Innovationen – Chance und Herausforderung für die Markenartikelindustrie

Trend-Dreieck: Wellness, Convenience, Genuss

von Monika Busch

Die Umsätze der Markenartikelindustrie lagen nach Angaben des Markenartikelverbandes 2004 bei 347 Milliarden Euro mit 1,6 Millionen Beschäftigen hier zu Lande. Der Anteil am Bruttosozialprodukt lag 2003 bei 7,2 Prozent. Aber wie definiert sich heute der Begriff „Marke“?
Wie unterscheidet der Verbraucher Marke und Handelsmarke? Objektive Kriterien allein reichen nicht mehr aus. Entscheidend ist die differenzierte Wahrnehmung hinsichtlich Angebot, Gestaltung, Kommunikation und vor allem Innovation. Und nicht zu vergessen, die Preispositionierung. Ein schneller Erfolg im Aktionsgeschäft kann sich für eine Marke als Bumerang erweisen. Auch wenn die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die schwache wirtschaftliche Dynamik nicht unbedingt neue Konsumlust aufkommen lassen. Und der Preis für die Mehrzahl der Konsumenten ein entscheidendes Kriterium ist.
Gewinner des vergangenen Jahres waren Discounter, Drogeriemärkte und Handelsmarken, jedoch in bestimmten Bereichen mit Stagnation auf hohem Niveau. Der Anteil von Handelsmarken im internationalen Konsumgütermarkt wächst. Laut ACNielsen erzielten Handelsmarken von Mai 2004 bis April 2005 weltweit 17 Prozent des gesamten Umsatzvolumens, gegenüber 15 Prozent die in einer analogen Studie aus dem Jahr 2003 erfasst wurden. Branchenprimus Aldi will der Stagnation trotzen und sucht nach neuen Wegen. Mehr „Marken“ sollen angeboten werden, um „motivierte Schnäppchenjäger“ in die Läden locken, Discounter Penny lädt seit Anfang Januar in mehr als 1.000 Filialen mit einer 7-Uhr-Öffnung zum „Früh-Shoppen” ein.
Für Markenanbieter ein mehr als schwieriges Umfeld. Innovationen und Markenführung werden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Hersteller und Händler. „Gestern waren die Konsumenten zufrieden, wenn ein Produkt einfach und schnell zu gebrauchen war und heute erwarten die Verbraucher von den gleichen Produkten mehr Nutzen im Sinne von Convenience“, kommentierte Janet Eden-Harris, Board-Mitglied von Information Resources, Inc. (IRI) Chicago. Drinks gegen Hautalterung, Getränke auf Milchbasis für Vitalität – die Marktforschung geht kurzfristig von einem Boom von „functional drinks and food” aus.
Gesellschaftliche Veränderungen in der Arbeits- und Freizeitwelt haben einen großen Einfluss auf die Nachfrage. Um Grundbedürfnisse zu erfüllen, müssen Verbraucher weniger ausgeben denn je – der Marktanteil der Discounter von rund 40 Prozent spricht eine deutliche Sprache. Aber der Konsument stellt mehr und komplizierte Erwartungen. Produkte sollen neben gutem Geschmack ebenso Wellness, Genuss und Convenience versprechen. Typ „Otto-Normalverbraucher“ ist nicht mehr greifbar, denn je nach Lebensstil und aktueller Verfassung stellt der Verbraucher differenzierte Ansprüche. Guido Siebenmorgen, Gruppenbereichsleiter Frische und Niederlassungsleiter Produktion der REWE-Gruppe bringt den Fakt auf einen „einfachen Nenner: Innovationen sind für den Handel Fluch und Segen zugleich.“ Die gute Nachricht, rund ein Viertel aller deutschen Haushalte verfügt über ein überdurchschnittliches Einkommen und sagen, dass sie sich alles leisten können. Dieses „Viertel“, so die GfK-Marktforscher, hat eine „ungebrochene Freude an Essen und Trinken“. Als so genannte Premiumkäufer geben diese nur rund 14 Prozent im Discount aus. Genuss und Wellness werden groß geschrieben und liegen im Trend. Zahlreiche Produktinnovationen waren auf der Anuga 2005 zu bestaunen: vom Trinkstrohhalm mit Geschmack, über Carpaccio aus Krokodilfleisch zum Wellnessdrink mit exotischer Note, ein Getränk, das den Abbau von Alkohol beschleunigt oder eine Kombination aus österreichischem Wasser mit Ingredienzien nach alten ägyptischen Rezepten, dem derzeitigem Trend im Konsumverhalten geprägt von Genuss, Gesundheit, Natürlichkeit und ausgewogene Ernährung entsprechend. Essen und Trinken mit Zusatznutzen ist angesagt – also Gesundheit „on the go“. Beispielsweise mit Säften aus Trendfrüchten, wie Granatapfel, Blutorange oder Pitaya und funktionalen Inhaltsstoffen wie Omega-3-Fettsäuren, Lutein oder natürlichen Vitaminen. Nicht zu vergessen, die neuen kalorienarmen Süßungen für eine bewusste Ernährung.
