Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Ab an die Leine!

Als ich vor kurzem in meinem Körbchen in der Redaktion lag, über mich und die Welt nachdachte, während Frauchen mal wieder telefonierte, wurde ich auf einmal ganz hellhörig, denn sie sprach mit Irgendjemandem über Koppelungsgeschäfte. Bei diesem Wort fielen mir nur meine täglichen Spaziergänge mit Frauchen ein, bei denen ich – zumindest in der Stadt – angekoppelt bin. Das ist das Geschäft zwischen Frauchen und mir: In der Stadt an der Leine, auf der Wiese aber dafür frei herumlaufen. Übrigens eine Regelung, mit der wir beide ganz gut leben können.
Aber wieso sprach Frauchen jetzt von Koppelungsgeschäften? Wollte Sie mich etwa ausmustern und sich einen neuen, knackigen Hund zulegen, weil ich ihr vielleicht zu alt bin? Das konnte ich mir nicht vorstellen, denn wir sind doch kein normales deutsches Unternehmen, in dem ältere Menschen (und Hunde) keine Chance mehr haben! Bevor ich mich aber in irgendeinen Wahn steigerte, habe ich dann einfach mal nachgefragt, was denn los sei.
Gott sei Dank hatte das alles nix mit mir zu tun, sondern es ging um etwas anderes. Zeitschriften und auch Zeitungen, hat mir Frauchen erklärt, können natürlich nur (über)leben, wenn es auch Anzeigen gibt. Die Leser können sich aber normalerweise darauf verlassen, dass Anzeigen und der eigentlich entscheidende Teil, nämlich die redaktionellen Beiträge, zwei getrennte Dinge sind. Das heißt: Die Redaktionen schreiben das, wovon sie überzeugt sind, dass es richtig ist.
Was das alles mit dem Koppelungsgeschäft zu tun hat? Ganz einfach: Manche Anzeigenkunden glauben, dass man Redaktionen „zwingen“ kann, etwas Nettes zu schreiben, wenn man gleichzeitig eine Anzeige schaltet oder noch „besser“: Man bekommt die Anzeige nur, wenn man auch etwas Nettes schreibt. Das nennt man dann Koppelungsgeschäft – grundsätzlich verboten, aber leider immer wieder anzutreffen.
Frauchen hat mir erklärt, warum sie nichts von solchen Dingen hält. Die wichtigste Person ist der Leser. Und der glaubt dann vielleicht nicht mehr, was im Heft steht, weil er sich denkt, dass die Redaktion dafür bezahlt worden ist. Und das wäre doch schade!
Da bleibe ich doch lieber bei meiner persönlichen Variante von Koppelungsgeschäften: In der Stadt an der Leine und auf der Wiese frei. Da haben wir beide was von: Ich an dem einen und auch der Mensch am anderen Ende der Leine.
Euer Viktor