Düsseldorf 2003: Nabel der Reben-Welt Gelungener 10. Geburtstag der ProWein

Weiter steigendes Besucheraufkommen aus dem Ausland

Text und Fotos: Timur Dosdogru, Martin Joest

Vor allem auch die Fachbesucher aus dem Ausland haben die diesjährige ProWein in Düsseldorf weiter geadelt und ihr somit zum zehnjährigen Jubiläum einen rundum würdigen Geburtstag beschert. Über 28.000 Fachbesucher aus 27 Ländern hatten sich vom 23. bis 25. März auf den Weg in die Rheinmetropole gemacht, drei Prozent mehr als im Vorjahr – auch sehr zur Freude der rund 2800 Aussteller aus 41 Ländern, die nahezu die gesamte Wein- und Spirituosenwelt repräsentierten.

Dass der Anteil der ausländischen Besucher auch noch einmal zulegen konnte, bezeichnet die Messe Düsseldorf GmbH als eines der wesentlichen Ziele, welches man nun erreicht habe – 4500 Besucher kamen aus Europa, Asien, Nord-, Süd- und Mittelamerika sowie aus Afrika. Auch die journalistische Zunft hatte ihren großen Termin: über 750 Medienvertreter aus 23 Ländern der internationalen Fachpresse sowie der aktuellen Medien drängten sich auf dem Messegelände bei zahlreichen Veranstaltungen.
Irak-Krieg kein Thema

Dem tat auch der kurz vor Messebeginn begonnene Krieg gegen den Irak keinen Abbruch, wie es vorher so mancher erwartet hatte. Allerdings waren am Sonntag die Hallen noch relativ leer, was sich aber am zweiten Tag traditionsgemäß ändern sollte. Großen Unmut verursachte allerdings die Tatsache, dass zeitgleich an diesem Wochenende auch die Internorga in Hamburg stattfand, wie es schon einmal vor zwei Jahren der Fall gewesen war.
Für das kommende Jahr hat die Messeleitung allerdings reagiert und die ProWein auf Ende Februar vorverlegt, um dieser Terminüberschneidung endlich ein Ende zu bereiten. Vor allem auch für die zahlreichen Journalisten dürfte dies eine große Erleichterung bedeuten, müssen doch viele aus der Getränkebranche beide Messen besuchen.
Messe-Missbrauch:
Pressekonferenzen

Einig waren sich Medienvertreter allerdings weitgehend mit der weiter um sich greifenden Unsitte, Messen als Plattformen für Pressekonferenzen zu nutzen. So hatte man so gut wie jede Stunde mindestens einen solcher Termine, was den allgemeinen Entdeckungsmöglichkeiten im Messegeschehen nur abträglich sein kann (allerdings nicht nur auf der ProWein, worüber die Produzenten oder Importeure einmal ernsthaft nachdenken sollten – die Red.).
Problematisch auch, dass gerade bei ausländischen Weltunternehmen nicht wenige Entscheidungsträger und deren PR-Leute nur einen Tag lang die Messe besuchten und dann wieder abreisten. Auch jeweils zum Nachmittag und Abend zeigte sich: so viele so genannte „Get together“-Termine hatte es auf der ProWein noch nie gegeben.
Das ProWein-Event:
Weißweinparty „Große Weiße Welt“

Als absoluter Renner erwies sich wieder die zum vierten Mal stattfindenden Weißweinparty „Große Weiße Welt“ der Deutschen Sommelier-Union und des Wirtschaftsministeriums des Landes Rheinland-Pfalz.
Wie im Vorjahr war die Location die Diskothek „Altes Kesselhaus“ mit weit über 1000 Gästen. Zeichnete sich diese Veranstaltung bereits in vergangenen Jahren bereits durch eine sprichwörtliche „Wahnsinns-Stimmung“ aus, wurde dieses Jahr noch eins draufgesetzt. Schon am frühen Abend  bis in die frühen Morgenstunden tanzte das überwiegend junge Volk schweißgebadet und von erlesenen Weinen und Speisen beflügelt zu fetzigen Rock- und Pop-Rhythmen – auch schon mal auf den Stehtischen, bis zur Erschöpfung. Hier zeichnet sich seit den letzten Jahren ein eindeutiger Trend ab: raus aus den miefigen Messehallen, ab zur Party und weg mit dem Schlips, abtanzen. Die Location ist mittlerweile gelernt und verinnerlicht, die Partystimmung beginnt immer früher.
Weinexperten und solche,
die sich dafür halten…

