Der Biermarkt ist tot. Es lebe der Biermarkt. Es kann nur einen geben…01/2004

Rückblick und Ausblick – Ungestillter Bierdurst…

von Monika Busch

Ein recht turbulentes und spannendes Jahr liegt hinter uns. Der hiesige Biermarkt war 2003 geprägt durch Übernahmen, Konsolidierungen, Kurzarbeit bis hin zu Schließungen. Die GfK bezeichnet 2003 als „Jahr der Trendbrüche“, ausgelöst durch die dirigistischen Eingriffe in den Markt über das Pflichtpfand auf bestimmte Getränkeverpackungen. Der mehr oder weniger relativ stabile Biermarkt der letzten Jahre, mit einer Stagnation auf hohem Niveau, wurde im wahrsten Sinne des Wortes insbesondere im LEH sowie in den GAM aufgemischt. Die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage und die staatliche „Zwangspfandverordnung“ sorgen bei den unterschiedlichsten Unternehmen der Branche für wirtschaftliche Krisen.

Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende „Konkurrenz“ für Bier, wie beispielsweise die RTD’s, mit der Folge eines kontinuierlich rückläufigen Pro-Kopf-Verbrauches in den vergangenen Jahren. Laut den Marktforschern der GfK ist die verkaufte Menge Bier in LEH und den Getränkeabholmärkten zwischen 1992 und 2002 nahezu stabil geblieben, mit der Schlussfolgerung, das externe Einflussfaktoren verantwortlich seien. Wie etwa das Abschneiden der deutschen Kicker bei der Fußballweltmeisterschaft oder Ereignisse wie die Flutkatastrophe im Osten oder aber der Schneeeinbruch im Sauerland, der kurzfristig sogar die Logistikkette unterbrach.

Den Einbruch in den ersten Monaten 2003, einhergehend mit Trendverschiebungen bei Sorten, Verpack-ungen und Einkaufsstätten, führen die Marktforscher ausschließlich auf das Pflichtpfand zurück. Information Resources GfK wies für Bier in den ersten beiden Monaten des vergangenen Jahres ein Minus von 7,4 Prozent aus. Im März zeigte sich ein weiterer schwerer Einbruch, im April stieg wieder die Hoffnung. Jedoch handelte es sich hier um einen „Sommereffekt“, denn der April strahlte mit hochsommerlichen Temperaturen. Im ersten Halbjahr 2003 wurde schon deutlich, der schlechte Start würde sich bis Ende des Jahres  kaum kompensieren lassen. Und je höher der Dosen- respektive Einweganteil, umso größer die Verluste – hier nur ein Beispiel: die Holsten-Brauerei.

Profitiert haben die Unternehmen mit einem sehr geringen Einweganteil. Ein sehr hoher externer Effekt 2003 für die Branche war unser „tropischer Sommer“, der sehr früh begann. Teilweise konnte der „Einwegverlust“ durch Mehrweg kompensiert werden. Aber was wäre gewesen, wenn…? Die Biermischgetränke als Wachstumsmotor in den letzten Jahren – convenience-orientiert in der Dose als dominierende Gebindeform, verbuchten einen zweistelligen Einbruch. Zeigte sich  im November/ Dezember 2002 noch ein Marktanteil von 36,5 Prozent, so blieben 2003 gerade einmal 15 Prozent übrig.

Dose hin oder her, diese Gebindeform war eindeutig für den Erfolg der Biermischgetränke Ausschlag gebend. Die Verluste von 50 bis 70 Prozent werden von den Mehrweggebinden nicht kompensiert. Per Saldo verliert dieses innovative Segment. Unterm Strich haben die Biermischgetränke in den ersten acht Monaten des Jahres 2003 drei Prozent eingebüßt. Zunächst nicht sonderlich dramatisch. Betrachtet man jedoch das Wachstum von 35 Prozent in  2002 gegenüber 2001, ist das ein kastrophales Ergebnis. Von der Auslistung der Harddiscounter, ebenfalls bedingt durch den externen Einfluss „Zwangspfand“, profitierten die GAM mit zweistelligen Zuwachsraten bei Mehrweg. Eine Bilanz wie bei Aldi „Hundert Prozent Minus für Bier“– hat es noch nicht gegeben.