Gesundheit und Natürlichkeit sind prädestiniert für die so genannten „Near Water“ – Varianten. Fast kein Mineralbrunnen kommt heute noch ohne diese Varianten aus. Gesundheitsfördernde „Still Drinks“ erfreuen sich ebenfalls der Gunst der Verbraucher. Die Verbindung von Fruchtsaft+, mit beispielsweise Tee, Soja, Milch, Gemüse und funktionalen Inhaltsstoffen wie Vitamine und L-Carnitin bieten ein breites Spektrum – von Wellness bis Fitness, alles jedoch bitte im seit Jahren liegenden Convenience-Trend. Mit dem Thema Gesundheit lässt sich auch heute „gutes Geld“ verdienen. Das zeigt beispielsweise die Entwicklung im Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln.
Und der Markt für Getränke mit entsprechenden Zusatznutzen bietet reichlich Potenziale. Experteneinschätzungen zufolge beträgt das Umsatzvolumen bei Lebensmitteln und Getränken mit gesundheitlichem Zusatznutzen weltweit rund 60 Milliarden Euro. Allein fünfzig Prozent davon beansprucht der Handel in den USA. Die Zeichen stehen uneingeschränkt auf Wachstum. Prognostiziert werden jährlich zweistellige Zuwachsraten. Rund sechs Milliarden Euro lässt man sich hier zu Lande Produkte kosten, die Gesundheit und Wellness versprechen. Auf 1.400 Produkte in 41 Warengruppen soll es der Markt für funktionelle Lebensmittel inzwischen bringen und damit ist Deutschland in Europa Spitzenreiter. Health & Functional Drinks geben dem Getränkemarkt seit Jahren eine Dynamik für den Wachstumsmotor „Innovation“. Auch wenn die Unternehmen mit verschärftem Kostendruck, immer kürzeren Produktlebenszyklen und der zunehmenden Bedeutung von Handelsmarken zu kämpfen haben. Zudem unterscheidet heute, vor allem der so genannte Premiumkäufer zwischen echten Innovationen, quasi-neuen Produkten (neue Version eines alten Produktes) und Me-too-Produkten. ACNielsen kommt zu dem Ergebnis, dass der überwiegende Teil (80%) der Innovationen Me-too-Produkte sind, zehn Prozent sind quasi-neu und nur drei Prozent echte Innovationen. Die Erfolge bei Neulistungen sind daher eher bescheiden. Von Industrie und Handel werden nur zwischen fünf und zwanzig Prozent aller Neuprodukteinführungen als „mehr oder weniger erfolgreich“ eingestuft – eine Floprate von über 80 Prozent.
Ein Fazit der Gfk-Marktforscher: offensichtlich fehle es vielen Produkten an Innovationskraft, würden vom Konsumenten als wenig relevante Line Extensions oder leicht modifizierte Produktvarianten ohne echten Zusatznutzen wahrgenommen. Für Markenartikelhersteller eine beständige Herausforderung, denn es gilt: Profilierung über Mehrwerte für den Kunden in Form von Innovationen.
