Bildungsschicht nutzen die Biervielfalt viel stärker, auch greifen diese Gruppen ungezwungener zu Importbieren.“
Weitere Erkenntnisse der Studie: 21 Prozent der befragten Biertrinker gaben an, noch nie Pils getrunken zu haben. 36 Prozent haben noch nie Hefeweizen probiert, 44 Prozent kennen kein Schwarzbier aus eigener Erfahrung und rund zwei Drittel haben noch nie ein Kölsch getrunken. Ergo, nicht unbedingt ein Grund zum Jubeln.
Laut einer durchgeführten KPMG-Umfrage unter 260 deutschen Brauereien (Rücklaufquote 21,5%) aus dem vergangenen Jahr, blicken die deutschen Brauer nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft. 88 Prozent rechnen mit weiterhin rückläufigen Absätzen, acht Prozent mit einer Stagnation. Bis 2009 wird ein weiteres Absatzminus von fünf Prozent erwartet. Weiterhin im Trend liegen die Biermischgetränke, ebenso Weizenbiere und so genannte Saisonbiere. Auch gehen die befragten Brauereien davon aus, das der Absatz über die Discounter zunehmen und der Konsolidierungsdruck wachsen wird.
Laut KPMG haben die Big-Player Inbev, Heineken und Carlsberg mit Unternehmenskäufen auf dem deutschen Biermarkt insgesamt Absatzmengen von rund 30 Millionen Hektoliter erworben. Auf der Strecke geblieben sind etliche mittelständische Brauereien, deutlich zugenommen hat die Anzahl der Gasthausbrauereien mit einem Ausstoß unter 10.000 sowie die großen Braustätten mit einem Ausstoß von über einer Million Hektoliter. Sind amerikanische Verhältnisse auf dem Vormarsch?
In den 60er und 70er Jahren herrschte hier unter den Brauereibesitzern eine so genannte „take the money and run“-Mentalität. „Wenn Du schlau bist, nimmst Du das Geld und gehst“ – mit der Folge, dass der US-amerikanische Biermarkt von drei riesigen Konzernen mit rund 80 Prozent Marktanteil dominiert wird und die rund 1.415 Microbrewers lediglich sechs Prozent Marktanteil für sich behaupten.
Auf dem deutschen Biermarkt bestreiten die acht größten Braukonzerne rund 60 Prozent Marktanteil. Dennoch sind die jeweiligen Marktanteile mit leicht über, beziehungsweise unter zehn Prozent (Stand 2005) noch relativ klein. Bei rückblickender Betrachtung könnte teilweise die Konsolidierung des deutschen Biermarktes als Gebietsabrundung im besten geographischen Sinne bezeichnet werden. Der deutsche Biermarkt besteht nach wie vor aus deutlich abgegrenzten Regional- und Teilmärkten.
Lediglich das „Modell der deutschen Bierkultur“ habe nach Aussage des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Radeberger Gruppe KG Ulrich Kallmeyer Bestand. Mit einem Marktanteil von 15 Prozent in 2006 sei die Gruppe Marktführer im Inland, bei einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro und einem Ge…
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 01/02/2007