Mit der weiter gestiegenen Kompetenz der Fachbesucher und dem international qualifizierten Angebot zeigten sich auch die Aussteller wieder besonders zufrieden. Da musste man halt auch darüber hinwegsehen, dass sich Vertreter des Fernsehens als echte Scherzkekse mal wieder einen Jux machten und einzelne Fachbesucher (oder solche, die sich dafür hielten) irgendwelche Billigweine vor laufender Kamera verkosten ließen, welche von den Probanden als besonders scheußlich empfunden wurden. Sogar Tütenweine sollen dabei gewesen sein. Perfiderweise gab es dann dieselben Weine nochmal, diesmal allerdings als hochwertig und teuer ausgelobt, in entsprechender Flaschenausstattung. Ergebnis der selbst ernannten Experten: hervorragend, da merke man doch gleich den Unterschied, so das Lob.  Umso größer war anschließend die Scham, als der Schwindel aufgedeckt wurde (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten). Viele Aussteller konnten bereits am Abend des zweiten Messetages allerdings von sehr guten Geschäftsabschlüssen und einem viel versprechenden Nachmessegeschäft berichten. Einige beklagten sich über die unzureichenden Verpflegungsmöglichkeiten für Aussteller, für einen simplen Kaffee mussten einige an den entsprechenden Stellen ein halbe bis dreiviertel Stunde Schlange stehen.
Erfolg für die Deutsche Weinwirtschaft

Für die deutsche Weinwirtschaft sei allerdings die Messe sehr erfolgreich gewesen, berichtet der Geschäftsführer des Deutschen Weininstitutes (DWI), Armin Göring. Der Zuspruch bei den deutschen Winzern in den Hallen 4 und 5 sei außergewöhnlich hoch gewesen, heißt es. „Die Messe war ein Spiegelbild des positiven Weinkonsumklimas in Deutschland sowie des Imagegewinns der deutschen Produkte“, so der DWI-Chef weiter. Von Ausstellerseite gab es die eine oder andere Überraschung: verwundert rieb sich zum Beispiel die Augen, wer im Ausstellerkatalog die Standnummer der Henkell & Söhnlein Sektkellereien KG suchte: nicht vertreten. Dies sei aber, so ließen die Wiesbadener in Hintergrundgesprächen wissen, aber keine generelle Absage an den Messestandort Düsseldorf, man wolle einfach nur mal andere Wege ausprobieren.
Dafür gab es auch neue „Gesichter“, wie beispielsweise die MaxXium Deutschland GmbH, die sich unter den übrigen Granden der Spirituosenindustrie und -importeure erstmals mit einem großen Stand in Halle 7 eingereiht hatte. Ein wenig Schwund war hingegen sogar am Gemeinschaftsstand des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) zu verzeichnen. So erklärte ein renommierter Moselwinzer, er sehe kostenmäßig keinen Sinn mehr in einer Standbeteiligung, seine Kunden finde er sowieso hier, egal ob mit Stand oder ohne.
Auch einige andere hatten in diesem Jahr so gedacht, dies aber wiederum zur Freude anderer VDP-Mitglieder, die sich den Stand deshalb nicht mehr mit anderen teilen mussten. Den VDP-Standveranstaltungen und -verkostungen tat dies allerdings keinen Abbruch: dicht gedrängtes Publikum, kaum ein Durchkommen, wie jedes Jahr.
Handelsorganisationen mit
Resonanz zufrieden

Die großen Dachorganisationen der ausländischen Handelskammern wie die italienische ICE oder die französische Sopexa mit jeweils mehreren hundert Ausstellern waren über den regen Zuspruch hoch erfreut – trotz der wirtschaftlich und politisch schwierigen Rahmenbedingungen.
Die größten Ausstellernationen in Folge waren diesmal Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und Österreich. Hier sei allerdings anzumerken, dass bei den ausländischen Handelsorganisationen prinzipiell mehr passieren könnte, Neues oder Erwähnenswertes war hier – wie jedes Jahr kaum auszumachen. Warum die Verantwortlichen nicht beispielsweise Verkostungen oder sonstige Veranstaltungen mit bestimmten Themenschwerpunkten anbieten, wie es bereits einzelne ausländische Weinbaugebiete tun, um die „Steh-am-Stand-und-warte-ab“-Tristesse aufzulockern, bleibt deren Geheimnis.
Côtes-de-Bourg-Verkostung
gibt nachahmenswertes Beispiel

