„Ungeduld ist mein Motor” Das rastlose Leben des R.R.Knut

Tamara Dragus im Gespräch … mit Rüdiger Ruoss

von Tamara Dragus

Nicht nur in der Getränkebranche hat er sich einen Namen gemacht. Rüdiger Ruoss (64), von seinen Freunden „Knut” genannt, ist erfolgreicher Unternehmer und ehemaliger Inhaber der Werbeagentur „Rüdiger Ruoss & Partner KG”. Heute gilt er als international angesehener Initiator namhafter Branchentreffs wie Sommertage der Getränkewirtschaft, Bündner Runde oder dem einzigartigen World Beer & Drinks Forum. Durch zahlreiche Reisen im In- und Ausland, schaffte sich der Wahlschweizer ein weltweites Networking, das heute als Basis seiner  erfolgreichen Aktivitäten dient.

Stillstand. Bewegungsunfähigkeit. Zwei mögliche Antworten auf die Frage „Was wäre für Sie das größte Unglück?”. Würde man diesem Menschen Marcel Prousts berühmten Fragebogen unter die Nase halten, man wäre mehr als einmal überrascht, über das, was er antwortet. Nicht Krieg, Zerstörung, Hungersnot – nein – die Beschränkung und Beschneidung der eigenen höchstpersönlichen Freiheit, der geistigen wie der körperlichen,  das wäre für diesen Mann das größte Unglück. Möchte man meinen. Weiß man, wenn man nur einen Tag mit „R.R. Knut” verbringt.
Gnadenlos wach

Während andere noch in die Kissen atmen, hat Ruoss‘ atemloser Start in den Tag schon begonnen. Nicht, dass er einer von der Sorte wäre, die morgens zehn Kilometer um den Block rennen, um danach frisch-fromm-fröhlich-frei in ihre Körner zu beißen; das Ganze geht eher lautlos vonstatten. Ein Morgen im Leben des Rüdiger Ruoss kann auch schon mal um 4.30 Uhr beginnen – eine Zeit, die er genießt, da er seine emsige Dynamik in der ihn umgebenden Ruhe umso effektiver spüren und einsetzen kann.
Wenn bei anderen der Wecker klingelt, hat er einen Großteil seiner Arbeit schon hinter sich gebracht. Sichtbar. Um ihn herum zerknüllte Papierhäufchen – Zeichen für „Vorgang erledigt”. Er thront inmitten der wachsenden Papierberge und scheint eine geradezu sinnliche Freude am Ab-Arbeiten seines Tagwerks zu haben. Gleich einem mittelalterlichen Fürsten, der inbrünstig schmatzend seine abgenagten Knochen hinter sich wirft, wühlt sich R.R. Knut durch Ordner, Zettel, Blätter und Notizen, um sie dann als „abgehakt” fallen zu lassen. Den ersten Anruf tätigt er gegen 7.30 Uhr. Zur Freude zahlreicher Journalisten, die um diese Uhrzeit noch nicht einmal ihren Namen buchstabieren können.
Charmant, aber bestimmt – und vor allen Dingen gnadenlos wach – rattert R.R. sein Anliegen durch die Muschel und nach kurzbündiger Verabschiedung bleibt der Angerufene nicht selten mit dem Gefühl zurück, das alles nur ein wirrer Traum gewesen sein kann. Für Ruoss ist auch dieser Vorgang „erledigt”.
Ein Mann der Tat

Geboren am 12.12.1938 in der schwäbischen Landeshauptstadt, verbringt er seine Kindheit und Jugend in der Hauptsache damit, die perfiden Pläne, sprich Streiche, seiner Freunde in die Tat umzusetzen. Ruoss ist ein Macher. Von Anfang an. Den Lehrern ein Dorn im Auge, ob seiner aufsässigen Art. Zu faul zum Lernen, zu neugierig aufs Leben. Er verlässt die Schule nach der Mittleren Reife, um herauszufinden, wo seine wahre Berufung liegt. Das Angebot, in die Werbeagentur des Vaters einzusteigen, lehnt er ab. Er will seinen eigenen Weg gehen, auch, wenn ihm das sein alter Herr ein Leben lang verübeln wird.
In München lernt er Fotografie, in London the „british way of life”, in Hamburg Werbung. Und bei der bleibt er hängen. Am 1. Juli 1966 gründet Rüdiger Ruoss seine eigene Agentur. Erster Kunde: Dosenbier-Gemeinschaftswerbung für Schmalbach. Zweiter Kunde: Alpirsbacher Klosterbräu. Dritter Kunde: Vitamalz. Ob gewollt oder ungewollt. Ruoss hat seinen Ruf weg. „Der Getränkepapst” wird er bis heute genannt, und es dürfte schlimmere Schicksale geben. 25 Jahre lang führt er die Rüdiger Ruoss & Partner KG erfolgreich durch die Frankfurter Agentur-szene. Klein, aber fein, macht sich das Unternehmen einen Namen durch Kunden wie die Gebrüder Maisel, Gaffel-Kölsch, Diebels-Alt, bizzl und Jim Beam Bourbon. Die Spezialisierung auf Getränke ergibt sich von selbst. Ein Kunde zieht den anderen nach sich. Und alle bleiben.
„Ich bin weitgehend mit mir im Reinen”

