Tamara Dragus im Gespräch mit Henner Klein

„Lieber ein glatter Schnitt als zähes Rumgesäge“

In früheren Zeiten hat er sich Gedanken über die magnetischen Eigenschaften seltener Erdmetalle gemacht. Heute beschäftigt er sich mit der Geschäftsplanung namhafter Unternehmen. Der diplomierte Physiker H. L. Henner Klein (61) steht seit Ende 2003 an der Spitze eines der größten Beratungsunternehmen der Welt. Als Chief Executive Officer von A.T. Kearney International behielt Herr Klein auch dann die Nerven, als vermummte Scharfschützen für 24 Stunden seine Brüsseler Räumlichkeiten ins Visier nahmen.

Geboren 1945 als Sohn eines Berufsoffiziers, sechs Wochen nach Kriegsende, am Fuße des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Diesen Mann bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Auge in Auge mit dem Sondereinsatzkommando, das sich zu Ehren des amerikanischen Präsidenten mit dem Maschinengewehr im Anschlag über den Dächern von Brüssel postiert, bleibt Herr Klein gelassen. Sitzt am Laptop, checkt seine Mails und schiebt sich einen belgischen Trüffel in den Mund. Nein, dieser Mann ist nicht schnell zu verunsichern. Gelassenheit und ein hohes Maß an Konzentration sind Eigenschaften, die den in Bayern geborenen, aber im Rheinland aufgewachsenen Berater auszeichnen. Nicht umsonst hat er fünf Jahre im Tor gestanden und erfolgreich Bälle gehalten.
„So, wie einer sich auf dem Platz verhält, so verhält er sich auch im Leben.“ Henner Klein denkt gerne analog. Als gelerntem Physiker gelingt es ihm leicht, naturwissenschaftliche Phänomene auf das diffizile Spannungsfeld zwischenmenschlicher Beziehungen zu übertragen. Vom Flügelschlag eines Schmetterlings, der andernorts ganze Wirbelstürme entfacht, hin zur simplen „Pendeltheorie“, mit der sich Geschäftsabläufe und organisatorische Entwicklungen auf eine einfache Formel reduzieren lassen: „Ein Pendel erreicht seine größte Geschwindigkeit beim Durchschreiten des Mittelpunktes, ergo bleibt es nicht in der Mitte. Erfolgreiches Management heißt auch, ein Unternehmen immer wieder mit nur kleinen ‚Pendelausschlägen’ an die sich verändernden Realitäten anzupassen.“ Henner Klein liebt Logik. Dabei ist er mitnichten ein nüchterner Zahlenmensch, vielmehr dienen ihm Daten und Fakten als theoretisches Gerüst, auf das er seinen analytischen Weitblick aufbauen kann. „Ein guter Berater sollte vor allem eines können: Daten synthetisieren und zu nutzbaren Informationen verarbeiten. Außerdem muss er die Fähigkeit haben, Zusammenhänge zu destillieren und daraus logische Schlüsse zu ziehen.“ Souverän wirkt er. Sympathisch. Und auf eine gewisse Art und Weise auch sehr bescheiden. Dass er als oberster Kopf einer Weltfirma fungiert, merkt man ihm nicht an.
Wochenlang dauert das interne Auswahlverfahren zum Chief Executive Officer, beworben hat er sich Anfangs eher aus Pflichtgefühl, denn aus Ehrgeiz. Henner Klein besteht jede Auswahlrunde und bleibt am Schluss als einziger Deutscher mit zwei amerikanischen Kollegen übrig. Nach einem zwölfstündigen Telefonmarathon („So mit das Anstrengendste, was ich je gemacht habe“), gewinnt Henner Klein das Rennen. Am 1. Dezember 2003 tritt er offiziell an die Spitze des rund 4000 Mitarbeiter starken Weltunternehmens. „Mit dieser Wahl haben mir meine Kollegen die Verantwortung übertragen, A.T. Kearney in eine neue Ära zu führen. Das habe ich wirklich als große Ehre empfunden.“
Henners stetige Karriere als ein Kearney beginnt 1982. Im Jahr zuvor schlägt sich der diplomierte Festkörperphysiker bei Oetker noch mit Tiefkühlprodukten und Eiskrem herum. Doch die Stimmung des Logistikdirektors der Frozen-Food-Tochter befindet sich auf dem Gefrierpunkt. Henner Klein ist mit der strategischen Richtung der Geschäftsführung nicht mehr glücklich, da kommt ihm das Angebot von A.T. Kearney gerade recht. Damals noch konzentriert sich Beratung auf wenige nationale Märkte, doch dann wächst A.T. Kearney schnell zu einem der führenden globalen Beratungsunternehmen heran.
Und Henner wächst mit. 1989 wird er zum Vice President und Partner ernannt, danach ist er Co-Leader der Manufacturing und Supply Chain Practice Europe sowie Unit-Leader für…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 092006