Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Börsen – Tummelplatz der Schnäppchenjäger

Seit langem beobachte ich die Rudelbildung meiner Artgenossen. Soweit ich als unabhängiger Journalist dies so richtig verstehe, wollen diese Rudel gemeinsam stark sein und für ihre Mitglieder bei den Lieferanten von Fleisch, Nass- und Trockenfutter, Energietabletten sowie exquisiten Getränken Vorteile herausholen.
Neben lautem Kläffen und bösem Knurren der zahnlosen Rudelfunktionäre sollen die Börsen, zu denen die Lieferanten von jedem der Rudel ein oder mehrmals im Jahr zusammengetrieben werden, einen besonderen Beitrag leisten. In der Vergangenheit hat dies wohl geklappt und es hatte mir und meinen Freunden Spaß gemacht diese Veranstaltungen der unterschiedlichen Rudel zu besuchen; wichtige Leute konnten wir treffen, Neuheiten lernte man kennen, und ich hatte Gelegenheit, mich mit meinen Kollegen auszutauschen. Langsam gehen mir aber die Klagen meiner Freunde auf den Keks, die einem oder sogar mehreren dieser Rudel angehören, um dann zu versuchen, auf allen Börsen noch ihre Schnäppchen zu machen. Benno – Sie kennen doch Benno: der Hund unseres Bierkutschers – er gehört dem Rudel der Leergutsheriffs an – hat sich bei mir beklagt, dass sich in seinem Verein die Reise zu einer Börse nicht mehr lohne, auch sei das Buffet nicht mehr das, was es mal war. Er erklärte, dass er in Zukunft nur noch den Auszubildenden schicken werde, der könne ja auch die Neuheiten für die Jugend probieren; ihn selbst interessierten die ja doch nicht mehr.

Meine Freundin, Madame Blanc – eine champagnerfarbige Pudeldame, die immer den neuesten Weinguide mit sich führt, brachte auch ihre Unzufriedenheit über die Qualität der offerierten Produkte zum Ausdruck. Hat sie doch schon ihre Englisch- und Afrikaans-Kenntnisse aufgebessert. Sie selbst werde nur noch zu den exklusiven Branchenveranstaltungen gehen. Mr. Johnny, mit dem ich schon so manche Flasche Whisky geleert habe, kann seinen Jahresprofit auch nicht mehr auf der Börse seines Rudels sichern. Die Huskies, unsere Spediteure, klagen, dass die Schnäppchenmengen nicht einmal den Kofferraum ihres Pkw füllten.

Klagen über Klagen – besonders sehen die Rudelfunktionäre ihre Pfründen zusammenschrumpfen: rauschende Feste können nicht mehr gefeiert werden, es gibt kein Handgeld mehr für die Besucher, auch kann das Jahresergebnis nicht mehr verschönert werden. Das Gejammere von Walter vom Knochenberg, der Begleiter eines Fleischindustriellen, kann ich auch nicht mehr hören; habe ich doch mitbekommen, dass sein Boss den Außendienst angewiesen hat, die so genannten Börsenkonditionen selektiv und individuell zu vereinbaren, um so die Börsen zu torpedieren und dabei noch Vergütungen und Kosten einzusparen. Ich hoffe, dass die Bemühungen einiger Weniger erfolgreich sein werden, eine gemeinsame Veranstaltung für alle Rudel zu schaffen, die wieder auf die Kommunikation der Marktpartner miteinander und auf die konkrete Ordertätigkeit ausgerichtet ist. Vielleicht könnte unser Bundesbernhardiner unter der Lawine der Eifersüchteleien und des Futterneides gemeinsame Interessen wieder ausgraben? Oder träumen hier welche von einem virtuellen Schnäppchenmarkt?

Bis zum nächsten Mal!
Euer Viktor