– dann ist die Welt im Wallis in Ordnung
Text und Fotos: Martin Joest
Wenn man bedenkt, dass der zweitwichtigste Bestandteil im Käsefondue direkt nach Käse Wein ist und das schweizer Nationalgericht auch Schweizer Wein enthält, sollte wohl kaum einer in der westlichen Welt auf Schweizer Wein bislang verzichtet haben. Nun sieht die Wirklichkeit kaum so schwarz–weiß aus und die rund 15.000 Hektar Rebfläche der Schweiz haben nur geringen Exportanteil. Dennoch ist die Schweiz ein lebendiges Weinland, dass sich am 6. und 7. September in Sierre im Kanton Wallis auf der Vinea präsentierte.
Im Wallis liegt mit rund 10.000 Hektar Rebfläche ein Drittel der Gesamtrebfläche zusammen mit den anschließenden ebenfalls zur Westschweiz gehörenden Kantonen Waadt und Genf. Dazu gehören Steillagen am Genfer See genauso wie Lagen im Oberwallis, die über 1.150 Meter reichen. Mag es an den unterschiedlichen Weinnachbarn liegen (Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien) oder an der starken regionalen Eigenständigkeit jeder einzelnen Weinbaugegend oder auch an den Sprachen, die in den Kantonen gesprochen werden. Schweizer Weine haben keinen einheitlichen Charakter und ihre Namensgebung lässt sogar deutsche Weingesetzkritiker verstummen. So kommt die Rebsorte Chasselas mal als Chasselas de Genève auf den Tisch oder auch als Fendant (im Wallis). Im Waadtland hingegen werden einfach die Weinorte als universelle Bezeichnung für Rebsorte und Weinstil benutzt. Diese Rebsorte ist mit 35 Prozent die wichtigste und in deutschen Weingärten als Gutedel bekannt. So ist dieses kleine Weinland zumindest als Chasselasproduzent Weltführer. Die weiteren weißen Rebsorten sind Johannisberg (Silvaner), Chardonnay und diverse autochtone Rebsorten wie Ermitage, Heida, Armigne, Petite Arvine oder Humagne Blanche. Wie anderswo sind natürlich auch in der Schweiz die Roten im Vormarsch. Neben den internationalen Sorten Pinot Noir, Gamay und Syrah sind auch einheimische Sorten wie Humagne Rouge, Cornalin, Gamaret oder Garanoir im Anbau. Viele kleine Mikroklimalagen und unterschiedlichste Bodenverhältnisse lassen das Schweizer Weinangebot stil- und sortenmäßig vollends aus den Fugen geraten. Die Vinea, zum zehnten Mal in diesem Jahr veranstaltet, versteht sich als Forum des „Schweizer Weins“ in Mitten der größten Schweizer Weinbauregion mit Beteiligung der anderen Weinbaukantone. So stellte sich speziell das Tessin als Ehrengast der Vinea vor. Auf den Verkostungen in den Veranstaltungsräumen und auf der Straße in Sierre, wo 30 Verkostungszelte aufgebaut waren, trafen sich interessierte Weintrinker, Winzer, Weinkenner und Fachpublikum um sich auszutauschen. Präsentiert haben sich auch die Küfer, die auf der Straße eine mobile Werkstatt eingerichtet hatten und dort ihr Handwerk in jedem Arbeitsschritt vorführten. Bis auf das Zuschneiden der Fassdauben wurde jeder Schritt zur Herstellung eines Barrique-Fasses erklärt und vorgeführt.
Im Rahmen der Vinea ist zum fünften Mal der internationale Wettbewerb Mondial du Pinot Noir durchgeführt worden. Diese fast auf der ganzen Welt angebaute Rebe hat in der Schweiz eine hervorragende Plattform gefunden. Die Beteiligung aus der ganzen Welt und die Fachjury haben zu Prämierungen in Vinea d’Or oder Vinea d’Argent geführt. Die Preisträger aus fünf Kontinenten wurden der Presse vorgestellt und zur Verkostung im Sensorium des Chateau de Villa in Sierre zur Überprüfung der Juryurteile freigegeben. Die Juryschelte hielt sich in Grenzen, aber das Unvermeidliche „ich habe eine andere Meinung“ war auch dabei.
Der Ausblick auf das Konsumverhalten der letzten Jahre, eine entsprechende Studie wurde vorgestellt, hat gezeigt, dass die Schweizer verstärkt zu Weinen aus der Neuen Welt greifen, insbesondere wenn es um Rote geht. Die klassische Sorte Dôle, hergestellt aus Pinot Noir und Gamay im Wallis, wird hauptsächlich in der Altersklasse über 50 Jahren getrunken. So ist aber auch der Preis in der Schweiz relevant geworden. Dem jungen Weinliebhaber sind Preise von 12 SFR die Flasche aufwärts für einheimische Produkte zuviel. Die hohen Produktionskosten für diese Weine, bedingt durch Steillagen, größere Wetterschwankungen zwischen den Jahren und hohe Löhne, sind nicht durch höhere Mengen auffangbar. Die Weinschwemme der 80er hat das Wallis hinter sich gelassen. Die Ausrichtung ist klar qualitätsorientiert. Viele sehen eine behutsame Ausweitung des Exportes als Weg den bröckelnden Inlandsabsatz zu egalisieren.