Die Dose ist aus den meisten Regalen verschwunden. „Mit der Unerbittlichkeit eines Scharfrichters hat das zuständige Ministerium die Jahre zuvor fixierte Richtlinie zur Rettung der Mehrwegquote exekutiert. Und es bleibt: Die Politik hat den Konsum auf dem Gewissen, zumindest den Bierkonsum”, lautet das Resümee der Marktforscher von Infores(GfK). Der Jahrhundertsommer 2003 ändert nicht viel, denn die tropischen Temperaturen sind vorbei, das Pflichtpfand keineswegs. Pils, als dominierende Sorte im Biermarkt hat in den ersten acht Monaten 2003 sechs Prozent verloren. Pils im Minus – Markt im Minus.

Anfang 2003 vereinten die Top Ten Brauereigruppen knapp 67 Marktanteil, Tendenz steigend. Erzielt wird dieses Wachstum jedoch nicht organisch, sondern durch Akquisitionen – und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Verteilungskämpfe werden insbesondere noch bei den anstehenden Verkäufen der Holsten Brauerei sowie Brau und Brunnen stattfinden. Die Gastronomie als wichtiger Absatzkanal für Bier kränkelt weiterhin stark. Die Gäste schränken immer noch deutlich ihre  Ausgaben ein; der Teuro lässt grüßen. Der „Trittin-Delle“ versuchen nun einige Brauereien mit „Bier in Plastik“ entgegenzutreten. PET-Gebinde erfreuen sich zunehmend der Gunst der „Durstigen“, verbuchen zweistellige Zuwachsraten. Aber Bier in Plastik, da hört der Spaß auf! – so jedenfalls bis vor kurzen noch die geläufige Meinung. Ein kurzer Blick auf die Gebindeentwick-lung zeigt, dass Umweltminister Trittin hier sein Ziel erreicht hat. Bier in 0,5-Liter-Mehrweg ist fast um ein Fünftel in der Menge gestiegen, das 0,33-Liter-Gebinde liegt knapp darunter. Knapp wurde  2003 nicht das Bier, sondern die Mehrweggebinde. Die Einweggebinde sind regelrecht weggebrochen. Der Wirtschaftsminister hingegen müsste durch „ein Tal der Tränen“ wandern. Allein auf rund 50 Millionen Euro Biersteuer muss der Staat seit der Einführung des Einwegpfandes verzichten.

Insbesondere bei unseren europäischen Nachbarn ist das Pfandthema ein weiteres Beispiel für „Pleiten und Pannen – made in Germany”. Das verordnete Zwangspfand löst keinesfalls die „angeblichen Probleme”, im Gegenteil es schafft viele neue. Insbesondere droht der Verlust von vielen Arbeitsplätzen, die durch die geringe Anzahl von Aufstockungen im Mehrwegbereich keineswegs zu kompensieren sind. Laut Prognos-Studie droht ein Verlust von bis zu 10.000 Arbeitsplätzen. Der Umsatzverlust der Wirtschaft laut Prognos:  1,2 Milliarden Euro  – wahrscheinlich Peanuts für die Bundesregierung. Und statt zu Dosen, greift der Konsument häufig, aufgrund geringerer Bepfandung zu Glas-Mehrweg. Dieses landet keineswegs wieder in den Kreislauf, sondern liegt zerbrochen in der „Natur”. Also – Alternative PET?  Deutschlands Biertrinker sollen auf den Geschmack gebracht werden. In den Regalen der Discounter stehen nun  PET-Flaschen statt Dosen.

