Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Wie das Leben so spielt…

Vor einem Vierteljahr hat es in der Nachbarschaft bei meinen Freunden, den belgischen Labradors, wieder mal Nachwuchs gegeben. Die sind irgendwie bei der Familienplanung ganz schön aktiv. Labradors, speziell die belgischen, sind schon ein paar ganz gewaltige Brocken, vor allem, wenn sie ausgewachsen sind. Dagegen sind die niederländischen Neufundländer fast schon winzig zu nennen. Selbst die dänischen Doggen kommen kaum gegen sie an. Im Grunde genommen sind diese Labradors auch ganz nett. Allerdings glauben sie manchmal, allein aufgrund ihrer Größe seien sie etwas Besonderes. Wenn die durch die Hundewiese laufen, habe ich manchmal den Eindruck, sie gucken auf alle anderen Hunde herunter und überlegen die ganze Zeit, wen sie noch in die Familie aufnehmen können. Den einen oder anderen haben sie auch schon adoptiert, aber langsam verlieren die den Überblick, wer alles zu ihrer Familie gehört und wer nicht. Ich bezweifle auch, dass alle neuen Familienmitglieder in dieser Familie so glücklich geworden sind.
Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht reden. Reden wollte ich über die Frage, wie ich einem kleinen Hund richtiges Benehmen beibringe. Hundeschule ist natürlich eine Möglichkeit, aber immer nur dieser theoretische Unterricht ohne praktischen Bezug – ich weiß nicht! Ich glaube nicht, dass einen das weiter bringt, vor allem, wenn man so gute Erzieher hat wie zum Beispiel Frauchen. Die hat das mit mir damals irgendwie cleverer angestellt: Ich durfte von Anfang an überall mit hin und musste meine eigenen Erfahrungen machen. Das war nicht immer angenehm und das eine oder andere Mal habe ich mir auch – zum Glück nur im übertragenen Sinne – eine blutige Nase geholt. Aber gelernt habe ich wahnsinnig viel. Wie gesagt, überall war ich mit, sogar zu Hunde-Kongressen durfte ich, um mitzukriegen, wie das Leben so spielt. Frauchen hat immer gesagt: „Komm mit, das kostet zwar mehr Geld, aber nur so lernst Du etwas.“ Und Frauchen hat Recht behalten – wie immer.
Ich habe eine Menge gelernt. Eins aber war merkwürdig: Von den Labradors, den Neufundländern und den Doggen habe ich immer nur die Eltern getroffen, die Kinder mussten offensichtlich zu Hause bleiben. Ob die vielleicht doch nicht so viel Geld haben und an allen Ecken und Enden sparen müssen? Oder ob die glauben, die Kleinen stören nur? Ich weiß es nicht. Eines aber weiß ich genau: Hätte Frauchen mich nicht überall hin mitgenommen, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Sicherlich nicht das, was ich heute bin. Und vor allem: Frauchen hätte bestimmt nicht so viel Grund, stolz auf mich zu sein.

Tschüss
Euer Viktor