Die Apfelweinkönigin

Tamara Dragus im Gespräch … Dr. Johanna Höhl

von Tamara Dragus

Als „Eva vom Maintal“ herrscht Dr. Johanna Höhl seit über 15 Jahren über die göttliche Frucht und deren einzig wahre Daseinsberechtigung – den Apfelwein. Seit Juni 2002 leitet sie die Landkelterei Höhl als Hauptgeschäftsführerin und hat sich ihrem „Stöffche“ mit Leib und Seele verschrieben. Mit einem Jahresumsatz von rund 13 Millionen Euro ist das traditionsreiche Familienunternehmen bereits seit 1973 Marktführer seiner Branche. Deutschlands größte und älteste Apfelweinkelterei liegt im Herzen von Hochstadt, einem lauschigen Örtchen vor den Toren Mainhattans.

Nicht nur den Brauern geht es schlecht, auch der „Ebbelwei“, Hessens Nationalgetränk Nummer eins, hat schon bessere Zeiten gesehen. „Die Umsatzzahlen sind in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Aber ich bin mir ganz sicher – der Apfelwein wird wieder kommen!“, spricht‘s, strahlt und erhebt ihr Glas, so, als würde sie sich selbst zuprosten. Da ist sie wieder, diese Mischung aus stoischer Gelassenheit und unerschütterlichem Optimismus. Johanna Höhl lebt ihren Glauben an die Wichtig- und Richtigkeit aller Dinge und sieht jede Begebenheit als persönliche Herausforderung. „Nichts was geschieht, geschieht zufällig.“ Das hat man schon mal irgendwo gehört, aber ihr nimmt man es wirklich ab, diese Überzeugung von der Notwendigkeit allen Geschehens, vor allem dann, wenn man weiß, dass auch Sonntagskinder wie sie vom Schicksal nicht verschont bleiben.

Ihren ersten Mann verliert sie bei einem Autounfall. „Da musste ich lernen, was loslassen heißt.“ In ihrem individuellen Lernprozess wendet sie sich der alternativen Medizin zu und entdeckt die heilsame Wirkung der Meditation. Seit dieser Zeit vergeht kein Tag, an dem sie sich nicht für ein paar Minuten aus der Welt klinkt, um zu ihrer eigenen Mitte zu finden. Einmal im Jahr geht‘s in Klausur. Schweigen, fasten, meditieren. „Da sammle ich Kraft für das ganze Jahr.“

Nicht nur Apfel in der Birne

Glaubt man an eine Art schicksalhafte Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, so ist Frau Doktors Karma zweifelsohne paradiesischer Natur. Als älteste von drei Geschwistern (der Höhl‘schen Tradition folgend natürlich alle weiblichen Geschlechts), zieht es sie nach erfolgreichem Schulabschluss in bajuwarische Gefilde. Seitens ihres Angetrauten braucht es nur wenig Überredungskunst, um sie von der Sinnlosigkeit eines Psychologiestudiums zu überzeugen. Ihr späterer Mann erkennt schon damals das Unternehmerpotenzial, das in Johanna schlummert und führt sie so auf den richtigen Weg.

Das Betriebswirtschaftsstudium meistert sie mit Bravour und erntet für ihre Doktorarbeit sogar den ersten Preis des Markenartiklerverbandes, überreicht durch den damaligen Ministerpräsidenten persönlich. Dass sie Franz Josef die Hand schütteln durfte, erzählt sie nicht ohne Stolz, aber der ist in diesem Falle auch berechtigt. Nach Heirat und Babypause steigt sie 1988 als kaufmännische Leiterin in den 1779 gegründeten Familienbetrieb ein. An der Seite ihres Vaters, der sich erst im letzten Jahr aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen hat, lernt sie das Unternehmertum von der Pike auf und übernimmt Tag für Tag mehr Verantwortung. Generationsbedingte Kompetenzstreitigkeiten bleiben aus, nicht zuletzt, weil Johanna eigentlich immer schon ein braves Mädchen war („Ich habe nie rebelliert“), das den elterlichen Zorn lediglich durch ihre ungezügelte Leidenschaft für frisches Backwerk heraufbeschwor.

Ihre Gutmütigkeit scheint auch heute noch grenzenlos, doch resultiert sie nicht aus weiblicher Harmoniesucht, sondern aus der tiefen Überzeugung, dass sich die Dinge mit Ruhe und Gelassenheit besser regeln lassen. Verbalen Attacken begegnet sie mit einem Lächeln, ihren Feinden schickt sie Licht und Liebe. Von esoterischer Versponnenheit ist Johanna Höhl jedoch meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Sie steht mit beiden Beinen fest im Leben und hat etwas herzerfrischend Bodenständiges an sich, das ihr Wärme und Klarheit verleiht.
Schön, schlank und schlau

Ihre Liebe zum Apfel war vom ersten Tag an ungebrochen. Johannas Mission ist es, die sagenhafte Frucht unters Volk zu bringen. Natürlich nur in der einen, der einzig wahren Form: dem goldgelben „Ebbelwoi“. Laut Aussage von Frau Doktor gibt es eigentlich nichts, was dem regelmäßigen Konsum dieses ursprünglichen Getränkes entgegensteht.

Apfelwein regt den Stoffwechsel an, ist kalorienarm und fördert die Konzentration (natürlich nur in moderaten Mengen genossen!) – kurzum: Apfelwein macht schön, schlank und schlau. Da empfindet man es fast als Schmach, nicht in hessischen Gefilden zu weilen, um regelmäßig diesem flüssigen Jungbrunnen frönen zu können. Johanna Höhl sprudelt – sprudelt vor Ideen rund ums knackige Rund. „Ich denke eigentlich 24 Stunden an den Apfelwein.“ Das mag vielleicht ein bisschen übertrieben sein, aber etwas ist dran. Schon wenige Minuten nach Ankunft in ihrem Büro, kredenzt sie einem ihre neueste Kreation, den Herrschafts-G’spritzten.

Das 100 Jahre alte Rezept dieses Apfelwein-Sekts hat sie anlässlich der Goldenen Hochzeit ihrer Eltern wieder entdeckt und – ganz Frau der Tat – sofort in eine clevere Produktidee umgemünzt. In Eigenregie entwickelt sie POMP. Flasche, Etikett und Glas gestaltet sie selbst und ihre Augen strahlen ob dieser wirklich gelungenen Umsetzung einer spritzigen Idee. Unter dem Motto Höhl dir ein bisschen POMP ins Leben, hat sie sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer regionalen Spezialität internationalen Marken Konkurrenz zu machen und man ist davon überzeugt, dass sie es schafft. Ihr Networking funktioniert perfekt,

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe  04/2003