„Superjeilezick”

Marke „Kölsch“ generiert Heimat

von Timur Dosdogru

Auch in den vergangenen Jahren hat sich das helle Obergärige im pils-dominierten Markt behaupten können. Kölsch ist vor allem in der Domstadt in aller Munde – eine andere Biersorte hat hier und in der Umgebung kaum eine Chance. Der Kölschmarkt gilt, allen marktbereinigenden Abschmelzungen der letzten Jahre zum Trotz, als gefestigt und hat sich zumindest in der Gastronomie auch in anderen Teilen der Republik als „exportfähig“ erwiesen (sogar nach Düsseldorf). Jedoch rechnen Branchenkenner noch mit Verlusten im Kölschmarkt, weil auch hier – wie im gesamten Biermarkt – die Konzentrationswelle noch nicht abgeschlossen ist.

Trotzdem könnte man den Kölschmarkt als eingeschworene Trutzburg unter den Biersorten beschreiben. Selbst beim Altbier in der benachbarten Rheinmetropole Düsseldorf hat dies – trotz großer heimatlicher Bindung – nie so geklappt wie bei Kölsch. Dafür war Alt aber in den 90er Jahren schon einmal in Gestalt der heutigen InBev-Marke Diebels auf dem Sprung, eine echte nationale Sorte zu werden, musste dann aber doch zurück-stecken und gilt aber dafür heute zumindest im Rest der Republik aber schon fast als Synonym für Altbier – auch wenn dieser Markt in den letzten Jahren stärker verloren hat. Allerdings: Das Synonym für Düsseldorf ist die Biersorte Alt nicht geworden, beim Kölsch sieht das anders aus – nichts ist so kölsch wie Kölsch.
Die Kölschbrauer haben sich dagegen mit so großen Marken- und Marktoffensiven überwiegend kaum beschäftigt, getreu dem Motto „Mer losse d’r Dom en Kölle…“, sie exportierten lieber gleich einzelne, komplette Kölschgastronomien in andere bundesdeutsche Städte – mit Erfolg, wie sich nicht nur in Berlin, Hamburg, München und Düsseldorf zeigt. Besonders letzteres dürfte manchem Altbierliebhaber ein ungutes Gefühl bereitet haben. Dies zeigt aber auch, dass das Exotische den Menschen/Konsumenten (Düsseldorfer) irgendwie immer interessiert – auch wenn der Reiz des Fremden nur rund 40 Kilometer Unterschied beträgt.
Jedenfalls scheint die im wahrsten Sinne des Wortes vielbesungene Verwurzelung des Kölschmarktes in seiner Region größer zu sein, als die anderer Biersorten und damit in Sachen Brauchtum auch anders zu kommunizieren gegenüber „Andersgläubigen“, wie man es im Kölner Raum ausdrücken würde.

Den Kölschmarkt begreifen…

Will man den Kölschmarkt losgelöst vom – ohnehin schon schwierigen – Gesamtbiermarkt begreifen, muss man einige Besonderheiten berücksichtigen. Im Jahr 2005 betrug das gesamte Kölsch-Volumen rund 2,5 Millionen Hektoliter. Motor des flüssigen Kölschwesens ist 100-prozentig die Gastronomie, interessanterweise auch im Flaschenbierabsatz. So kommt es dann dazu, dass die ersten beiden größten Marken Reissdorf und Gaffel, die zudem auch noch inhabergeführt sind, sich den Markt untereinander in Flaschen- und Fassbier „aufgeteilt“ haben.
Damit kann man gut nebeneinander existieren und gleichzeitig bildet doch jeder für sich ein nicht nur gastronomisches Rückgrat, sondern auch eine Speerspitze für die „Marke“ Kölsch. So zeigt sich denn auch die Privat-Brauerei Heinrich Reissdorf GmbH & Co. KG in Gestalt ihres geschäftsführenden Gesellschafters Michael von Rieff hinsichtlich ihrer Marktführerschaft gelassen.
„Recht zufrieden“ sei er mit dem Jahr 2005, so von Rieff, der einen Absatz von 664.000 Hektoliter vorweisen kann (von Rieff: „Ein kleines Plus.“) – rund 80 Prozent davon Flaschenbier. Bei der Privatbrauerei Gaffel Becker & Co. mit einem Absatz von rund 500.000 Hektoliter ist dies nahezu umgekehrt, hier macht das Fassbier rund 67 Prozent aus. Auf die „Fasspflege“ hat man sich im Hause Gaffel in den vergangenen Jahrzehnten immer gut verstanden, was sich auch daran zeigt, das Gaffel im bundesweiten Gesamtbiermarkt im Fassbierbereich seit Jahren stabil an immerhin sechster Stelle steht. Andere, viel größere Biermarken und -sorten können davon in Zeiten massenhafter „Billighektos“ nur träumen.
Reissdorf-Chef von Rieff räumt allerdings auch ein, dass der Kölschmarkt insgesamt im vergangenen Jahr laut Kölner Brauerei-Verband rund 80.000 Hektoliter verloren habe und er Verluste auch für das laufende Jahr erwartet. „Vielleicht bringt die vielbeschworene ,neue Stimmung’ beim Verbraucher etwas“, meint er, selbst nicht so ganz überzeugt davon. Auch müsse man künftig sehen, was aus dem Dosenmarkt werde. Der jüngste Trend zur Weißglasflasche, forciert von den mittlerweile oft konzerngebundenen nationalen Brauereien, hat der Marke Reissdorf jedenfalls gut getan. Zusätzliche Effekte von der Fußball-WM in Deutschland verspricht man sich bei Reissdorf kaum, man solle das Thema nicht überbewerten.

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 04/2006