Eine rühmliche Ausnahme war hierbei beispielsweise eine speisenbezogene Verkostung, wie sie von den Winzern des Weinbaugebietes Côtes de Bourg angeboten wurde. Ergebnis: ein rappelvoller Messestand. Bordeaux ist nicht nur Pauillac und Margaux, auf der anderen Flussseite der Gironde gibt es die A.O.C. Côtes de Bourg. In einer vergnüglichen Reise durch die Wein- und Speisenwelt der  unbekannten A.O.C des Bordeaux wurden einer nicht auf den Messestand passenden Menge die Spezialitäten der Côtes de Bourg durch Reiseleiter Hendrik Thoma näher gebracht. Während die berühmten Nachbarn für die hochpreisigen Solitäre zuständig sind, verstehen sich die Produzenten von Côtes de Bourg als Erzeuger von Speise- und Lebensbegleitern, die auch bezahlbar sind.
So machen die Winzer der rechten Gironde-Seite, begünstigt durch den wärmenden Puffer der Gironde gegen den kühlen Atlantikeinfluss, gehaltvolle Weine, die mit Speisen erst ihre Stärke entfalten. Für die Häppchen zum Wein zeichnete die Küche der Christina Fischer, Kochduellkollegin von Hendrik Thoma, verantwortlich.
Weine der „Neuen Welt“
im Aufwind

Im Fokus des Interesses standen aber auch zunehmend  die Weine der „Neuen Welt“, beispielsweise Argentinien, Australien, Brasilien, Chile, Kanada, Mexiko, Südafrika und USA, aber auch osteuropäische Länder, wie Armenien, Bulgarien, Georgien, Kroatien, Lettland, Makedonien, Moldawien, Rumänien, Russland, Slowenien, Slowakische Republik und Ungarn.
Hier hat sich auch – wie in den übrigen Jahren – viel in Sachen Wein getan. Gerade einige der osteuropäischen Produzenten machen auf der ProWein mittlerweile quasi ihr Jahresgeschäft. Mit diesen Nationen wird in den nächsten Jahren noch stark zu rechnen sein.
Raritäten aus Kalifornien

Die Kalifornier sind auch dieses Jahr zahlreich mit eigenen Ständen, aber auch durch viele Importeure vertreten gewesen. Und in dieser Region der Welt ist ebenfalls der Trend zu Differenzierung, Qualitätssteigerung und  Sicherung der Ressourcen durch ökologischen Landbau weiterhin anhaltend. So präsentierte Fetzer besonders seine Marke Bonterra Vineyards. Bonterra-Weine bekommen einen, auch im kaliforischen Umfeld, besonderen Aufwand mit auf den ökologischen Weg in die Flasche.
Das Weglassen von Herbiziden, Fungiziden und künstlichen Düngemitteln ist sicherlich zu erwarten, aber eine Dauerbegrünung mit Nutzpflanzen für Stickstoffeintrag in den Boden und als Habitat für Insekten schon weniger. So sind nach Fasslagerung in Fässern aus der hauseigenen Küferei Maßnahmen wie Abfüllung in Flaschen aus Recycling Glas, Korksiegel aus Bienenwachs und Etiketten aus Kenaf-Fruchtfaser bedruckt mit Sojabohnenextrakt. Diese Vorgehensweise des Anbaus entspricht der eines ökologischen Gartens. Einen solchen wird Bonterra Vineyards auf der Chelsea Fower Show in London im Mai dieses Jahres  unter dem Namen The Bonterra Organic Wine Garden vorstellen. Einen ganz anderen Ansatz vertreten  die Zinfandel Advocates & Producers, ein Zusammenschluss aus Winzern, die der historischen Rebsorte Zinfandel in Kalifornien mehr zutrauen als den Allerweltssorten Merlot und Cabernet Sauvignon. Selbstverständlich sind viele ZAP-Mitglieder ebenfalls ökologisch orientiert, doch liegt ihnen die Qualität noch mehr am Herzen. Wer glaubt, diese Highend-Weine im Supermarktregal zu finden, ist schief gewickelt. Für diese Zinfandel der Ausnahmeklasse gibt es fast gar keine Importeure, eher Liebhaberimporte dieser 40-Euro-Raritäten.
Einer von den Großen in der Weinwelt, E. & J. Gallo Winery, ebenfalls ZAP-Mitglied, braucht nicht so sehr das Prestige aus solchen Ausnahmeprojekten als den Absatz der eingeführten Marken. Und genau hier überraschte Gallo mit einer Änderung der umsatzstärksten Weinmarke im deutschen LEH, aus Wine Cellars wird Sierra Valley. Investitionen in der Höhe von 22 Millionen Dollar in die Kellertechnik sollen den Wechsel auch im Glas bemerkbar machen. Die Qualitätsoffensive und Markeneinführung wird von einer Kampagne in siebenstelliger Höhe unterstützt.
Weinkonsum in
Deutschland weiter gestiegen

