Auch künftig keine neuen Wein-Verfahren bei VDP-Gütern
„Agenda 2015“: Adler auf der Flaschenkapsel steht weiter für handwerkliche Weinbereitung
von Timur Dosdogru, Fotos: dgw
„Eintritt nur mit dienstlichem Auftrag“ – steht an einem Nebeneingang des Weinguts Kloster Marienthal, dem ehemaligen Staatsweingut in Dernau-Marienthal. Wahrscheinlich hat man diese eher lustig anmutende Weisung aus Nostalgiegründen bis heute stehen lassen, für die Mitglieder des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) war der Auftrag am 11. Juli schon mehr als dienstlich, ging es doch um die Zukunft des Spitzenweinanbaus in Deutschland, weshalb sie wohl den Haupteingang benutzen durften. Lange haben die VDP-Mitgliedsbetriebe mit sich gerungen, aber seit diesem Tag ist es amtlich: Auch künftig wird der VDP keine so genannten „neuen Verfahren“ für die Weinbereitung in seinen Betrieben zulassen.
Hoch schlugen in den letzten Monaten die Wogen zwischen dem alten Europa und der neuen Welt in dieser Frage, nach wie vor aber gilt – zumindest bei deutschen Spitzenweinen: Holzfass, statt Holzchips (man spricht schon von „gechipsten“ Weinen), keine weitere Industrialisierung, um schnell noch mehr – zugegebenermaßen wohl manchmal auch bessere – Massenweine amerikanischer Prägung auf den Markt und schließlich in die Welt zu bringen. Klar gestellt wurde aber auch, dass man sich keinesfalls gegenüber neuen Technologien sperren wolle, auch künftig werde man neue Entwicklungen genau verfolgen und gegebenenfalls diskutieren. Dies betonte VDP-Präsident Prinz Michael zu Salm-Salm anlässlich der Mitgliederversammlung in Marienthal an der Ahr – eine klare Antwort der 200 Spitzenweingüter aus allen deutschen Weinregionen auf die Diskussion um die Zulassung neuer önologischer Verfahren in Deutschland.
Damit werden konkret diese Verfahren, insbesondere der Einsatz von Eichenholzchips, grundsätzlich abgelehnt. Um dennoch guten Willen zu zeigen, geht die Selbstbeschränkung auf traditionelle Methoden einher mit einer Zulassung von „streng gefassten, einzelbetrieblichen Versuchsgenehmigungen, um eigene Erfahrungen zu sammeln“, wie es heißt. Aber: Diese Weine aus Versuchsanbau dürfen kein VDP-Gütesiegel tragen – also kein traditioneller Traubenadler. Selbstbeschränkung steht damit nun als kommunikative Waffe gegen die fehlende Deklarationspflicht für Weinbereitungsmethoden und damit für eine klare Abgrenzung gegenüber der industriellen Weinerzeugung. Für Prinz zu Salm-Salm ist dies eine klare Sache: „Für uns bleibt Wein ein Produkt, welches sich durch Natur, Kultur und traditionelles Handwerk definiert, geprägt von den individuellen Visionen unserer Winzer.“
Und, da Kommunikation – vor allem auch aus marketingtechnischen Aspekten – mit einer Stimme sprechen sollte, ist den VDP-Betrieben in Marienthal noch ein Durchbruch gelungen: Nach intensiven Diskussionen einigten sich die Delegierten auf die Vereinheitlichung der Kennzeichnung ihrer Spitzenweine. Spätestens im Jahr 2015 soll es soweit sein, bis dahin die Regelungen in allen Betrieben zeitlich gestaffelt umgesetzt werden. Seit Jahren schon laufen die Bestrebungen in Deutschland, entsprechend dem Vorbild der „Grands Crus“ eine einheitliche Regelung für Weine der obersten Kategorie in allen Anbaugebieten zu schaffen. Dies ist nun gelungen, der Oberbegriff für Deutschlands Spitzenweine lautet künftig „Erste Lage“. Nur diese Weine werden einheitlich mit dem Logo „Eins mit Traube“ gekennzeichnet und nach gleichen terroir-orientierten, strengen Kriterien vinifiziert. Innerhalb dieser Kategorie heißen trockene Weine – schon ab 2006 – in allen Gebieten „Grosse Gewächse“ (die Rechtschreibung in der Schweiz und in Österreich lässt grüßen), das heißt, alle diese Weine müssen den gesetzlichen Anforderungen bezüglich des Begriffs „trocken“ genügen. Außerdem gibt es bei den „Grossen Gewächsen“ restsüße Spätlesen und Auslesen, bis hin zur Trockenbeerenauslese, wobei die Region für die einzelnen Weinberge definiert, welche Weintypen das Terroir optimal interpretieren sollen. Dazu wurde bereits der Begriff „VDP. Grosses Gewächs ®“ als Marke geschützt. Für die frucht- und edelsüßen Weine sollen „Spätlese“ und andere Prädikate verwendet werden. Der heißeste Diskussionspunkt dürfte für die Winzer der Verzicht auf die Verwendung von Lagennamen gewesen sein, bis 2015 soll sich die konsequente Weiterentwick-lung der herkunftsgeprägten Klassifikation durchgesetzt haben: Agenda 2015. VDP-Präsident Prinz zu Salm-Salm lobt in dieser Frage „die Weitsicht und Vernunft der Mitglieder“, die in der Tat einer jahrelangen Debatte im deutschen Weinbau ein Ende setzen. Zwar müssten noch in einzelnen Regionen „viele Hausaufgaben“ erledigt werden, doch „haben wir nun eine Vision, die uns ermöglicht, ,Grands Crus‘ deutscher Herkunft zu erzeugen, die im Konzert der Großen Weine dieser Welt eine herausragende Partitur spielen werden“. Dies – Handwerk, Kultur, Terroir – so der Prinz, sei entscheidend für die Zukunft des deutschen Spitzenweinbaus.
Nicht zuletzt auch durch die vor kurzem abgeschlossenen Handelsvereinbarungen zwischen der Europäischen Union und den USA bezüglich Import und Handel von „großtechnisch“ herstellten Weinen hat die Diskussion um die Weinherstellung im Holzfass wieder eine neue Aktualität erfahren.
Zahlreiche Winzer wie auch Weinexperten halten von den getoasteten Eichenchips überhaupt nichts, die mittels Mikrooxidation die Verhältnisse im handwerklich hergestellten Fass nachahmen. Ob die erreichte Weinqualität dabei vergleichbar ist, ist nach wie vor die strittige Frage. Die Befürworter „gechipster“ Weine verweisen gern auch darauf, dass die Industrieweine einen Beitrag zum Waldschutz darstellen, weil man aus einem Baum nun einmal nur wenig Fasswein herstellen könne, im Gegensatz zum Einsatz von Holzchips.
Falsch, sagen die Chip-Gegner: Fassholzdauben für Barriquefässer seien nur 90 Zentimeter lang, weshalb auch astige und krumme Hölzer verwendet …
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 09/2006