Aber wo geht’s lang mit der Classic-Linie?
von Wilfried Moselt
Wenn man der Bundesprämierung für Weine und Sekte der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft mittlerweile insgesamt guten Gewissens bescheinigen kann, dem Verbraucher nach der Neuordnung des Prüfverfahrens mit absolut herkunftsneutraler Präsentation der angestellten Weine und deutlich höheren Ansprüchen an die auszulobenden Qualitäten ein verlässliches Instrument beim Erwerb deutscher Weine an die Hand zu geben, so lässt sich das für die vorgestellten Exemplare der Classic-Linie nur sehr bedingt sagen, die bei der Veranstaltung 2004 ins Glas kamen.
Die vom Deutschen Weininstitut unlängst ge-startete Kampagne mit den beiden Linien „Se-lection“ und „Classic“ – zwei Begriffe, die sich hervorragend für eine Verkaufsförderung deut-scher Weine selbstverständlich auch im Aus-land eignen, wenn hinter ihnen zwingend die entsprechende Qualität steht – will trotz milli-onenschwerer Euro-Investitionen (sie beliefen sich laut Thomas Klaas, Leiter des Inlandsmarketings beim DWI, allein für die Classic-Kampagne auf 1,6 Millionen Euro) in diesem Bereich nicht so recht greifen. Über mögliche Ursachen wird zu spekulieren sein.
Der Medaillenflut einen Riegel vorgeschoben
Um jede Beeinflussung der Prüfer bei der Bundesweinprämierung etwa durch die Be-kanntgabe des Herkunftsgebietes des zu bewertenden Weins oder durch eine wiedererkennbare Flaschenform zu vermeiden, werden die Weine seit 2003 nicht mehr im Prüfungsraum aus verdeckten Flaschen ausgeschenkt, sondern hinter verschlossenen Türen in Gläser gefüllt und den Prüfern anschließend ohne Kommentar vorgesetzt. Die Information der Prüfer beschränkt sich seither auf schriftliche Hinweise zur Rebsorte, zum Prädikat, zum Jahrgang und, soweit relevant, zum Barrique-Ausbau. Die neue differenziertere „Prüflage“, die im ersten Jahr nach der Einführung bei manchem Winzer und Kellermeister noch gelegentliche Irritationen ausgelöst hatte, konnte 2004 als voll akzeptiert abgehakt werden. Die aktuellen Prüfungsergebnisse spiegeln die Veränderungen bei den Bewertungen deutlich wider.
Wurden beispielsweise im Jahr 2002 noch 43% (somit fast die Hälfte!) der angestellten Weine mit einem Goldenen DLG-Preis ausgezeichnet, waren es 2003 und 2004 jeweils „lediglich“ 25%. Lag der Anteil der nicht DLG-prämierten Weine 2002 bei gerade mal 11%, hatte er sich nach 18% im Jahr 2003 auf „gesunde“ 22% im Jahr 2004 verdoppelt. Dem inflationären Umgang mit höchsten Auszeichnungen wurde endlich ein Riegel vorgeschoben.
Das kann für das Image des in Deutschland wichtigsten Qualitätswettbewerbs für deutsche Weine nur vorteilhaft sein und könnte zugleich derzeit noch ungeneigten weiteren Spitzenbetrieben einen Anreiz bieten, über eine Teilnahme an der Bundesweinprämierung nachzudenken. Für den Konsumenten ist die Neuorientierung bei der Bundesweinprämierung allemal ein Glücksfall. Er kann sicher sein, dass in der Flasche auch „drin ist, was auf dem Prämierungsstreifen steht“, dass nämlich ein zum Beispiel mit Gold ausgezeichneter Wein auch tatsächlich ein ausnehmend guter Wein ist. Hermann Mengler, fachlicher Leiter der Bundesweinprämierung der DLG: „Die Bundesweinprämierung ist der einzige bundesweite Wettbewerb, der ausschließlich deutschen Weinen vorbehalten ist.
Es ist daher um so wichtiger, mit Hilfe strenger Prüfkriterien eine aussagekräftige Qualitätsplattform zu schaffen, die hilft, deutsche Spitzenweine langfristig als attraktive und authentische Qualitätserzeugnisse im globalisierten Markt zu positionieren. Die bei der Bundesweinprämierung ausgezeichneten Weine brauchen den internationalen Wettbewerb nicht zu scheuen.“
Schlechtes Abschneiden der Classic-Weine
Von den 3.707 Partien, die für die Zulassung zur Bundesweinprämierung im Vorfeld auf regionaler Ebene eine Auszeichnung nachweisen mussten und Ende Januar 2004 in Heilbronn angestellt waren, wurden 25% mit dem Goldenen, 32% mit dem Silbernen und 21% mit dem Bronzenen DLG-Preis ausgezeichnet. 22% blieben unprämiert.
Anders sieht es bei den Classic-Weinen aus, von denen überaus bescheidene 11,4% mit Gold ausgezeichnet wurden. Das ist weit weni-ger als die Hälfte des im Schnitt erzielten Er-gebnisses von 25% für die insgesamt mit Gold prämierten Weine. 12,4% erreichten Silber (Gesamtschnitt 32%), 26,7% Bronze (Gesamtschnitt 21%). Mit einem Anteil von 49,5% wurde praktisch die Hälfte der angestellten Classic-Weine als nicht prämierungswürdig abgelehnt (Gesamtschnitt 22%). Nach Darstellung des Deutschen Weininstituts „dient die Bezeichnungsvereinfachung ‚Classic’ der schnelleren Verbraucherorientierung angesichts der Bezeichnungsvielfalt unter deutschen Weinen. Der neue trockene Geschmacksstil soll hier dem Verbraucher mehr Transparenz bieten.“ Das hört sich eher „blutleer“ an, und so ist es wohl auch.
Eine sensorische Prüfung für Classic-Weine gibt es (noch) nicht. Man möchte vermuten, dass ein solches prüfungsfreies Procedere vielen Erzeugern sehr zupass kommt und sie sich gerne der „Classic-Marke“ bedienen, um nicht gerade überzeugende Qualitäten unter einem exzellenten Vermarktungsbegriff abzusetzen. Wenn es nicht bald (!) zu einer gesonderten sensorischen Prüfung für Classic-Weine kommt, wird die auch für den internationalen Markt stimmige Bezeichnung so weit ausgehöhlt sein, dass die Classic-Linie zu einem Muster ohne Wert gerät und ein teurer Schuss in den Ofen wird.
Stephan Schöller, Projektleiter Bundesprämierungen Wein und Sekt b. A.: „Die Mostgewichtshürde von 1 Vol.-% mehr bei ‚Classic-Weinen’ ist alleine keine Qualitätsgarantie. Eine zusätzliche sensorische Prüfung neben der AP-Prüfung gibt es derzeit nicht.“ Durch eine zweite Prüfung könnten ähnlich wie bei ‚Selection’ die auf dem Markt befindlichen Qualitäten verbessert werden. Es ist anzunehmen, dass der Classic…
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 05/2004