Die Fähigkeit, Menschen an sich zu binden, ist ein weiteres Merkmal des R.R. Knut. Er schafft es, indem er ihnen größtmöglichen Freiraum lässt. Eben den Freiraum, der auch ihm so wichtig ist. Mit einer Mischung aus solider Treue und gleichzeitigem Loslassen – nach dem Motto „ich bin da, wenn du mich brauchst” – gibt er seinen Mitmenschen das Gefühl, sich immer wieder aufs Neue für ihn entscheiden zu können. Zeigt sich ein Kunde unzufrieden und meint, mit einem anderen Berater besser beraten zu sein, sagt Ruoss „probier’s aus”. Das Wildern in anderen Gefilden belächelt R.R. mit der ihm angeborenen Souveränität, die ihm seine Feinde als Arroganz auslegen.
Sicher, eine gewisse Überheblichkeit lässt sich nicht leugnen, doch resultiert diese keinesfalls aus einem Dünkel oder der Meinung, besser als alle anderen zu sein. Es ist vielmehr das unerschütterliche Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten sowie das Gefühl, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Einem wie Ruoss nimmt man ab, wenn er sagt, er habe keine Angst vorm Sterben. Weil er lebt. Täglich, stündlich, minütlich. Weil er sich hundertprozentig identifiziert, mit dem, was er tut. Und weil er immer neugierig bleibt, in immer neue Bereiche vordringt und Dinge in Bewegung setzt. Neben Firmengründungen und diversen Mitgliedschaften sind es vor allem die zahlreichen Initiativen, die einem ins Auge springen: Die Deutsche-Braukooperation, der Vitamalz-Verbund, das Scenario 2000, die Bündner-Runde, der Beverage Circle International oder das World Beer & Drinks Forum – all das Szenarien, Verbünde, Vereinigungen, die R.R. Knut ins Leben gerufen hat.
Zurückgehend auf den lateinischen Begriff „initiare”, was soviel heißt wie „den Anfang machen”, meint Initiative den „ersten tätigen Anstoß zu einer Handlung; Entschlusskraft, Unternehmungsgeist”. Und das passt, wie die Faust aufs Auge. Denn an Tatkraft, Vitalität und Pioniergeist ist dieser Mann kaum zu übertreffen.
Das Tempo gibt er an

Natürlich hat diese Dampfwalzenmentalität auch Schattenseiten. Was nicht schnell genug ist, wird platt gemacht. Das ist selbstverständlich nicht wörtlich gemeint. Doch bei Ruoss bleiben einem nur zwei Möglichkeiten: Entweder man arrangiert sich mit der rastlosen Umtriebigkeit dieses Herrn oder man ergreift die Flucht. Entscheidet man sich für die erste Variante und lässt sich auf sein Tempo ein, ist eines garantiert: langweilig ist anders.

So ist es schon ein kleines Erlebnis mit ihm essen zu gehen. Rüdiger Ruoss bringt es fertig, den Nachtisch als Vorspeise beziehungsweise gar keine Vor-, Haupt- oder Nachspeise im herkömmlichen Sinne zu ordern. Dem verdutzten Ober wird folgende Bestellung entgegengebracht: „Ich hätte gerne den Germknödel mit Zwetschgenmus, danach den Palatschinken und zum Nachtisch Rote Grütze.” Das Ganze wird mit charmantestem Lächeln und ohne einen Anflug von Scham übermittelt.
Wenigstens seinem nicht weniger überraschten Gegenüber scheint er eine Erklärung schuldig. Einer von mütterlicher Seite vererbten Schwäche für Süß-, Mehl- und Dickmachspeisen müsse er gelegentlich nachgeben, dafür gibt’s die nächsten Tage nur Wasser und Brot. Eben ein Mann der Extreme. Und so wundert man sich auch gar nicht darüber, wenn er quasi mit der Vorspeise die Rechnung anfordert (das alles, mit dem Hinweis, man solle sich nicht hetzen lassen), um am Ende geradezu fluchtartig das Lokal zu verlassen. Nahrungsaufnahme abgehakt.


Ein Schwabe in der Schweiz

Kehrt man danach in sein kleines Büro in der Reichsgasse 10 zurück – Ruoss am Schreibtisch, man selbst erschöpft im Sessel – wird einem klar, warum es dieser Mann so weit gebracht hat. Offen ist er. Ehrlich bis zum Abwinken. Dabei nie hart oder ungerecht. Unverdorben ist er. Trotz Macht und Ansehen und dem, was man eine erfolgreiche Karriere nennt.
Inmitten der Schweizer Berge hat sich Rüdiger Ruoss seinen Lebenstraum erfüllt. Am 31.12.1991 verkauft er seine Agentur, um fortan als One-man-show seinen Visionen Leben einzuhauchen. Geplant war das nicht, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Doch wieder einmal ist es eine

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in unserer Print-Ausgabe  03/2003