Bärenstark

Die Moselaner schreiben mit dem „Riesling S“ einen Bestseller

von Wilfried Moselt

Das Thema Wein nimmt in der deutschen getränke wirtschaft schon seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert ein – sowohl als Wirtschaftsfaktor, wie auch als Kulturgut. Ab dieser Ausgabe wird der international bekannte Autor Wilfried Moselt für die dgw in loser Folge Weinanbaugebiete und Weinländer aus aller Welt vorstellen und über
Neuheiten, Qualitäten und Märkte berichten.
Endlich eine durchdachte, für den Verbraucher sehr gut nachvollziehbare Vermarktungskonzeption im deutschen Weinbau. Wer hätte das im Wust der Etiketten-Inflation noch erwarten dürfen!

Das, was die Verantwortlichen von Weinbauverband und Weinwerbung Mosel-Saar-Ruwer Wein mit Unterstützung eines „Strategie-Teams“ aus Vertretern der Wissenschaft, der Offizialberatung, der Landwirtschaftskammer und des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie aus gestandenen Önologen, Weinbauberatern und Marketingexperten aus Rheinland-Pfalz und der Forschungsanstalt Geisenheim in manch langer Sitzung gedreht und gewendet haben, ist zu einem echten Klassiker geraten.
Der „Riesling S“ wird mächtig Bewegung in die Szene bringen, zumal hinter der schlichten und zugleich noblen optischen Darstellung ein solides Fundament aus klar definierten Vorgaben steht. Man kann den Entscheidungsträgern an Mosel, Saar und Ruwer nur wünschen, dass sie konsequent bleiben und jeder Verwässerung der exzellenten Vorlage auch gegen zu erwartende Widerstände durch den einen oder anderen Großerzeuger einen Riegel vorschieben.
Was ist geschehen?

Im Weinbaugebiet mit den steilsten Lagen in Europa – die steilste von allen ist der Calmont an der Moselschleife bei dem Weindorf Bremm – hat man sich nun darauf besonnen, den einzigartigen Rieslingen von den beklemmend abschüssigen Hängen einen Namen mit Ausdruckskraft zu geben. Und der steht diesen trocken ausgebauten Weinen bestens zu Gesicht, die eine ausgeprägte Fruchtigkeit mit mineralischen Noten, einer rassigen Fruchtsäure und der unnachahmlichen beschwingten Leichtigkeit für den Genuss ohne Reue perfekt miteinander in Einklang bringen. Die Bezeichnung „Riesling S“ ist seit über zwei Jahren geschützt. Inhaber der Schutzrechte ist der Mosel-Saar-Ruwer Wein e. V.. Das Warenzeichen „Riesling S“ als Wort-/Bildmarke in der präsentierten Form ist beim Deutschen Patent- und Markenamt als Kollektivmarke angemeldet. Ansgar Schmitz, Geschäftsführer von Mosel-Saar-Ruwer Wein e. V.: „Die Idee der Gestaltung basiert auf der visuellen Umsetzung analog der Struktur eines angemeldeten Warenzeichens. Das hochgestellte ‚S’ assoziiert eine Hochwertigkeit und ist sozusagen die Adelung des Rieslings.“
Das ‚S’, das auf die Herkunft des Rieslings aus einer Steillage von mindestens 30 Prozent hinweist, steht zugleich für Spitzenweine und Schieferböden (auch wenn nicht alle Steillagen an Mosel, Saar und Ruwer über Schieferuntergründe verfügen). Wer übrigens eine gewünschte gedankliche Verbindung zur S-Klasse in anderen Zusammenhängen ausmacht, dürfte nicht Unrecht haben.
Wie definiert sich ein „Riesling S“?

