Die Metaphysik des Genusses

Tamara Dragus im Gespräch … Tobias Bachmüller

Im Gespräch mit Tobias Bachmüller (47), geschäftsführender Gesellschafter der Katjes Fassin GmbH & Co. KG, sollte man vor allem eines besitzen: Schlagfertigkeit.

Der Kätzchenbändiger macht mit unternehmerischem Scharfsinn nicht nur jede Menge Mäuse, als gelernter Jurist versteht er es auch, seinen Gegnern im rechten Moment die Krallen zu zeigen.

Nein, anlegen möchte man sich mit ihm nicht. Da könnte er ungemütlich werden. Doch im Moment sitzt er einfach nur da, mit jungenhaftem Charme im Gesicht und harrt der Dinge, die da kommen. Doch Vorsicht: unter der Oberfläche brodelt es. Als fordernd, ungeduldig und umtriebig bezeichnen ihn die, die täglich mit ihm zu tun haben. Aber auch als kreativ, fair und kompromissbereit. Immerhin sei, so Bachmüller, bei seinem Einstieg in das Familienunternehmen im Marketingbereich „kein einziger Kopf gerollt“ – eine brancheninterne Methode, die sonst durchaus Usus ist.

1996 tauscht Bachmüller Kuh gegen Katze und folgt als ehemaliger General Manager von Milka Deutschland dem Ruf des Seniors Klaus Fassin ins familieneigene Unternehmen. Der eigene Sohn Bastian Fassin ist zu dieser Zeit noch zu jung, um die Unternehmensfolge anzutreten, der Senior-Chef möchte mit 65 Jahren aus dem aktiven Geschäft aussteigen. Die Aussicht auf zehn Prozent der Firmenanteile und den Vorsitz der Geschäftsführung locken den gebürtigen Schwaben Tobias Bachmüller von Bremen an den Niederrhein. Bachmüllers Bestandsaufnahme beim Eintritt in das Unternehmen: „Geringer Gewinn, hohe Verwaltungsaufwendungen, kleiner Marketingetat.“

Das sollte sich ändern. Als cleverer Verkaufsstratege schwört Herr Bachmüller auf die Macht der Werbung. „Viele Mittelständler investieren ihr Geld eher in Maschinen als in Marketing. Werbung ist denen zu abstrakt, sie denken, dass sich die Ausgabe nicht lohnt – ein fataler Fehler“, konstatiert der Schwabe. Eine seiner ersten Amtshandlungen beim niederrheinischen Lakritzriesen ist denn auch die Aufstockung des Werbebudgets. Mehr Geld, mehr Möglichkeiten. Erstes prominentes Tütengesicht wird TV-Moderator Stefan Raab. Jung, frech, provokant – so möchte Bachmüller die Gummis unters Volk bringen. Hauptzielgruppe: Frauen in den besten Jahren. Von 20 bis 40 ist die Naschlust am größten, vor allem dann, wenn einem das, was frau sich zwischen die Zähne schiebt, nicht unmittelbar den Speck auf die Hüften treibt. Pfötchen, Kätzchen, Ferkelchen und Früchtchen – wahlweise aus Lakritz oder Fruchtgummi – sind längst nicht so kalorienträchtig wie eine Tafel Schokolade. Herr Bachmüller spricht aus Erfahrung. In Zeiten, in denen er sich noch mit der zarten Versuchung rumschlagen durfte, brachte er fünf Kilo mehr auf die Waage. „Heute nasche ich nur noch Fruchtgummis und Lakritz.“ Und das mit Leidenschaft. Sich mit Herrn Bachmüller in Fragen des Genusses auseinander zu setzen, erfordert philosophische Grundkenntnisse. Doch zunächst einmal die Fakten: Er raucht gerne, er trinkt gerne, er isst gerne. Er hält es mit Churchill und bewegt sich lieber mental als wirklich.

In seinem Büro stapeln sich leer gepaffte Zigarrenschachteln, und stolz präsentiert er die selbst gebastelte Collage seines ältesten Sohnes, die dieser eigens für den Herrn Papa angefertigt hat: Ein Wackel-Elvis mit leerer Aspirin-Schachtel. „Zum Abfeiern und für den Morgen danach.“ Aha, so einer ist er also. Sehr sympathisch. Dennoch – jeglicher Müßiggang liegt ihm fern. Urlaub hasst er („Am ersten Tag verbrenne ich, am zweiten fange ich an, mich zu langweilen“), deshalb hält er es maximal 15 Tage im Jahr ohne Arbeit aus. In seiner Freizeit liest er, was ihm zwischen die Finger kommt. Vielleicht ist er deshalb so gescheit. Womit wir bei der Philosophie wären, genauer gesagt bei der Metaphysik, noch genauer gesagt bei der Metaphysik des Genusses. Genussmittel, so Bachmüller, hätten an sich keine Funktionalität, „die meisten Verbraucher halten sie für verzichtbar. Ergo: Das Marketing muss dem Konsumenten etwas Metaphysisches klar machen – denn Genuss ist metaphysisch.“ Soll heißen: Gute Werbung weckt die niederen Instinkte, appelliert an das triebgesteuerte Unbewusste, das einzig auf Bedürfnisbefriedigung und Lustgewinn aus ist.

Wer möchte Heidi Klum nicht mal an den Zehen nuckeln – besonders dann, wenn sie sich die possierlichen Yoghurt-Gums von Katjes zwischen dieselbigen geklemmt hat? Seit Deutschlands schönstes Exportprodukt für Katjes Pate steht, erlebt der Zuckerwarenhersteller einen gewaltigen Boom. Der Umsatz legt jährlich mit einer zweistelligen Rate zu – 2003 um 21 Prozent auf 164 Millionen Euro. Aufgrund der großen Nachfrage nach besagten Yoghurt-Gums wurde im vergangenen Jahre eine zusätzliche Anlage für Fruchtgummis in

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in unserer Print-Ausgabe  04/2005