von Timur Dosdogru
Unter den Fruchtsäften ist der Apfelsaft schon seit jeher das beliebteste Getränk der Deutschen. Und gerade die haben zum Apfel eine besondere Beziehung, welche zum Teil auf uralte Zeiten zurückgeht, in der Apfel schon in Mythen und Märchen eine tragende Rolle spielte.
Der Apfel war schon immer ein tragendes Symbol für Liebe, Fruchtbarkeit, Jugendkraft und Schönheit – aber gerade deswegen auch für Sünde und Verführung, wie spätestens seit der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies bekannt ist. Und Schneewittchen wurde erst wieder lebendig, nachdem es den vergifteten Apfel ausgespuckt hatte, zu dessen Genuss die böse Stiefmutter verführt hatte.
Zudem sind auch viele Sprichwörter mit dem Apfel verbunden: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ (oder auch vom Pferd = „Pferdeapfel“), „In den sauren Apfel beißen“. Wortschöpfungen wie „Zankapfel“, anatomische Bezeichnungen wie „Augapfel“, „Adamsapfel“ fallen darunter oder auch der „Reichsapfel“, der als Machtsymbol neben Zepter und Hermelinmantel zur Kaiser- oder Königswürde gehörte.
Der Apfel – als so genannte Scheinfrucht den Rosengewächsen zugehörig – spielte vor allem im mittelalterlichen Deutschland eine besondere Rolle, verbunden oft auch mit viel volkstümlichen Aberglauben. Der Apfelbaum habe heilende Zauberkräfte, hieß es, und heile alle möglichen Krankheiten, wenn der Kranke dem Baum sein Leid klagte. Und dies am besten noch in der Osternacht, vor Sonnenaufgang oder bei abnehmendem Mond. Schwangeren verhalf der Apfel angeblich zu kräftigem Nachwuchs, das Wort der Apfelbäck-chen kommt von dem Brauch, dem Nachwuchs einen Apfel nach der Geburt zu schenken. Und diejenigen, die mit einem Apfel bewaffnet zur Erstkommunion in die Kirche gingen und diesen nach der Zeremonie verzehrten, sollten der Legende nach ein Leben lang von Zahnschmerzen verschont bleiben. Und bis heute ist auch nicht nicht wissenschaftlich erforscht, ob – und wenn, warum – ein von oben nach unten geschälter Apfel gegen Durchfall hilft und der in die andere Richtung geschälte Erbrechen verursacht. Nicht ganz ernst zu nehmen ist auch die These, nach der ein Apfel vor dem Schlafengehen „gegen unkeusche Anfechtungen gefeit macht“.
Allerdings weiß heute durch wissenschaftliche Aufklärung so ziemlich jeder, dass frisches Obst, wie auch der Genuss von Äpfeln zahlreiche Krankheiten vermindern kann – auch wenn Apfelverzehr nicht Schwindsucht, Gicht, Zahnschmerzen und sonstige Wehwehchen heilen kann. Nach modernen Methoden hergestellter, 100-prozentiger Apfelsaft enthält dieselbe ausgewogene Mischung wie frische Äpfel. Mineralstoffe wie Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen gehören ebenso dazu wie die Vitamine C und B sowie Kohlenhydrate (Trauben- und Fruchtzucker). Rund 60 Prozent der gesamten Obsternte in Deutschland entfallen auf die Apfelernte, rund 450 Firmen mit etwa 6500 Mitarbeitern haben sich der Apfelsaftherstellung verschrieben, die jährlich rund eine Milliarde Liter ausmacht. Für einen Liter Saft braucht man ungefähr eineinhalb Kilo Äpfel. Geerntet wird je nach Witterung, Anfang September, was die Saftpressen noch bis etwa Anfang Dezember rotieren lässt. Auch im Jahr 2002 hat der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen an Fruchtsaft die 40-Liter-Grenze nicht unterschritten, davon entfallen rund zwölf Liter auf Apfelsaft. Trotzdem ist das Geschäftsjahr für die Unternehmen der deutschen Fruchtsaftindustrie nicht zufrieden stellend verlaufen.
Im Inland spricht der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e. V. (VdF), Bonn, gar von Stagnation, beziehungsweise leichtem Rück-gang. Im Export sei jedoch ein Plus zu verzeichnen. Von einem wertmäßigen Zuwachs von 1,5 Prozent und einem mengenmäßigen Zuwachs von einem Prozent ist die Rede. Dem Apfelsaft folgten dabei Orangensaft, die Fruchtsaftschorlen (auch hier wieder Apfelsaft als klarer Favorit), ACE-Produkte, Wellnessgetränke und andere neue Getränke auf Fruchtsaftbasis. Für Deutschland und die wichtigen Apfel-Lieferländer Europas war 2002 allerdings wieder ein schwaches Apfeljahr. Zu den ohnehin schon schwierigen betriebswirtschaftlichen Entwicklungen hat vor allem auch der wieder hohe Mostapfelpreis (9,67 Euro pro 100 Kilogramm) zusätzliche Probleme gebracht.
Den Preisdruck haben auch die rund 200 deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumweinhersteller zu spüren bekommen, wie deren Verband meldet. Der Branchenumsatz ging 2002 im Vergleich zum Vorjahr von rund 84 auf 78 Millionen Euro zurück. Etwa 101 Millionen Liter Apfel- und Birnenwein, Fruchtwein, Fruchtschaumwein und fruchtweinhaltige Getränke wurden 2002 in der Bundesrepublik in Eigenkelterung hergestellt (Vorjahr: 104,5), davon entfielen rund 71 Millionen Liter auf Apfel- und Birnenwein. Beim Apfelwein ist Hessen nach wie vor das Hauptabsatzgebiet, wo der Pro-Kopf-Verbrauch durchschnittlich bei zehn Liter liegt, zehnmal mehr als im Bundesdurchschnitt.
Rund 25 Prozent der in Deutschland konsumierten Apfelsaftmenge wird in Baden-Württemberg produziert. 50 Prozent kommt als Konzentrat aus anderen Ländern, vor allem aus Polen, Tschechien und China. Deswegen wehrt man sich vor allem in Baden-Württemberg gegen billige Importsäfte. Dort haben sich im Rahmen der Kampagne „Lust auf Apfelsaft“ der Fachgruppe Apfelsaft des Verbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (VdAW) e. V. 15 Hersteller zusammengetan, um sich für Apfelsaft aus Baden-Württemberg stark zu machen. Die Kampagne wurde im Mai vorgestellt, kostet 30.000 Euro und wird zudem von der MBW Marketinggesellschaft und der CMA Deutschland getragen. Basis der Produktion im „Ländle“ sind rund 11,4 Millionen Streuobstbäume, die rund 90 Prozent der gesamten Apfelsaftproduktion liefern und von 120 Herstellern verarbeitet werden.
In den letzten Jahren ist die Streuobstwiesenfläche allerdings immer weiter zurückgegangen, weil sich die Bewirtschaftung wegen der Billigimporte aus dem Ausland nicht mehr lohnt. Bei der Ablieferung in der Mosterei erhält der Obstbauer pro 100 Kilogramm Äpfel nur rund 5,50 Euro, weshalb viele Obstbäume schon seit Jahren nicht mehr abgeerntet und gepflegt werden.