Die aktuelle Trinkweinbilanz des Deutschen Weinbauverbandes kommt zu dem Schluss, dass der Weindurst der Deutschen immer größer wird. Danach betrug der Pro-Kopf-Verbrauch von August 2001 bis Juli 2002 (Wein und Schaumwein) 24,3 Liter, etwa ein halber Liter mehr im Gegensatz zum Vorjahresvergleichszeitraum. Der Verbrauch verteilt sich auf neun Liter inländische Stillweine, 11,3 Prozent ausländische Stillweine und vier Liter Schaumweine. Insgesamt habe der deutsche Weinmarkt das Nachfragevolumen von 20 Millionen Hektoliter überschritten, heißt es.
Von einer insgesamt freundlichen Konsumwetterlage – zumindest beim Weinkonsum – berichtet das DWI für das Jahr 2002. Von 17.000 durch die GfK befragten Haushalte haben knapp 70 Prozent im vergangenen Jahr Wein eingekauft. Die Einkaufsfrequenz nahm dabei leicht zu, auch die Käuferreichweite stieg um ein Prozent. Die seit Jahren stets ansteigenden Ausgaben für Wein legten um 0,9 Prozent auf einen Anteil von 33,3 Prozent zu. Unter den alkoholischen Getränken waren Bier mit -0,2, Spirituosen mit -0,8 und Sekt mit -0,5 Prozent leicht rückläufig.
Ausländische Weine gewinnen auf Kosten
des Erlöses an Menge

Wein werde im Zuge der Wellness-Welle immer als Zeichen guter Lebensart angesehen, heißt es. Es lasse sich feststellen, dass die Deutschen mehr genössen und dabei preisbewusster geworden seien, so das DWI. So erhöhte sich im vergangenen Jahr mit insgesamt 3,47 Milliarden Euro und 11,4 Millionen Hektoliter Wein der Wert der Weine für den privaten Konsum um ein Prozent und die Menge um zwei Prozent. Dafür ging der Durchschnittspreis für ausländische Weine jedoch von 3,10 auf 2,94 Euro pro Flasche zurück.
Zwar konnten die größten Weinimporteure Italien und Frankreich ihre Marktanteile halten, jedoch auf Kosten des erzielten Erlöses. Im Falle Italiens bedeutete dies Preisnachlässe von rund elf Prozent pro Liter (2,71 Euro), bei einem Mengenplus von drei Prozent und einem Marktanteil von rund 13 Prozent an der gekauften Weinmenge. Frankreich als größter Importeur gab sieben Prozent im Preis pro Liter (2,71 Euro) nach und kam damit auf eine Mengensteigerung von einem Prozent (15,9 Prozent Mengenmarktanteil).
Deutscher Wein verlor im vergangenen Jahr 2,5 Prozent Marktanteil, blieb aber mit 45,3 Prozent an den verkauften Weinmengen mit großem Abstand Marktführer. Der Verlust erklärt sich vor allem dadurch, dass die verfügbare Menge deutschen Weines ausgelastet ist und dass folgerichtig bei einem weiteren Wachstum des Weinmarktes in Deutschland der Anteil deutschen Weines im Markt sinkt. Somit gab der Verbraucher für einen Liter deutschen Weines rund 3,36 Euro aus, ein Prozent mehr als im Vorjahr, das heißt: ausländische Weine haben zwar an Menge gewonnen, dafür haben deutsche Weine eine wertmäßigen Zuwachs erfahren. Insbesondere ein deutscher Rotwein erzielte einen Durchschnittspreis von 4,02 Euro pro Liter, ein Preisabstand von stolzen 1,27 Euro zu seinen ausländischen Mitbewerbern.
Weißwein schafft Trendwende

Erstmals ist auch der Weißweinkauf nicht mehr rückläufig gewesen, hier sieht das DWI eine Trendwende. Der Weißweinkonsum stabilisierte sich bei 41,2 Prozent in 2002 und auch die Rotwein-Steigerungsrate wuchs mit 0,5 Prozent weniger stark als im Vorjahr, bei einem Mengenanteil von 51,1 Prozent. In den vergangenen Jahren war der Rotweinkonsum noch um bis zu drei oder 2,2 Prozent gestiegen. Und: die Deutschen kaufen ihren Wein immer öfter im Discounter, insgesamt 43 Prozent aller Weine gehen dort über den Tisch.
Discounter beim
Weinabsatz immer stärker

Allein Aldi hat mittlerweile einen Marktanteil von stolzen 22 Prozent erreicht. Zusammen mit den Verbrauchermärkten (22 Prozent) und dem traditionellen LEH (sieben Prozent) wurden fast drei Viertel aller Weine über den Lebensmittelhandel verkauft, in den neuen Bundesländern sogar 90 Prozent.
Im Fachhandel lag der Vertrieb im Westen wie im Osten bei fünf Prozent, war allerdings dort mit einem Prozent im vergangenen Jahr leicht rückläufig. Die größte Rolle für deutschen Wein spielt immer noch der Direktvertrieb. 2002 haben die Verbraucher 36,9 Prozent ihrer Weine direkt bei Winzern oder Genossenschaften bezogen.

Die vollständige Redaktion finden Sie
in unserer Print-Ausgabe  05/2003