Behutsam in die Offensive: 2006 neue Weichenstellungen für die europäische Spirituosenindustrie

von Timur Dosdogru

„Wir sind noch nicht so weit, dass in der nächsten Zeit Werbeverbote ins Haus stehen“, so die derzeitige Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI). Für die Produzenten und Importeure alkoholhaltiger Getränke sind die Zeiten nicht nur in Sachen EU-bezogener Alkoholpolitik härter geworden, sie müssen sich außerdem im Zeichen eines immer härteren Wettbewerbs zudem auch noch mit zahlreichen Veränderungen zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen herumschlagen, die im Dezember vergangenen Jahres von der EU-Kommission vorgelegt wurden und dieses Jahr umgesetzt werden sollen.

Und dies in einem Jahr, wo sich erst das zweite Mal in Folge trotz Absatzverlusten eine leichte Konsolidierung des seit Jahren rückläufigen Spirituosenmarktes zeigt, die eventuell für 2007 wieder auf einen minimalen Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs hoffen lässt (eventuell 0,1 Liter mehr). Dazu kommen, wie sonst überall auch, steigende Energie- und Rohstoffkosten und nicht zuletzt die nun vom Deutschen Bundestag durchgewinkte Mehrwertsteuererhöhung.
Und kaum jemand hat noch Zweifel, dass das europaweite Werbeverbot für Tabak nun auch durchgesetzt wird. Ein Vorteil für die Alkohol-Lobbyisten ist der Umstand, dass man sich über die medizinischen Vor- oder Nachteile von Alkoholgenuss, egal ob in Maßen oder in Massen, wahrscheinlich noch in hundert Jahren wissenschaftlich streiten wird, wohingegen jeder Raucher weiß, dass Rauchen unbestritten schädlich ist. Folgerichtig muss für die Alkoholindustrie die Devise gelten: Defensiv und behutsam in die Offensive. Rund 25 Milliarden Liter umfasst der Weltmarkt der Spirituosen jährlich. Auch im vergangenen Jahr blieb der deutsche Spirituosenmarkt mit einem Volumen von 776 Millionen 0,7-Liter-Flaschen der größte in der Europäischen Union, so der Hinweis von BSI-Präsident Wilfried Mocken. Allerdings zeigte der Markt 2005 keine einheitliche Entwicklung. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Spirituosen sank gegenüber 2004 um 0,1 Liter um 1,7 Prozent auf 5,7 Liter – für Mocken eine Folge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Im Vergleich dazu schnitt die Gesamtheit aller alkoholhaltigen Getränke (also Bier, Wein, Sekt und Spirituosen) aber schlechter ab: 144,6 Liter wurden hier pro Bundesbürger konsumiert, 0,9 Liter weniger als im Vorjahr, wobei der Anteil der Spirituosen rund vier Prozent ausmachte. Insgesamt kauften 69 Prozent aller Haushalte im letzten Jahr mindestens einmal im Jahr Spirituosen ein, womit die Käuferreichweite konstant auf Vorjahresniveau lag.
Nach wie vor standen klassische und traditionelle deutsche Spirituosenmarken, regionale Spirituosenspezialitäten sowie bekannte internationale Marken ganz oben in der Gunst der Konsumenten.
Im LEH ist der Spirituosenabsatz hingegen mit rund 421 Millionen 0,7-Liter-Flaschen um 1,4 Millionen Flaschen gestiegen (0,3 Prozent) und macht dort einen Gesamtanteil von etwa 60 Prozent aus (Information Resources GmbH IRI). Ähnlich wie im Vorjahr zeigt sich auch mengenmäßig die „Hitliste“ der Spirituosengattungen: Wodka, Halbbitterliköre, Rum, Eierliköre, fruchtige Softspirituosen und Importprodukte wie Ouzo, Gin/Genever, Sahneliköre, Whisk(e)ys, Cachaça, Cocosliköre, Sambuca und Tequila. Weniger zufrieden ist die Branche mit der Entwicklung bei Weinbrand/Brandy und Cognac, die laut IRI Nürnberg ein Absatz- und Umsatzminus von sieben Prozent zu verzeichnen haben. Die Ready-to-Drinks, auch RTD oder Premix genannt, kamen 2005 im LEH nur noch auf einen Anteil von zwei Prozent am Gesamtmarkt. Dieser hatte vor der Einführung der Sondersteuer auf solche Getränke im Jahr 2004 noch 5,2 Prozent betragen.
Mengenmäßig konnten nach wie vor die klaren Spirituosen die größten Marktanteile auf sich vereinen (36 Prozent), gefolgt von Likören (26 Prozent) und Weinbrände/Cognac (18 Prozent). Von allen alkoholhaltigen Getränken machten Spirituosen mit drei Milliarden Euro etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes im LEH aus (ohne Bier) und sind damit laut BSI nach wie vor eine der umsatzstärksten Warengruppen für den Handel. Der Anteil der Handelsware betrug laut BSI im Jahr 2005 rund 25 Prozent. Laut IRI Nürnberg sei es vor allem den Likören zu verdanken, dass sich Absatz- und Umsatzeinbußen für das Gesamtsegment Spirituosen in Grenzen gehalten hätten. Mit einem Mengenwachstum von 1,5 Prozent hätten sie die anderen Wachstumskategorien in dieser Hinsicht deutlich übertroffen. Vor allem die Halbbitterliköre hätten den Markt vorangetrieben.
Die Einfuhr von Spirituosen sank im vergangenen Jahr um elf Millionen auf 344 Millionen 0,7-Liter-Flaschen, was einem Rück-gang von 3,1 Prozent entspricht. Der Gesamtanteil der Spirituosenimporte lag bei 40 Prozent, die wichtigsten Importländer waren Großbritannien, Italien, Frankreich, Bahamas, Griechenland, USA, Niederlande und Mexiko.

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