Traumzeit am goldenen Fluss

Wo der Portwein zu Hause ist

von Wilfried Moselt

Der Herr muss einen besonderen Tag gehabt haben, als er den Menschen im Norden Portugals das Tal des goldenen Flusses, eben das Douro-Tal, das Tal des „Rio de ouro“, schenkte. Stromauf gen Osten ist es von so betörender Pracht, dass es einem den Atem nimmt. Man muss diese Schönheit, wenn man sie in der rechten Weise genießen will, in mehreren kleinen Zügen trinken wie die großen Portweine, die hier auf engsten Terrassen geboren werden.

Der Douro, an dessen steilen Ufern sich die Weinbergsterrassen wie Gurte um die Hänge winden, schlängelt sich zwar nicht goldfarben, sondern vorwiegend in schönstem Blau durch das Tal. Denn der Himmel, der sich in den Wassern spiegelt, ist in diesem Teil Portugals die meiste Zeit im Jahr wolkenlos klar und rein wie ein junger Morgen, regnet es doch im Landesinneren ein Stück Weges von der Douro-Mündung entfernt rund fünfmal seltener als an der Küste bei Porto. Gold wert ist das Tal des Douro mit seinen vielen, vielen Nebentälern und Nebenschluchten an fast ebenso vielen Nebenflüssen und Nebenbächen jedoch allemal, denn hier werden Weine erzeugt, die zu den kostbarsten auf dem internationalen Markt zu rechnen sind. Die „Região Demarcada do Douro“, die Portwein-Region, gilt als das älteste in seinen Grenzen festgelegte Weinbaugebiet der Welt.

Porto, das sich auf Portugiesisch gelegentlich noch Oporto schreibt – im gesprochenen Wort wird der einleitende Vokal indes ziemlich verschluckt, so dass es sich dann anhört wie Porto – zählt im Kern rund 600.000 Einwohner. Zusammen mit den Vororten und den unmittelbaren Einzugsbereichen soll es gar eine Million sein, wie von den Einheimischen mit einem gewissen Stolz auf ihre Metropole gerne unterstrichen wird. Die Stadt war schon im 1. Jahrhundert v. Chr. in römischem Besitz und trug die Bezeichnung Portus Cale, von der sich übrigens der Name des Landes Portugal herleitet.
Weinbergterrassen
auf kärgsten Untergründen

Die Anfänge des Weinanbaus in der Douro-Region liegen im Dunkel der Geschichte. Prähistorische Funde lassen freilich vermuten, dass spätestens zu den Zeiten, als die Römer die iberische Halbinsel besetzt hielten, auch am Douro Weinbau betrieben wurde. Der Name „Vinho do Porto“ taucht allerdings erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf, als es darum ging, der steigenden Nachfrage aus dem Ausland nach Wein vom Douro gerecht zu werden, der insbesondere nach England und Flandern verschifft wurde. Um diese Zeit herum dürfte wohl der „eigentliche“ Portwein entstanden sein, dieser mit Branntwein verstärkte Wein, wie man ihn heute kennt, der mit seinen unvergleichlichen Aromen auch die Welt des 21. Jahrhunderts zu faszinieren weiß. Es war schließlich der Marqués de Pombal, der unter König Joseph I. die Stellung eines Premierministers (Erster Minister) innehatte und nicht nur die Einrichtung moderner Ausbildungsgänge in Schulen und Universitäten einführte und für den Wiederaufbau der von einem Erdbeben zerstörten Stadt Lissabon Sorge trug, sondern 1756 auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erzeugung von Portwein und für die Abgrenzung des Anbaugebiets für Portweine schuf. Die Weinbaufläche wurde limitiert, und das hat sich bis heute, wenn überhaupt, nur ganz unwesentlich geändert.

Das Klima in der Region vor der Grenze zu Spanien ist eher kontinental trocken mit kühlen bis kalten Wintern (es werden gelegentlich sogar Werte nahe dem Gefrierpunkt erreicht) und heißen Sommern mit Temperaturen von 40° C und mehr. Die Weinbergsterrassen auf kargsten Untergründen, die für das Douro-Tal so bezeichnend sind, kommen zuweilen derart schmal daher, dass sie kaum Raum für mehr als eine Doppel-Rebzeile bieten. Sie sind in den Schiefer gehauen, durch den sich die Rebe einen mühsamen Zugang zu den Quellen aus Wasser und Nährstoffen tief im Hang bahnen muss, um zu guter Letzt das erstklassige Lesegut hervorzubringen, das die Grundlage für die berühmten Portweine bildet. Die Anlagen stammen noch weitestgehend aus einer Zeit, als die Technik in den Kinderschuhen steckte und der Bau solcher Terrassen ein überaus schwieriges, mit viel Fleiß und Schweiß verbundenes Unterfangen war. Man trieb Brechstangen in das Schiefergestein, stemmte Stücke heraus und zertrümmerte sie mit Hämmern und Muskelkraft, um wenigstens ansatzweise eine Art Bodenkrume zu schaffen, die der Rebe über die ersten Hürden ihres Daseins hinweghelfen sollte.