So setzt Aldi deutschlandweit mit der Handelsmarke Maternus-Pilsener auf Bier in PET. Der Lieferant, die Brauerei Martens mit Sitz im belgischen Bocholt braut das Pils nach dem deutschen Reinheitsgebot. Das speziell für Aldi-Bedürfnisse neu entwickelte 0,5-Liter-Gebinde ist als Longneck-Flasche konzipiert bei einem Gewicht von 28 Gramm.  Die Holsten-Brauerei hat sich entschieden, rund acht Millionen Euro in eine eigene PET-Abfüllinie für Bier und Biermischgetränke zu investieren. Rund 150 Millionen Halbliterflaschen wollen die Hamburger jährlich auf den Weg bringen.

„Dank der neuen Abfülllinie übernimmt Holsten eine Vorreiterrolle und profitiert von den Kosteneinsparungen, die mit der Positionierung von PET als das dritte Verpackungsverfahren verbunden sind. PET ist nicht länger nur eine Verpackung für Nischenprodukte. Nach drei Jahren Erfahrung mit PET sind wir überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben“, kommentierte Holsten Vorstandschef Andreas Rost das Investment. Jüngste Reaktionen von Marktteilnehmern sowie eigene Forschungen hätten ergeben, dass die PET-Verpackung für Bier und Biermischgetränke von Verbrauchern aller Altersgruppen angenommen werden würde.  Der Biermarkt, hier zu Lande eine der letzten großen Bastionen der Glasflasche, wird PET erleben. Und hierbei sind es die Discounter, wie Aldi, Lidl, Penny & Co. die eine Vorreiterrolle spielen. Das ausgelistete Dosenbier kehrt zurück in die Regale in PET-Flaschen, häufig als Insellösung mit individuellem Flaschendesign. Bier aus PET-Flaschen, in Deutschland bis dato chancenlos, hat durch die Einführung des Zwangspfandes einen enormen Anschub bekommen. Klar, das die Glasindustrie mobil macht. Das Aktionsforum Glasverpackung, eine Gemeinschaftsaktion der Fachvereinigung Behälterglas e.V. und der GGA Gesellschaft, bezeichnet den Bundesumweltminister als „Arbeitsplatz- und Kapitalvernichter”. Im Vorfeld einer gemeinsamen Demonstration von Betriebsräten und Mitarbeitern der führenden Unternehmen im Bereich Glas- und Dosenindustrie Mitte Dezember letzten Jahres vor dem Brandenburger Tor in Berlin forderten Vorstandsmitglieder der Behälterglasindustrie Trittin auf, seine „Chaosverordnung” zum Getränkepfand auszusetzen. Einschließlich der Zuliefer- und Getränkeindustrie seien Tausende von Arbeitsplätzen „hoch gefährdet”. Die gefährdeten Produktionskapazitäten würden sich in der Glasindustrie auf rund 700.000 Tonnen belaufen, was eine „Investitionsvernichtung von rund 370 Millionen Euro” zur Folge hätte.

Die Krombacher Brauerei vermeldete den Austritt zum 31.12.2003 aus der „Arbeitsgemeinschaft Marke und Verpackung deutscher Brauereien (AMV)”.  Begründung: „Die Krombacher Brauerei sieht ihre Interessen durch die einseitig vertretene Einwegpolitik der AMV nicht mehr adäquat gewahrt.” Die Kommentierungen seitens der EU-Behörden würden aus der Sicht der Kreuztaler ebenfalls deutlich machen, dass die Verpackungsordnung im Kern bestätigt werden würde, wenngleich auch berechtigte Kritik in Detailfragen geäußert wurde.

Für Verstimmung und nicht nur bei den Kreuztalern, sondern auch im benachbarten Warstein (ebenfalls Austritt zum 31.03.2004) hatte der Antrag auf Aussetzung des Dosenpfandes gesorgt, den RA Dr. Clemens Weidemann auch im Namen von Krombacher stellte.  Dieser Antrag war der Krombacher Brauerei zum damaligen Zeitpunkt weder bekannt, geschweige denn mit ihr abgestimmt.

