Zwangspfand: Glasindustrie meldet drastischen Einbruch beim Recycling

Wirtschaftsministerium rechnet mit zusätzlichen
13.000 Arbeitslosen in zwölf Branchen
Umfrage: Mütter wollen keine Babynahrung in Plastikverpackungen

von Timur Dosdogru

Das zu Jahresbeginn eingeführte Zwangspfand hat für ein drastisches Absinken des Glasrecyclings gesorgt, teilt das Aktionsforum Glasverpackung, Ravensburg, mit. Danach warfen die Bundesbürger im ersten Halbjahr 2003 rund 1,2 Millionen Altglas in die Container. Gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum waren es noch 1,255 Millionen Tonnen gewesen, was die Recyclingquote von 96,58 auf 88,08 Prozent nach unten drückte – ausgerechnet in dem Jahr, in welchem das Glasrecycling seinen 30. Geburtstag feiert. Im ersten Halbjahr 2003 waren die Schleswig-Holsteiner mit 16,77 Kilogramm pro Kopf die eifrigsten Glassammler, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (16,69) und Brandenburg (16,46). Schlusslicht beim Sammeln sind die Hamburger mit 10,30 Kilogramm pro Kopf.

Firmen verschiedener Branchen
richten Appell an Bundesrat

Jetzt hat eine Initiative von Firmen aus den Bereichen Fruchtgetränke, Glasverpackungen und Flaschenverschlüsse den Bundesrat aufgefordert, gegen die Novelle zur Verpackungsverordnung zu stimmen. Dabei verweisen die beteiligten Firmen auf Arbeitsplatz-Berechnungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, nach denen allein durch das in diesem Jahr eingeführte Pflichtpfand rund 13.000 Arbeitsplätze in zwölf Branchen verloren gehen werden. Vor allem betroffen sind dabei der Brauereisektor, die Produzenten von Tafel- und Quellwässern sowie weiteren CO2-haltigen Getränken und der Verpackungssektor.

„Wenig stichhaltige
ökologische Gründe“

Es sei nicht zu verstehen, heißt es, warum eine mit wenig stichhaltigen ökologischen Gründen auf den Weg gebrachte Verordnung ausgerechnet den Mittelstand belaste und dem ohnehin anhaltendem Konzentrationsprozess in Handel und Getränkeindustrie weiteren Vorschub leiste.
„Wir verstehen in Abwägung der ökologischen Ziele und der ökonomischen Auswirkungen nicht die Notwendigkeit der Einführung eines Pflichtpfandes im Fruchtgetränkebereich, der im Vergleich zu anderen Getränkesegmenten eine bemerkenswerte Stabilität im Bereich der Mehrwegabfüllungen aufweist und der die angestrebte Quote für so genannte ökologisch vorteilhafte Verpackungen heute schon übererfüllt“, heißt es weiter. Die Fachvereinigung Behälterglas spricht außerdem von einer doppelten Belastung hinsichtlich der geplanten Mautgebühr für Lkw. Dadurch werde die Branche zusätzlich erheblich belastet. Die Branche rechnet mit einer Erhöhung der Transportkosten um bis zu 15 Prozent. Außerdem drohe das seit 30 Jahren erfolgreich praktizierte Glasrecycling mit Verwertungsquoten nahe 90 Prozent durch das Pfand nachhaltig beeinträchtigt zu werden, weil die Glasbranche schon seit drei Jahren aufgrund der Substitution von Glas durch PET-Flaschen unter erheblichem Druck stehe.

Als Folge der Marktverluste in den letzten drei Jahren und der noch anstehenden Marktveränderungen durch die Pfandregelung rechnet man mit einem Rückgang von 25 Prozent oder eine Million Tonnen im Inlandsmarkt für Behälterglas bis 2004. Der Hersteller BSN glass pack mit Sitz in Düsseldorf, der unter anderem der eingangs erwähnten Initiative angehört, hat zudem eine Studie zur Akzeptanz von Babynahrung in Glasverpackungen durchgeführt.

Ergebnis: 78,5 Prozent von Frauen mit Kindern erklärten bei der Repräsentativumfrage des Meinungsinstitutes USUMA, sie fänden es schlecht oder weniger gut, wenn Babynahrung im Einzelhandel in Plastikbehältern angeboten würde. Auch bei der Einbeziehung kinderloser Frauen in die Umfrage, sei die Absage an Plastik mit 77,1 Prozent nur geringfügig niedriger ausgefallen, heißt es. Ebenso hätten sich rund zwei Drittel der Männer (67,9 Prozent) gegen Plastik…