Gewisse Ähnlichkeiten mit den Gegebenheiten an Mosel, Saar und Ruwer oder am Mittel-rhein sind unverkennbar, und seit sich der eine oder andere Erzeuger aus dem Douro-Tal in den deutschen Weinbaugebieten mit vergleichbaren Steillagen umgeschaut hat, stößt man zunehmend auch am Douro auf „vertikal“ angelegte Rebzeilen im Schieferhang und fühlt sich beinahe in heimische Gefilde versetzt.
Die meisten „Shippers“ und
„Lodges“ trifft man in Gaia an

Ursprünglich waren die Erzeuger verpflichtet, ihre Niederlassungen in der Stadt Porto anzusiedeln, wenn sie Portwein verkaufen wollten. Als dann die Kirchenfürsten von Porto aber zusätzliche Steuern für die Kellereien erhoben, zogen die „Shippers“, wie die Portwein-Häuser wegen des ehedem ausschließlich auf dem Wasserweg abgewickelten Exports ihrer Produkte (vor allem nach England) bis heute genannt werden, auf das gegenüberliegende Douro-Ufer nach Vila Nova de Gaia. Dort haben mittlerweile die meisten Portwein-Betriebe ihre „Lodges“, ihre großen Lagerhäuser. In Porto selbst ist noch vereinzelt die eine oder andere Verwaltungsstätte eines Portwein-Erzeugers heimisch – und nicht zuletzt das Instituto do Vinho do Porto (siehe kleinen Kasten).

Die im späten 18. Jahrhundert verbindlich eingeführte detaillierte Lagen-Klassifikation, die am Douro ca. 24.000 Hektar umfasst, greift also nach wie vor. Das mit dem Portwein-Recht hat sich indes mit dem Gesetz von 1986, das dann ein Jahr darauf in Kraft trat, gründlich geändert. Heute dürfen Portwein-Kellereien ihre Standorte auch mitten in ihren Weinbergen im Douro-Tal unterhalten, und das tun sie inzwischen ausgiebig. Wer sich auf die Traumreise durch das bezaubernde Tal begibt, wird die herrlichen Anwesen mit den bekannten großen Namen auf Hinweistafeln im steilen Hang schon von weitem sehen und kann einen Abstecher auf zum Teil abenteuerlichen Pisten wagen, die zur Kellerei führen. Der Weg ins Paradies ist nun mal steinig und beschwerlich.
Was ist Portwein

Ein typischer Portwein ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, ein aromenreicher kraftvoller likörartiger Wein aus der Appellation des oberen Douro-Tals, der unter spezifischen Bedingungen durch Hinzufügung von Branntwein hergestellt wird. Der Branntwein wird dem Wein zum Zwecke der Gärungsunterbrechung und somit zur Erhaltung einer üppigen natürlichen Restsüße beigegeben. Selbst sogenannte „Porto Dry White“ sind keineswegs trocken, sondern vielmehr von einer deutlichen Restsüße geprägt, die sich bei etwa 40 g/l bewegt.

Nach deutschem Weinrecht sind Weine mit mehr als 35 g/l  Restzuck-er als „süß“ einzuordnen. Rote Portweine können einen Restzuckergehalt von bis zu 150 g/l aufweisen. Der Alkoholgehalt liegt in aller Regel bei ca. 20 Vol.-% (zwischen 19 und etwa 23 Vol.-%). Wirklich trockene Ports sind eine Art Konzession an die „Moderne“ und nicht charakteristisch für das Wesen eines authentischen Portweines. Es gibt sie nur in der weißen Variante.

Portwein ist also ein „verstärkter“ Wein. Die Gärung des Mostes wird, wie bereits angemerkt, durch Zugabe von Branntwein (Weindestillat) gestoppt, wodurch ein deutlicher Zuckerrest im Wein verbleibt, der nicht in Alkohol umgewandelt wird. So entsteht ein überaus mächtiger, facettenreicher Wein, dessen beste Qualitäten erst nach einem hinreichend langen Reifelager von einigen Jahren, zuweilen von zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren und mehr, aus der breiten Palette von Geschmackseindrücken eine perfekte Harmonie von Wein und Branntwein formen. Übrigens: Wenn da und dort (selbst in Büchern über Portwein, die in Hotels von Porto für die Gäste als Gute-Nacht-Lektüre ausliegen) dringend davon abgeraten wird, Portwein in welcher Version auch immer zu süßen Speisen zu trinken, ist das hanebüchener Unsinn, bei dem sich einem gestandenen portugiesischen Portweintrinker die Haare sträuben. Denn es sind gerade und immer wieder die köstlichen portugiesischen süßen Nachspeisen, die von Portwein begleitet werden wollen, wie man in Portugal Tag für Tag bei Tisch hautnah erleben kann.

Zum Thema „Tawny-Portweine“, zum Beispiel zu einem solchen mit der Bezeichnung „20 Jahre“ auf dem Etikett, ist Nachstehendes anzumerken: Die gerne vorgetragene Darstellung, dass der jüngste Wein, der in eine solche Cuvée eingeflossen ist, garantiert auch tatsächlich 20 Jahre alt ist, muss in das Reich der Sagen und Legenden verwiesen werden. Die Aufschrift bedeutet vielmehr, dass die in der Abfüllung verwendeten Weine ein Reifelager im Fass von im Schnitt 20 Jahren aufweisen, es sich also durchaus auch zum Teil um jüngere, zum Teil um ältere Weine handeln kann. Richtig ist, dass diese lohfarbenen Weine (englisch: tawny), insbesondere wenn es sich um Tawnys mit Altersangabe handelt, die in ihrer optischen Ausprägung mit zunehmendem Alter mehr und mehr an Zwiebelschalen erinnern, zum Besten zu rechnen sind, was der Portwein-Markt zu bieten hat. Es muss also keineswegs immer ein „Vintage“ (Jahrgangs-Portwein) oder ein „L. B. V.“ (Late-Bottled-Vintage, ein spät auf die Flasche gefüllter Jahrgangs-Portwein) sein, wenn man eine Portwein-Spitzenqualität genießen will.

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in unserer Print-Ausgabe  11/12/2004