Mächtig Durst hatten die Deutschen im vergangenem Sommer. Gewinner waren hier klar die alkoholfreien Getränke,  Bier hat von  dem Wachstumsmotor Sommer nur leicht profitiert. Im Juli/August 2003 sprang ein kleines Plus von einem halben Prozent heraus. Dass es zu mehr nicht gereicht hat, liegt an der Entscheidung des Bundes-
umweltministers, den Verbrauchern das Trinken aus der Dose abzugewöhnen. Der Einbruch konnte lediglich durch den ungewöhnlichen warmen und lang anhaltenden Sommer gemildert werden. Deutlich wird der Einbruch durch das verordnete Zwangspfand auch bei den Spezialitäten Alt und Kölsch. Laut Angaben des Verbandes Rheinisch-Westfälischer Brauereien verzeichnete der Altbierabsatz im größten Bundesland, wo das dunkle Obergärige zu Hause ist, in den ersten neun Monaten 2003 einen Einbruch um 14,1 Prozent auf 1,9 Millionen Hektoliter (Vorjahr: 2,2 Mio.), bedingt durch das „Verschwinden” von Einweg.

Kölsch hingegen, zum größten Teil abgefüllt im Fass und Mehrweg, ist vom Zwangspfand kaum betroffen. Das ohnehin sinkende Altbiersegment hat besonders durch die Mischgetränke profitiert, die überwiegend in der Dose angeboten wurden. Die Altbiermischgetränke verbuchten mit einem Rückgang von 334.000 auf 298.000 Hektoliter ein Minus von 10,9 Prozent. Die Umstellung auf Mehrweg, sei es Glas oder PET hat sichtbare Spuren hinterlassen. Frühzeitig reagiert hat die Düsseldorfer Privatbrauerei Frankenheim, Vorreiter bei der Einführung des Altbier-Cola-Mix und zugleich Vorreiter bei der Abfüllung in PET im Altbier-Mix-Segment. Mit ihrem Mix Frankenheim blue kommt die Privatbrauerei laut A.C. Nielsen im LEH und GAM auf einen Marktanteil vom 5,6 Prozent (Januar bis Juli 2003). Der Einweganteil von rund 20 Prozent im Jahre 2002, konnte das Düsseldorfer Unternehmen durch Mehrweg nahezu substituieren. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil von Mixery von 16 auf 13,4 Prozent. Mit einem Rückgang von 7,3 auf 4,9 Prozent verzeichnete auch Dimix deutliche Einbußen.

Der größte Verlierer im Altbiersegment ist zur Zeit sicherlich Diebels. Die belgische Einverleibung hat sich bisher  kaum positiv ausgewirkt. Mit einem ehemaligen Marktanteil von rund 60 Prozent wurde von den Issumern das Altbiersegment stark geprägt. Und auch die deutsche Tochter Hannen der dänischen Carlsberg-Brauerei hat sich letztlich entschieden, Gatz und Hannen bei Oettinger nach dem Verkauf der Braustätte in Mönchengladbach lohnbrauen zu lassen. Nichts ist mehr so wie es war. Im Biermarkt waren die Verluste höher als die Zugewinne bei Mehrweg. Insgesamt eine unbefriedigende Situation, vor allem vor dem Hintergrund des Super-Sommers 2003. Die Branche steckt den Kopf jedoch nicht in den Sand. Neben neuen Gebinde- und Verpackungs-
formen werden neue Potenziale gesucht. So haben es beispielsweise die bayerischen Brauer geschafft, ihr Regionalprodukt Weißbier über das traditionelle Potenzial Bayern mit rund zwölf Millionen Menschen erfolgreich auf das Gebiet der alten Bundesrepublik mit beinahe 66 Millionen Menschen auszudehnen. Klar, ist nicht jeder von ihnen ein Weißbierfan, aber es wurden und werden immer mehr. Der Blick der deutschen Brauereien geht auch ver-