Getränkemärkte 2003

Sensible Märkte mit Potenzial

von Monika Busch

– Lustprinzip und Wellness-Wahn
– Kommerzialisierte Tradition
– Licht und Schatten
– Vom Pflichtpfand behindert
– Vom Genuss beflügelt

Vorbei ist die Zeit, als ein Getränk ganz einfach ein Getränk war, schlichter Durstlöscher sozusagen. Wo schlicht und ergreifend „ein Wasser“ und „ein Pils“ geordert wurde. Die höchst innovative Getränkebranche hat viel Aufklärungsarbeit geleistet, wie beispielsweise beim so genannten „french paradoxum“ oder bei der täglichen, gesunden Flüssigkeitsaufnahme. Viele Markenphilosophien wurden vermittelt, die unermüdlich aufzeigen, warum Produkt A keinesfalls mit Produkt B zu vergleichen ist.

Innovativ geht es hin zu immer neuen Produkt- und Verpackungsentwicklungen, weg von dem ehemals angestaubten Image stets wiederkehrender Getränkekategorien. Ständig bemüht, dem Verbraucher einen erkennbaren Zusatznutzen und ein echtes Geschmackserlebnis zu bieten. Was und wie getrunken wird, hängt von zahlreichen, teils unwägbaren Faktoren ab, wie beispielsweise von kulturellen Gepflogenheiten, gesellschaftlichen Sanktionen („do“ und „don’t“) – aktuelles Beispiel: die „Alcopopsteuer“ – von demographischen Potenzialen und konjunkturellen Impulsen, und natürlich auch von der Witterung.

Die entscheidenden Faktoren über Erfolg und Misserfolg bei Getränken können nicht immer von den Anbietern gesteuert werden. Das muss nicht immer nachteilige Auswirkungen haben, wie beispielsweise der tropische Sommer 2003. Bei vielen Getränkesegmenten schnellten die Absätze in die Höhe. Wasser, alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Bier und Biermischgetränke haben sehr von dieser Witterung profitiert. Ein kalkulierbarer Faktor ist beispielsweise die Demographie. Laut Eurostat wird die Zahl potenzieller Konsumenten von bisher 83 auf 85 Millionen bis 2010 weiter zunehmen.

Eine weiterer wesentlicher, jedoch nicht kalkulierbarer Faktor, ist die Osterweiterung der EU. Derzeit ist kaum einzuschätzen, zu welcher Bevölkerungswanderung dieses führen wird, wenn die derzeitigen EU-Mitglieder ihre Grenzen für die osteuropäischen Arbeitskräfte öffnen werden. Geschehen soll dies in den meisten Ländern 2006, in Großbritannien bereits 2004, in Deutschland und Österreich dagegen erst 2011. In der Zielgruppe der so genannten „jungen Alten“ (50 Jahre und älter), einhergehend mit einer zunehmenden Lebenserwartung, liegt ebenfalls Wachstumspotenzial. Für diese Zielgruppe spielt der genussvolle Konsum eine herausragende Rolle – getreu den Worten von Winston Churchill: „Man soll dem Leib etwas bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Der heutige Anteil von 35 Prozent wird bis 2020 auf 46 Prozent prognostiziert. Tropische Temperaturen und eine „eiskalte“ politische Sanktion haben den Getränkemarkt 2003 maßgeblich beeinflusst. Alkoholfreie Erfrischungsgetränke profitierten mächtig, hingegen insbesondere Bier und Biermischgetränke sowie CO2-haltige Süßgetränke arg gebeutelt waren.
Wachstumsmotor AfG

Die Aufklärungsarbeit fährt Früchte ein. Trinken ist gesund, vorausgesetzt, man trinkt das Richtige. Themen wie Gesundheit und Schönheit haben den Konsum an zuckerhaltigen Getränken drastisch reduziert. Immer öfter wird zu Fruchtsäften und Mineralwasser gegriffen. Trinken, um etwas für sich zu tun – Gesundheit und Geschmack in ein stimmiges Konzept gepackt – das ist die Devise. Gesundheit, Wellness und Convenience sind die Schlüsselfaktoren bei der Auswahl im Regal. Seit Jahren glänzen die alkoholfreien Getränke mit Zuwachsraten, sie sind Wachstumsmotor für dem gesamten Markt. Ihr Marktanteil stieg von 2001 bis 2003 laut GfK im LEH (ohne Aldi) um 3,5 Prozent auf derzeit fast 62 Prozent. Sie steigen zunehmend und spürbar in der Gunst der Verbraucher. Den größten Anteil hierbei haben die Erfrischungsgetränke aus Wasser oder Limonaden. Die Fruchthaltigen- und Wellness-Getränke kommen auf einen mengenmäßigen Marktanteil von mittlerweile stolzen elf Prozent.

