Europäische Alkoholstrategie brennt Brauern unter den Nägeln

Strategie-Papier hart in der Kritik
von Monika Busch

Im größten Biermarkt und bedeutendsten Bierland Europas herrscht Aufregung. Denn nach einer Studie von Ernst & Young belegt Deutschland in der Statistik bei der Bierproduktion, dem Bierexport und der Zahl der Braustätten im europäischen Vergleich Platz eins. Rund 26 Prozent, so die Marktforscher, der europäischen Gesamtproduktion (392 Mio. hl) wurden mit 106 Millionen Hektoliter 2004 in Deutschland produziert. Großbritannien folgt mit knapp 60 Millionen und Spanien mit rund 30 Millionen Hektoliter. Weltweit ist Europa ebenfalls derzeit die Nummer Eins vor China mit einer jährlichen Bierproduktion von 250 Millionen Hektoliter und den USA mit 230 Millionen Hektoliter.

Für das vergangene Jahr meldet die Statistik 2.800 in Europa ansässige Brauereien, davon allein 1.274 in Deutschland. Die Brauereilandschaft hier zu Lande ist mit einer hohen Anzahl von 1.070 geprägt von kleinen und mittelständischen Unternehmen – sie produzieren weniger als 50.000 Hektoliter. Und insgesamt ist der deutsche Biermarkt selbstredend ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, nicht nur für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern auch für Bund und Länder – rund 780 Millionen Euro Biersteuer fließen in die Staatskassen.
Nun rückt die angekündigte „Alkoholstrategie“ von der Europäischen Kommission für den Herbst 2006 angekündigt, in mehr als greifbare Nähe. „Es brennt im schlechtesten Sinne unter den Nägeln“, umreißt der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) Dr. Richard Weber diesen Fakt. Denn dem Deutschen Brauer-Bund lägen abgefasste Strategiepapiere vom zuständigem Generalsekretariat „Gesundheit und Verbraucherschutz“ vor, die die gesamte europäische Alkoholindustrie Schlimmstes befürchten ließen. Nach dem Feldzug gegen den Tabak, hätten die selbst ernannten Verbraucherapostel der Kommission einem weiteren Produkt den Kampf erklärt: Dem Alkohol, wettert Weber. Und ganz bewusst spreche er von Alkohol und nicht Alkoholmissbrauch. Brüssel stelle nicht den Missbrauch, sondern das Produkt selbst an den Pranger: Ein Hauptkritikpunkt bei der vorgelegten „Strategie“, ebenso die angedachten Werbeverbote und -beschränkungen. Auch nicht nachvollziehbar sei zudem die „Rede von einer effektiven Preispolitik“, die die Kommission für alkoholhaltige Getränke erwäge. „Man muss kein großer Kenner der Brüsseler Rhetorik sein, um zu wissen, dass mit dieser Formulierung staatlich gelenkte Preiserhöhungen nach dem Muster der in Deutschland erlassen-en Alcopops-Strafsteuer gemeint sind“, erzürnt sich Weber. Auch das zur Diskussion stehende einheitheitliche Abgabealter von 18 Jahren für alkoholhaltige Getränke in den Mitgliedstaaten der EU trifft auf harsche Ablehnung. Die unterschiedlichen Abgabealter in Europa seien ein Spiegel unterschiedlich gewachsender, traditioneller Kulturen – und könnten nicht mit einer „One-size-fits-all-Lösung“ vereinheitlicht werden.
Hinzu komme in Deutschland noch, dass man mit 16 Jahren an verschiedenen Kommunalwahlen teilnehmen könne, heiraten dürfe oder mit 17 Jahren bereits Soldat werden könne. Die Entscheidung, ein Bier zu trinken, solle dagegen erst ab 18 Jahren erlaubt sein? Das klinge nach „Schilda“, so Weber empört. Jedoch, Alkohol sei Alkohol, unabhängig, ob mit Bier oder mit Spirituosen, so die EU-Strategen. Schließlich sind wir alle Europäer – aber das sagt sich leicht. Denn wie, wo und warum begründet sich dieses „Wir?