Der weltweite Markt der alkoholfreien Getränke hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Vor allem abgefüllte Mineralwässer, so genannte Still Drinks und das Segment „Near Water“ boomen. Mit dazu beigetragen haben eine Vielzahl von Innovationen. Die Zuliefer-Industrie bietet innovative Rohstoffe für neue Getränke und flexibel einsetzbare Maschinen und Anlagen. Zenith International zufolge verzeichneten die alkoholfreien Getränke – global betrachtet – in den Jahren 1999-2004 die größten Zuwachsraten. Erhebungen der Wild Group dokumentieren, dass ein Anteil von 13,6 Prozent des europäischen Gesamtmarktes der alkoholfreien Getränke auf innovative Drinks entfällt, umgerechnet rund 8,2 Milliarden Liter.
Trendy sind auch Sport- und Energydrinks sowie Low Calorie Produkte wie Wasser plus. Nach Angaben des Rohstoffherstellers Döhler haben Sportdrinks in Westeuropa von 2003 auf 2004 um 4,6 Prozent, Energydrinks um 11,9 Prozent zugelegt. Die ehemaligen Nischenprodukte bilden heute eigene Getränkekategorien. Und die Amerikaner sollen aufgrund der Obesity (Fettleibigkeit)-Diskussion gefallen an „deutschen Schorlen“ finden. Weltmeister sind die Deutschen im Fruchtsafttrinken. Auch wenn für die Unternehmen der deutschen Fruchtsaftindustrie das Jahr 2005 sowohl beim Absatz als auch Umsatz nicht zufrieden stellend verlief. Bei knapp 40 Litern wird sich der Pro-Kopf-Verbrauch laut VDF einpendeln (2004: 40,3 Liter). Zweistellige Zuwachsraten bei Absatz und Umsatz erzielten die Fruchtsaftschorlen. Saftliebling Nummer Eins ist nach wie vor der Apfelsaft, gefolgt von Orangensaft. Jedoch, die Saftpalette bietet weitaus mehr. Fruchtsäfte sind heute nicht mehr, nur reine Durstlöscher. „Säfte spielen in der gleichen Genussliga wie Wein und Spirituosen”, betonen Marktforscher.
Der Verband der Deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumwein-Industrie e.V. (VdFw) teilt in seiner ersten Bewertung des Jahresergebnisses mit, dass die Branche 2005 erfolgreich gegen den „unveränderten Verbrauchertrend zum Billig-Kauf” gegensteuern konnte, indem sie das klassische Sortiment um innovative Produkte ergänzt und dabei nicht nur auf den Sommer, sondern auch auf die Wintersaison gesetzt habe. Deutlich zulegen konnten im vergangenem Jahr Apfelwein-Mischgetränke, wie Apfelweinschorlen, Gespritzter oder Apfelwein plus Cola. Im Trend lagen ebenso Fruchtwein-Cocktails und Fruchtwein-Bowlen.
Die 226 deutschen Brunnenbetriebe setzten laut Mitteilung des VDM drei Prozent weniger Mineral- und Heilwasser ab. Insbesondere der Absatz des klassischen Sprudels mit viel Kohlensäure entwickelte sich rückläufig. Anhaltend ist der Trend zu kohlensäurefreien und kohlensäurearmen Wässer, was der VDM auf ein immer stärkeres Gesundheitsbewusstsein zurückführt. Gerade im Fitness- und Wellnessbereich habe sich Mineralwasser als idealer Begleiter etabliert. Wachsenden Zuspruch erfreuten sich mit einem Absatzplus von 34 Prozent die Mineralwässer mit Aromen – Marktanteil in 2005 1,2 Prozent. Zuwachs von 1,9 Prozent verbuchten die Mineralwasser plus Frucht-Getränke und Schorlen. …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 01/02/2006