Nun, es sind im Vorhinein mehrere Auflagen zu erfüllen, ehe sich ein Wein mit dieser honorigen Auszeichnung schmücken darf. Dass er in einer Steillage gewachsen sein muss, ist eine Grundvoraussetzung, zum Glück aber nicht die einzige. Unerlässlich ist eine sensorische Prüfung, was bedauerlicherweise auf der bundesweiten Weinebene für die „Classic-Linie“ noch immer nicht obligatorisch ist.
Amtliche Weinprüfer der Landwirtschaftskammer müssen dem Riesling, der für das Oberhaus moselanischer Weinkultur kandidiert, 3,5 von 5 möglichen Punkten zuerkennen – und das ist eine hohe Hürde. Wer selber in einer amtlichen Weinprüfungskommission tätig ist, wird bestätigen können, dass eine Durchschnittswertung von 3,5 Punkten und mehr äußerst selten erreicht wird. Vor dem Einstieg in die Beurteilung der „Riesling S“-Weine werden die Prüfer mit einer Referenz-Probe gewissermaßen geeicht. Diese Modellweine zeichnen sich durch einen bestimmten Weinstil aus, von dem man sich große Erfolgsaussichten auf den internationalen Weinmärkten verspricht. Sie wurden von dem „Strategie-Team“ unter trockenen Rieslingweinen aus Steillagen von Mosel, Saar und Ruwer ausgewählt, die bei der Weinprämierung der Landwirtschaftskammer und in anderen wichtigen neutralen Verkostungen hoch bewertet wurden. Ziel der Vorarbeiten war vor allem die Profilfindung für die Linie der Steillagen-Rieslinge und weniger die subjektive Bewertung nach bekannten Punkte-Systemen.
Geschäftsführer Ansgar Schmitz: „Sehr positiv überrascht von den Qualitäten des gesamten Sortiments der angestellten Rieslinge aus den Steillagen waren insbesondere die Önologen und Marketingexperten aus den anderen rheinland-pfälzischen Anbaugebieten und von der Forschungsanstalt Geisenheim. Alle Weine könnten mit besten Erfolgsaussichten an den Weinprämierungen der Landwirtschaftskammer und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft teilnehmen.“ Bei den ausgewählten Weinen waren im Hinblick auf die Außenwirtschaft (die Arbeiten im Weinberg) und die Kellerwirtschaft (Ausbau der Weine) signifikante Parallelen zum jetzt konzipierten „Riesling S“ nicht zu übersehen:

– späte, selektive Lese (vorwiegend im November)
– hochreifes, gesundes Lesegut mit sehr niedrigem Botrytis-Anteil
– geringer Ertrag
– schonende Behandlung des Traubenmaterials
– lange Gärdauer (bei kontrollierter Temperatur)
– langes Hefelager

In die wiederholten Proben und Diskussionen wurden auch die Erzeuger einbezogen. Die analytischen und sensorischen Auswertungen der Definitionsprobe durch die Experten führten schließlich zu den önologischen Empfehlungen für die Realisierung des Produkts „Riesling S“. Ähnlich verfuhr man in den Bereichen Marketing und Produktauftritt.
Steillagen-Rieslinge müssen zu 100 Prozent aus Riesling bestehen und in Steillagen von 30 Prozent und mehr gewachsen sein (siehe oben). Sie müssen einen Alkoholgehalt von mindestens 11,5 Volumenprozent aufweisen und dürfen einen Restzuckergehalt von höchstens 9 g/l haben (dabei darf der Restzucker bei maximal 2 g/l über dem Säuregehalt liegen; ein Wein mit 9 g/l Restzucker muss also mindestens 7 g/l Säure enthalten, um als „Riesling S“ ausgelobt zu werden).
Zielsetzungen

Mit der neuen Marke will der Mosel-Saar-Ruwer Wein e. V. den hochwertigen trockenen Rieslingweinen der Region zu einer breiteren Anerkennung verhelfen. Dass das Anbaugebiet weltweit vor allem für seine fruchtigen edelsüßen Steillagenweine berühmt ist, wird der Leistung der Winzer an Mosel, Saar und Ruwer nur teilweise gerecht. Denn in den Steillagen werden nicht erst heute auch herausragende trockene Rieslingweine erzeugt, die mit ihrer ausgeprägten Fruchtigkeit und Mineralität nicht allein Fachleute beeindrucken und als optimale Essensbegleiter zu vielen Gerichten in der Gastronomie und im Privatbereich auf dem Vormarsch sind.
Noch immer setzen indes die meisten Verbraucher (zumal in Deutschland) das Anbaugebiet mit lieblichen und edelsüßen Weinen gleich. Dieses Klischee auszumerzen ist ein langwieriges Unterfangen. Aber Hoffnung ist in Sicht. Man darf erwarten, dass die nun eingeleitete Profilierung der trockenen Steillagen-Rieslinge den entscheidenden Schritt zu neuen Ufern bedeuten wird. Nach Einschätzung anerkannter Marktexperten sind künftig auf dem Weißweinsektor die Aromatik und die Fruchtausprägung der Produkte wettbewerbsentscheidend. Welche Weine könnten solchen Ansprüchen besser gerecht werden als Steillagen-Rieslinge?

Die vollständige Redaktion finden Sie
in unserer Print-Ausgabe 10/2004