“ von den rund 425 Millionen Menschen, die seit Mai 2004 im erweiterten europäischen Binnenmarkt leben. Geprägt durch unterschiedliche Erfahrungen, Erinnerungen und Befindlichkeiten, Sprachen, Tradition und Geschichte die trennt, aber auch verbindet. Was wir gemeinsam haben, ist der europäische Markt mit rund einer halben Milliarde Konsumenten mit EU-Gesetzen. In Europa könnte Bier durchaus als Nationalgetränk bezeichnet werden. Die Marktforscher von Canadean prognostizieren, dass bis 2010 der Bierkonsum in Europa um mindestens 1,8 Prozent jährlich steigen wird. Europaweit entwickeln sich, wie ebenfalls auf dem deutschen Markt zu beobachten ist, das Premium- und Niedrigpreissegment überdurchschnittlich. 15 Prozent bestritt in 2004 europaweit das Niedrigpreissegment mit einem Zuwachs von 5,4 Prozent. Laut den Marktforschern von Canadean mit anhaltender Tendenz. Das Premiumsegment bestritt einen Anteil von 20 Prozent mit einem Zuwachs von vier Prozent. Auch mit anhaltender Tendenz.
Fakt ist, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Institutes für Alkohol-Studien in London, von der EU-Kommission in Auftrag gegeben – die Europäer liegen beim Alkohol-Konsum an der Welt-Spitze mit durchschnittlichen 11 Liter Alkohol jährlich. Für die EU-Kommission ein weiteres „gewichtiges“ Argument „schwergewichtige Maßnahmen“ in Form von Gesetzen zu ergreifen. Teilweise werden die Ergebnisse dieser Studie von dem europäischen Bündnis der Alkoholindustrie „The European Forum for Responsible Drinking (EFRD)“ in unterschiedlichen Punkten bestritten. So würden sich beispielsweise einige Daten auf angelsächsische Fakten beziehungsweise Kulturen beziehen, die keinesfalls mit südländischen Gewohnheiten und Kulturen vergleichbar seien. Ebenfalls wird die Wirksamkeit der Einführung von einheitlichen Warnhinweisen bestritten. Raucher jedenfalls, lassen sich trotz der gesetzlich vorgeschrieben-en Warnhinweise kaum abschrecken. „Tabak ist dabei doch nur der erste Schritt, Werbebeschränkungen für alkoholhaltige Getränke werden doch bereits offen bei der Europäischen Kommission diskutiert – und zahlreiche andere Produkte stehen schon in der Warteschlange”, kritisiert Peter Hahn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, das veröffentlichte Plädoyer des Generalanwaltes beim EuGH zur Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie eines Tabakwerbeverbots. Es sei an der Zeit, dass die europäischen Verbraucher vor übermotivierten Verbraucherschützern beschützt würden, wettert Hahn. Und fordert, bevor derart gravierende Eingriffe in einen wichtigen Wirtschaftszweig seitens der EU vorgenommen werden, einen empirischen Nachweis zur Wirksamkeit dieser Maßnahme.
Altersbeschränkungen in einer Breite, können nur wirksam werden, wenn die Verkäufer und Gastronomen einer ständigen Kontrolle unterliegen und mit hohen Strafen, wie beispielsweise Lizenzentzug rechnen müssten. Selbstredend würden sich die Hersteller alkoholhaltiger Getränke zu einem maßvollen, verantwortungsvollem Konsum ihrer Produkte bekennen. „Wer das rechte Maß im Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verloren hat, wer sich selbst und Dritten durch schädliche Konsummuster Schaden zufügt, dem muss geholfen. Individuell. Punktuell. Zielsicher. Denn jeder Alkoholkranke sei einer zu viel, bekräftigt Brauerpräsident Weber.
Und der besonderen Verantwortung als Hersteller alkoholhaltiger Getränke seien sich die deutschen Brauer sehr bewusst. Ein klares Bekenntnis zu und eine nahezu lückenlose Einhaltung der Freiwilligen Selbstbeschränkung für die Werbung ihrer Produkte ständen bei den deutschen Brauern auf der Agenda. Der Verhaltenskodex wird vom Deutschen Werberat überwacht, jeder Deutsche kann hier Beschwerde gegen mögliche Verstöße einlegen. Und dass die deutsche Brauwirtschaft verantwortungsvoll agiert, sieht Weber in dem „historischen Tiefstand der Zahl der Beschwer

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