„Neue Puritaner“ wollen übrigen Europäern den Spaß verderben
Der immer kläglicher werdende Rest Europas, der sich bisher noch nicht dem ursprünglich aus Amerika stammenden Sicherheits- und Reglementierungswahn unterworfen hat, kann sich nun auch warm anziehen: Beim Tabakwerbeverbot wird es derzeit vorgemacht, beim Alkohol warten wir noch drauf und die Hersteller von Süßigkeiten oder süßen Getränken setzen auch bereits alles daran, zum Teil noch versteckt oder bereits ganz offen, den Zuckergehalt ihrer ach so schädlichen Produkte zu senken. Und das offenbar mit immer mehr Unterstützung immer mehr Konsumenten, wie ein Marktforschungsunternehmen bei einer Umfrage unter europäischen Konsumenten herausgefunden haben will.
„Neue Puritaner“ nennt die Studie diesen Konsumentenkreis, dem angeblich mittlerweile jeder dritte Europäer angehören soll – wenn’s denn stimmt. Angeblich ist jeder dritte Europäer dafür, dass der Staat gegen den häuslichen Alkoholkonsum vorgeht, ebenso gegen Süßes in der Schule, Schokolade im Krankenhaus, schnelle Autos oder Geländewagen, internationale Flüge und was sich sonst noch so alles an vermeintlichen Bedrohungen finden lässt.
Die wachsende Noch-Minderheit der Konsumkritiker will den Leuten noch Einiges vermiesen: Den Kurzurlaub mit dem Billigflieger, den Schokoriegel, das gemütliche Glas Wein zuhause. Alarmierend daran ist, dass mittlerweile Freizeitinteressen und Verhaltensweisen angeprangert werden, die laut allgemein gesellschaftlichem Konsens bisher als Privatsache galten. Nach dieser Studie ist dem aber nicht mehr so, immer mehr Europäer teilen angeblich die Ansichten der „Neuen Puritaner“: 36 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass ihre Regierung gegen den häuslichen Alkoholkonsum mit Kampagnen vorgehen sollte. 43 Prozent sind der Meinung, dass alle Süßigkeiten, Limonaden und Colagetränke aus den Schulen verbannt werden sollten und 33 Prozent plädieren dafür, dass Fahrzeuge mit Allradantrieb und Geländewagen in Großstädten verboten werden. Das Traurige oder Alarmierende daran ist, dass sich anscheinend immer mehr Leute in Angelegenheiten einmischen wollen, die sie nichts angehen, beziehungsweise von denen sie selbst überhaupt nicht betroffen sind: 42 Prozent der kinderlosen Haushalte vertraten beispielsweise den Standpunkt, dass Schulleiter alle Arten von Süßigkeiten aus den Stätten ihres Wirkens verbannen sollten. 38 Prozent der Befragten Europäer ohne Automobil sprachen sich für ein niedrigeres Tempolimit auf Autobahnen aus – wollen die alle darauf herumlaufen? Bei den Deutschen ohne Auto übrigens waren es sogar 39 Prozent, bei den Süßigkeiten waren es hingegen nur 19 Prozent der Bundesbürger (vermutlich die schlanken).
Es kommt aber noch besser: Über die Hälfte der europaweit Befragten (53 Prozent) fordern Einschränkungen bei mindestens zwei Verhaltensweisen, zu denen sie befragt wurden. 6,5 Prozent weitere würden gewisse Einschränkungen jeder dieser Verhaltensweisen begrüßen – in Deutschland immerhin noch sechs Prozent zählen sich zu diesen „Hardlinern“, und „nur“ 39 Prozent der Deutschen wollen ihren Mitmenschen bei immerhin zwei Aktivitäten den Spaß verderben.
Rechnet man dies auf noch andere Freizeit- und Mußeaktivitäten hoch, Nasebohren, Onanieren und sonstiges mit eingerechnet (ohne die Gefahren des Drachenfliegens, Fallschirmspringens, Bollerwagentunings oder wasweißichnoch) bleibt unter dem Strich noch eine Menge anderes übrig, wo der Staat noch Handlungsbedarf sehen könnte.
Dafür stehen auch der permanente Selbsterklärungsversuch der europäischen Staaten beim inszenierten Theater um die Mohammed-Karikaturen, das Kopftuchverbot oder die staatlich geduldete Schwulenhatz in Polen und anderen osteuropäischen Ländern – und da wollt Ihr alle (die ihr noch übrig seid) zuhause – geschweige denn in der Öffentlichkeit – noch rauchen oder gar Alkohol trinken?
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 08/2006