Glassammelleidenschaft seit 30 Jahren

Erste Container stießen noch auf Unverständnis
von Timur Dosdogru

In Hannover soll es gewesen sein, wo 1973 erstmals das für Glas charakteristische Scheppern und Krachen an einem Altglascontainer zu hören war, welches die Anwohner aufhorchen ließ. Heute gehört der iglu-förmige Glascontainer selbstverständlich zum Straßenbild und die Bundesbürger sind auch im 30. Jahr noch nicht am Ende ihrer Sammelwut angelangt.

In einer Zeit, die geprägt war vom ständigen Wachstum der Müllberge wuchs die Einsicht, dass der unendlich einschmelzbare Rohstoff Glas einfach zu kostbar war, um ihn auf der Müllhalde verschwinden zu lassen. In mehreren Teilen Deutschlands wurde mit dem Glassammeln begonnen und die Transportfirma Rhenus begann mit dem Bau einer eigenen Aufbereitungsanlage – nach der Idee vom damaligen Verkaufsdirektor der Glasfabrik H. Heye in Obernkirchen, Heinz Knoche. Dieser hatte seine Rhenus-Geschäftspartner erfolgreich auf Glasrecycling eingeschworen.

Im Allgäu, genauer gesagt in Bad Wurzach hatten Wintersportler, Bürger und Vereine schon in den 60er Jahren mit dem Einsammeln von alten Flaschen begonnen und tonnenweise zur Oberland Glas GmbH gebracht, die ihrerseits 40 Mark pro Tonne Altglas bezahlte. Doch irgendwann wollte der Chef die riesigen Scherbenhaufen auf seinem Firmengelände nicht mehr sehen. Schließlich kam man bei der Schmelze auf einen Scherbenanteil von bis zu 70 Prozent und der Hof war wieder leer. Dafür hatte der Oberland-Chef nun das Problem, dass die Schmelzwannen wieder neue Scherben benötigten. Diesen Bedarf deckten dann Gemeinde und Landkreise, welche die ersten Container aufstellten. Nicht überall stieß das Sammeln von Glas auf Begeisterung, im München der 70er Jahre schien es so, als weigerten sich die Bürger regelrecht, ihr Altglas zum Container zu bringen, trotz Zuckerbrot und Peitsche seitens der Stadtverwaltung. Bis heute sind nach wie vor die Großstädter eher Sammel-Muffel, vor allem Hamburg und Berlin liegen mit 21,6 Kilo Altglas pro Einwohner, beziehungsweise 25,1 Kilo bundesweit auf den letzten beiden Sammel-Plätzen.

Dies tut aber dem Gesamterfolg des Recyclings keinen Abbruch, im vergangenen Jahr betrug die Recyclingquote 89,7 Prozent, was im europäischen und auch im Vorjahresvergleich der Rekord ist. Das ist alles schön und gut, aber im Grunde genommen ein alter Hut, wie man mittlerweile weiß. Anhand eines alten Schiffswracks vor der südtürkischen Küste, wissen die Forscher heute, dass schon vor mindestens tausend Jahren tonnenweise Glasscherben über die Meere geschippert wurden.

Auch andere Funde aus dem Mittelalter belegen dies, weshalb man heute davon ausgeht, dass auch schon die alten Römer Glasrecycling betrieben haben. Denn der Einsatz von Altglas reduziert den Energiebedarf beträchtlich, weil der Schmelzpunkt hierbei niedriger liegt. Bei einem Altglasanteil von 80 Prozent werden schon 24 Prozent weniger Energie benötigt, als bei einer Schmelze mit 15 Prozent Altglas. Ob die alten Römer allerdings auch mit Pralinen auf die Straße gehen mussten, um die Bürger fürs Recycling zu gewinnen, darf allerdings bezweifelt werden, aber genau dies taten vor 30 Jahren noch die Mitarbeiter der Firma Rhenus, um die skeptischen Anwohner zur Nutzung der Altglas-container aufzufordern.

Zu dieser Zeit betrug die Verwertungsquote von Altglas bei der Produktion neuer Verpackungen gerade mal sechs Prozent oder 150.000 Tonnen. Mittlerweile gibt es in Deutschland über 300.000 Glascontainer, 1997 wurden in Deutschland 3,125 Millionen Tonnen Behälterglas aus Haushaltungen gesammelt, bei einer Recyclingquote von 78,9 Prozent. Und diese lag im vergangenen Jahr bei stolzen 89,7 Prozent.

Bereits 1978 wurde das Glasrecycling mit dem „Blauen Umweltengel“ ausgezeichnet und diente damit als Vorbild für die Verpackungsverordnung und das darauf basierende Duale System (DSD). Die speziell entwickelten Container ermöglichen die Getrennthaltung nach Grün-, Weiß- und Braunglas. In einer Aufbereitungsanlage wird das Altglas zunächst von Verunreinigungen und Fremdstoffen befreit, in eine für die Schmelze geeignete Korngröße gebrochen und auch Nicht-Eisen-Metalle von Verschlüssen entfernt. Anschließend erkennen Hightech-Maschinen fast alle Teile aus Keramik, Steingut oder Porzellan und stoßen sie per Druckluftimpuls aus. Im übrigen wirkt sich das Glasrecycling auf die Umweltbilanz gleich mehrfach positiv aus: 500 Gramm Altglas sparen soviel Energie, die nötig ist, um eine 60-Watt-Glühbirne zweieinhalb Stunden zum Leuchten zu bringen, teilt das Aktionsforum Glasverpack-ung in Ravensburg mit, welches auch darauf hinweist, dass diese Angaben auf Auswertungen des Dualen Systems beruhen.

Insgesamt seien durch das Recycling gegenüber der Neuproduktion 67,5 Milliarden Megajoule Primärenergie eingespart worden – eine enorme Bedeutung für den Klimaschutz: 2,5 Millionen Tonnen recyceltes Glas schlug im vergangenen Jahr mit 915.000 Tonnen CO2-Äquivalenten bei der Verminderung der Treibhausgase zu Buche. Der Grüne Punkt habe somit im letzten Jahr 1,5 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase eingespart.

Den Betreibern von Aufbereitungsanlagen steht aber noch Ärger ins Haus: Sie blicken besorgt auf die neue Pfandverordnung, nach welcher die Farbsortierung des Leergutes nun beim Handel liegt. Und selbst bei bestem Willen der Händler sei dann abzusehen, dass aus Zeit und Platzgründen ein gewaltiger Berg an Mischglas auf die Recyclingfirmen zukomme, heißt es. Denn auch die ausgefeilteste Technik erreicht bei der Sortierung immer kleinerer Bruchstücke nach Farben ab einem bestimmten Prozentsatz ihre Grenzen. Die Folge: die Kosten würden gewaltig steigen. Eine weitere unsinnige Folge eines unsinnigen Gesetzes.