Vitalität aus der Brauerei

Über die verblüffende gesundheitliche Wirkung von Bier

von Univ.-Prof. Dr. Manfred Walzl

Alkohol galt bis vor einiger Zeit in jeder Form als von der Medizin verpönt. Andererseits: In der Volksmedizin, in Omas Arzneischränkchen, hatten Tinkturen und Tropfen auf Alkoholbasis immer schon einen festen Platz. Und: Vor allem das tägliche Quantum Wein oder Bier wurde bereits von unseren Vorfahren ob seiner angeblich gesundheitsfördernden Wirkung geschätzt. Der Haken dabei: Die Reime rund um Bier und  Wein hatten keinen wirklichen wissenschaftlichen Hintergrund.

Nun ist alles anders.

Kaum ein Nahrungsmittel hat in den letzten Jahren einen derartigen Rufwandel erlebt wie das Bier. Als Neurologe in Graz, der sich seit längerer Zeit mit Lebensmitteln in der Gesundheitsvorsorge beschäftigt, stelle ich fest: Das Jahrtausende alte Naturprodukt wurde zum hochinteressanten Forschungsschwerpunkt der Medizin. Die Wissenschaft weiß nun: Obwohl man erst am Anfang steht (bisher wurden rund 3.100 wissenschaftliche Publikationen zum Thema Bier veröffentlicht), hat sich um das Bier überaus Bemerkenswertes zusammengebraut.

Es wirkt gefäßerweiternd und beeinflusst günstig das Cholesterin, es verhindert Ablagerungen an den Arterien und schützt vor Herzinfarkt. Urologen schwören auf Bier als Verhüter von Nierensteinen. In großen Testreihen zeigte sich Bier als Krebsschützer. Und, und, und …
Das alles übrigens unabhängig vom Alkoholgehalt. Auch Biere mit niedrigem Alkoholanteil und sogar alkoholfreie Biere haben eine gesundheitsfördernde Wirkung.

Kann mäßiger Alkoholgenuss für unsere Gesundheit günstig sein? Nach und nach kam die Antwort: Ja! Forscher in Deutschland, den USA und Japan haben bewiesen: Wer mäßig Bier genießt bekommt weniger leicht Herzinfarkt und Schlaganfall und lebt länger!

Teilweise auch in Zusammenarbeit mit Prof. Gilbert Reibnegger vom Institut für Medizinische Chemie an der Universität Graz ist der Autor dem Phänomen Bier weiter auf der Spur: Die Wissenschaftler des Instituts für Sozialmedizin in Münster haben es sich tatsächlich nicht leicht gemacht: Über 1.000 Männer wurden über mehrere Jahre gewissermaßen auf Herz und Nieren untersucht. Grundlage dieser aufwendigen Studie war die Erkenntnis, dass moderater Alkoholkonsum einen günstigen Einfluss auf die Entwicklung der Arteriosklerose (z. B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) haben kann.

Und der Beweis scheint tatsächlich gelungen: Mäßiger Bierkonsum senkt jedenfalls das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Diese Studie wurde nun auch von einem Team der Universität New South Wales in Australien mit den praktisch selben Ergebnissen bestätigt.

Im Vergleich zu einer Personengruppe, die keinen Alkohol zu sich nahm, sank jedenfalls die Rate der Herzinfarkte bei Biertrinkern um rund die Hälfte! Und: Bier entfaltete seine herzschützende Wirkung unabhängig von Alter, Blutdruck, körperlicher Aktivität und Gewicht der untersuchten Personen.
Doch nicht nur das Herz scheint zu profitieren. Hierzu ist festzustellen: Selbst wenn alle Todesursachen miteinbezogen werden, zeigt sich höchst Erstaunliches: Biertrinker leben länger! Bei einem Alkoholkonsum von 20 bis 40 g pro Tag bei Männern (unter 20 Gramm bei Frauen) trat jedenfalls die geringste Gesamtsterblichkeits-Rate auf. Ein bis zwei Krügerl Bier pro Tag dürfte demnach die ,richtige Dosis’ sein…
Vor einigen Jahren tauchten immer wieder ähnlich lautende Meldungen in der Regenbogenpresse auf: Vorsicht! Bierkonsum kann zu Krebs führen. Heute bestätigen wissenschaftliche Untersuchungen glasklar: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Bier gilt heute als einer der großen Hoffnungsträger in der Krebs-Vorsorge.

Eine Erkenntnis, die freilich nicht ganz neu ist. Schon in den Dreißigerjahren konnte nachgewiesen werden, dass irische Brauereiarbeiter weniger zu Krebserkrankungen neigen als andere Bevölkerungsgruppen. Mittlerweile wurde dies auch in anderen Länder, beispielsweise in Deutschland und Dänemark, bestätigt.
Neueste Studien in den renommiertesten Krebsforschungszentren der Welt haben jetzt geradezu unglaubliche Ergebnisse gebracht. Inhaltsstoffe des Hopfens, vor allem das Xantohumol, dürfte eine ganz entscheidende Rolle im Kampf gegen den Krebs spielen. So konnten Tumoren im Tierversuch unter Einfluss von Hopfen in außerordentlich kurzer Zeit zur Rückbildung gebracht werden.

Internationale Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Biertrinker wesentlich weniger unter Blasen-, Prostata-, Magen- und Lungenkrebs leiden. Und: Bier scheint sogar jene gefährlichen Substanzen (so genannte Mutagene) zu blockieren, die bei der Zubereitung von Speisen, beim Grillen und Braten, entstehen.
Die Forschung läuft gerade mit Hochdruck an, erste Ergebnisse sind überaus vielversprechend. In den USA hat nicht zuletzt deshalb vor einigen Monaten das erste „Anti-Krebs-Bier“ seine offizielle Zulassung durch die Behörden erhalten. Auch wenn man dieser Entwicklung (noch) skeptisch gegenüberstehet: Sie beweist einmal mehr, dass sich das Thema Bier zum wissenschaftlichen Dauerbrenner entwickelt.

Auch in einem anderen medizinischen Bereich: Wer nämlich mäßig aber regelmäßig Bier trinkt, läuft weniger Gefahr, an einer Infektion mit Helicobacter pylori zu leiden. Dieses Bakterium führt zu einer Reihe von Entzündungen und Beschwerden im Magen/Darm-Trakt des Menschen und ist möglicherweise auch (zum Teil) für das Entstehen der Arteriosklerose verantwortlich – jener Schädigung der Arterien also, die zu Herzinfarkt oder

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in unserer Print-Ausgabe  11/12/2004