Mit einem Marktanteil von 44 Prozent im LEH (ohne Aldi) ist Wasser nach wie vor die dominierende Kategorie im Segment der alkoholfreien Getränke. Mineralwässer steuerten, absolut gesehen, den größten Teil zum Mengenwachstum von 650 Litern bei. Der Getränkekonsum zwischen Ost und West zeigt sich nach wie vor unterschiedlich. So wird in Westdeutschland mehr Wasser getrunken, ebenso erfreuen sich Cola-Getränke größerer Beliebtheit. Hingegen in Ostdeutschland die Limonade ein festes Standbein hat.

Die Fruchthaltigen kommen auf knapp 20 Prozent Marktanteil, vor den Cola-Getränken und den Limonaden mit knapp 15 beziehungsweise gut zwölf Prozent Mengenanteil. Wasser mit Zusatz, Teegetränke, wie auch die anderen Segmente, bewegen sich noch im einstelligen Prozentbereich. Marginale Anteile von weniger als einem Prozent erreichen Energy- und Sportdrinks, Bittergetränke und Gemüsesäfte. Stimmen die Marktkonstellationen, können diese Kleinstsegmente recht schnell hohe Zuwächse erzielen, oder auch verlieren – wie das Beispiel Energygetränke in 2003 zeigt. Aufgrund der Zwangsbepfandung waren hier Mengeneinbußen bis zu 80 Prozent zu beklagen.
Die  deutsche Fruchtsaftindustrie verzeichnete im vergangenem Jahr mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 42 Liter erstmals wieder seit 1999 eine merkliche Konsumsteigerung. Wermutstropfen wie bei den Mineralbrunnen: Das wertmäßige Wachstum mit 1,6 Prozent lag weiter hinter dem Mengenwachstum von 3,8 Prozent. „Ein betriebswirtschaftliches Dilemma, in dem sich die Fruchtsaftindustrie seit Jahren befindet“, klagt der VdF (dgw 6/7/04).

In punkto Verpackung sind das PET-Gebinde und der Karton bei den alkoholfreien weiter auf dem Vormarsch. Den Sojagetränken bescheinigen Experten, beispielsweise weltweite Karrierechancen. 2004 wird ein Anstieg des Konsums auf vier Milliarden Litern weltweit prognostiziert. In Österreich entstand nach einjähriger Forschungsarbeit ein „prototypisches Produkt für morgen – speziell für Frauen“. Das als Funktional-Lifestyle-Getränk ausgelobte Produkt basiert auf mehreren Mega- und Konsumtrends. Die 21 Inhaltsstoffe sind reine Naturprodukte und exakt auf den Organismus der Frau abgestimmt. Die Idee stammt aus Japan, wo vor rund fünf Jahren eine reine Frauenmarke, mit unterschiedlichen Produktgattungen gestartet wurde (dgw 4/04).

„Extreme Drinks“ nennen sich innovative Getränkeprodukte für junge, aktive Zielgruppen. So gibt es beispielsweise eine individuell gestaltete Flasche mit Clip in Snowboard-Optik, die sich leicht am „Outfit“ anbringen lässt. Cool verpackte Durstlöscher sind bei der jungen Zielgruppe angesagt. „Gebinde ist für die Jugend äußerst wichtig und hat viel mit Selbstdarstellung zu tun. Eine Einheitsflasche verzeichnet lange nicht die gleiche Wirkung wie eine Flasche, die unique ist, die stylish daherkommt“, weiß Alexander Homeyer, Geschäftsführer der Münchner Agentur für integrierte Jugendkommunikation Youngcom.

Wachstumsraten werden auch den so genannten Softdrinks bescheinigt. Zenith International, Großbritannien, prognostiziert im Global Drinks Report 2003 einen jährlich steigenden weltweiten Absatzzuwachs von fünf Prozent. Europäischer Spitzenreiter beim AfG-Konsum, ist Deutschland mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 292,3 Litern (wafg). Platz Zwei teilen sich Belgien und Luxemburg – dicht gefolgt von der Schweiz. Spitzenreiter bei den Erfrischungsgetränken ist Irland, Deutschland liegt hier im Mittelfeld. Führend beim Wasserkonsum ist mit 174 Litern Italien. Safttrinker Nummer Eins sind wiederum die Deutschen mit einem Konsum von 42 Litern. Das Konsumentenbarometer aus TGI, einer internationalen Markt-Medien-Studie, die weltweit in 50 Ländern durchgeführt wird, kommt zu dem Ergebnis, dass weltweit die Mehrzahl der Durstigen immer noch süße Softdrinks vorziehen. In elf von 15 untersuchten Märkten ist demnach der  Konsum an kohlensäurehaltigen Softdrinks deutlich höher als von Fruchtsäften oder Mineralwasser in Flaschen. Platz Eins belegt Lateinamerika, allein in Mexiko und Brasilien sind es erstaunliche 94, beziehungsweise 93 Prozent. In Brasilien gaben beispielsweise die Befragten an, dass sie mehr als 15 Softdrinks in der letzten Woche getrunken haben. Und in der Türkei gibt es doppelt so viele Softdrink- wie Wassertrinker.

Ausgemacht hat das Konsumentenbarometer, dass Serbien das einzige Land sei, in dem überwiegend Fruchtsaft statt Softdrinks und Mineralwasser getrunken wird. Eine weitere Erkenntnis: „Die Mineralwassertrinker sind den Cola-Trinkern erstmals zahlenmäßig überlegen.“ Weltweit ist die Dominanz des Wassers unbestritten. In Ländern wie Frankreich, Deutschland und Polen beispielsweise, sind die Trinkgewohnheiten schon eher Ausdruck der nationalen Kultur – hier trinken über 80 Prozent der Bevölkerung Mineralwasser. Im ersten Halbjahr 2004 hatten die Deutschen weniger Durst als im vergangenem Jahr. Die Absatzmenge im Juni 2004, so die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg) sank um 6,8 Prozent.

Insgesamt steht im ersten Halbjahr 2004 ein Mengenwachstum von 2,2 Prozent bei einem Umsatzminus von 0,8 Prozent (wafg). Fruchtschorlen, die in 2003 mit dem Zwangspfand zu kämpfen hatten, haben sich mit einem Mengenplus von 31,2 Prozent deutlich erholt. Mit einem Plus von 25,4 Prozent liegen Wässer mit wenig Kohlensäure weiterhin im Trend. Eistee, ein Gewinner im Jahr 2003, konnte diese Entwicklung mit einem Minus von 25,6 Prozent nicht fortsetzen.
Absatzkiller Pflichtpfand

Von dem Wetterphänomen 2003 profitierte das Biersegment ebenfalls, zur Jahresmitte war noch ein Aufschäumen in Sicht. Jedoch schlug zum Jahresende ein Absatzrückgang um mehr als zehn Prozent zu Buche. Die „Trittin-Delle“ hat den Absatz einbrechen lassen. Die komplette Auslistung der Dosen bei den Discountern hat dem Bier und den Biermischgetränken 2003 den Boden entzogen. Zudem steht das Segment Bier immer mehr in Konkurrenz zu Wein oder den Alcopops.

Aufgrund des Pflichtpfandes mussten 2003 herbe Verluste hingenommen werden. Im LEH (inkl. Aldi) wurden 2003 gut sechs Prozent weniger Bier als 2002 verkauft. Mit fast zwei Drittel des gesamten Bierabsatzes (LEH inkl. GAM) bestreitet die Sorte Pils nach wie vor das größte Volumen. Ergo Pils im Minus, Markt im Minus. Pils musste einen Absatzrückgang um fast acht Prozent hinnehmen. Weizen mit einem Marktanteil von beachtlichen 7,5 Prozent büßte gut fünf Prozent ein. Die vergleichsweise günstigen Sorten Export und Hell legten dagegen um gut neun beziehungsweise fast sechs Prozent zu. 2003 zeigte sich der Biermarkt gespalten. Pro und Contra Dose zeigte sich an den Ergebnissen. Die von jeher mehrorientierten Brauereien frohlockten, die Großkonzerne sprachen bei dem Absatzeinbruch häufig nur noch von der „Trittin-Delle“.

Klar stieg 2003 der Mehrweganteil und zwar von 66 auf 88 Prozent. Der Dosenanteil reduzierte sich um 70 Prozent. Ein zweifelhafter Sieg für das Mehrweggebinde, kehrte die Dose 2004 in Form von PET in die Regale der Discounter zurück – und zwar im Niedrigpreissegment, angesiedelt, wie ehemals die Dose. Neben Holsten und der belgischen Brauerei Martens startet die Bitburger Brauerei einen weiteren Versuch im PET-Segment. Nachdem die mit viel Fuore promotete Bigneck-Flasche kaum noch irgendwo auftaucht, soll eine 0,5-l-PET-Longneckflasche die gewünschte Resonanz bringen.  Und nichts desto trotz soll es das Dosengebinde im Form einer Insellösung auch wieder geben. Rund 18 Monate nach Einführung des Pflichtpfandes versuchen die Einzelhandleskette

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe  08/09/2004