Bier pur versus Biermix

Biermischgetränke stehen hoch im Kurs –
Marktanteil stabil trotz Mengenverlust

Zwei Drittel der deutschen Brauereien seien nicht überlebensfähig, der Bierausstoß sinke bis 2015 um 30 Prozent. Dieses Szenario umschreibt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG, Stuttgart, mit ihrer im Mai veröffentlichten Studie „Brauereien 2015:  Wege aus der Krise“. Laut den Stuttgarter Wirtschaftsprüfern soll der Ausstoß bis 2015 auf 79 Millionen Hektoliter sinken.

Die Gründe: verändertes Konsumverhalten, rück-läufige demographische Entwicklung, Strukturwandel in der deutschen Gastronomie-Landschaft. „Während es immer weniger traditionelle Kneipen mit ihrem für gewöhnlich hohen Bierumsatz gibt, verzeichnen die für den Bierkonsum weniger bedeutenden Bereiche der System- und Erlebnisgastronomie große Zuwächse“, erläutert Bernd Aps, Partner bei Ernst & Young und Leiter des Bereiches Food & Beverages. Auch erwarten die Autoren der Studie bis 2015 eine Marktbeherrschung internationaler Großbrauereien, denen es aber nicht gelingen werde, ihre eigenen Marken auf dem deutschen Markt zu etablieren.

„Dafür sitzt bei den deutschen Konsumenten das Misstrauen gegen die internationalen Bier-Marken, die hier zu Lande wenig bekannt sind, zu tief“, so Mitautor Hans Jäckel. Dass, es in Deutschland im Grunde kein schlechtes Bier gibt, sei dem Verbraucher mehr als bekannt. Deshalb greife er immer mehr zu dauerhaft preisgünstigen Marken mit der Folge, dass der Markt im mittleren Segment wegbrechen werde und neben den Premiummarken die Billiganbieter sich den Markt teilen werden.

Attestiert wird den Handels- und Billigmarken bis 2015 ein Marktanteil von 40 Prozent. Als Erfolg versprechendes Konzept der Zukunft sehen die Wirtschaftsprüfer die Verknüpfung von Bier und einer einzigartigen gastronomischen Dienstleistung. „Auf der Suche nach neuen Produkterlebnissen erwartet der Verbraucher Dienstleistungen rund um das eigentliche Produkt. Die großen nationalen und internationalen Brauereien werden dem Rechnung tragen und Erlebniswelten um die Biermarke kreieren“, prognostiziert Böhlke. Für Marktbeobachter und Branchenkenner keine großen Neuigkeiten.

Dass Bier als „Brot-&-Butter-Kategorie“ für den LEH und die Getränkeabholmärkte seinen Nährwert im Krisenjahr 2002 bewiesen hat, skizziert Information Resources GfK. Abgesetzt wurde im LEH und GAM einschließlich Aldi und der anderen Discounter etwa die gleiche Menge Bier, wie im Vorjahr. Erwähnenswert sei, so die GfK, auch das geringe Plus von 0,2 Prozent. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere Branchen froh seien, wenn sie eine schwarze statt eine rote Null erzielten. Unter Einbeziehung der Biermischgetränke könne der Handel mit seinem wichtigen Sortimentsschwerpunkt Bier unter dem Mengenaspekt zufrieden sein. Biermischgetränke bietet der Handel mittlerweile in allen relevanten Absatzkanälen verstärkt an und generiert Wertschöpfung. Der Erlös für Bier+Cola-Getränke liegt laut GfK im Schnitt bei 1,26 Euro, für die gleiche Menge Bier bei 1,05 Euro – also relativ gesehen, rund 20 Prozent höher als bei Bier. Mengenmäßig betrachtet, ist die Kategorie der Biermischgetränke mehr als zehn Mal größer als die R
TD`s, als unmittelbarer Wettbewerb. Dennoch beanspruchen die Spirituosenfirmen einen erheblichen Marktanteil und liegen als Impulsgeber weiterhin im Trend. Insgesamt verzeichnen die Biermischgetränke eine Absatzsteigerung um ein Drittel gegenüber 2001. Der Dosenanteil von rund zwei Drittel bei den Biermischgetränken sorgte nach Verordnung des „Staats-Zwangs-Pfand“ – wie Karl Eriwan Haub diesen nach seiner Ansicht noch nie da gewesenen, gravierenden Eingriff des Staates in der Wirtschaft nennt –  für erhebliche Mengenverluste. Laut Nielsen blieb der Marktanteil im ersten Quartal 2003 mit national  2,5 Prozent stabil. Nach Einschätzung der Brauerei C. & A. Veltins gibt der Hoffnungsträger im Sortenspektrum der deutschen Brauindustrie dennoch Grund zu verhaltenem Optimismus: „Die Biermix-Generation lässt sich auch durch das Zwangspfand nicht schocken, wir erwarten trotz der damit ausgelösten Marktprobleme in diesem Jahr noch leichtes Marktanteilswachstum“, skizziert Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing /Vertrieb der Brauerei C. & A. Veltins die Situation.

Nach seiner Einschätzung könnte Biermix mittelfristig mit Weizenbier gleichziehen. Laut Nielsen betrug der Anteil der Biermixgetränke 2002 im Jahresdurchschnitt 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 2,9 Prozent. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW liegt im Nielsen-Ranking Frankenheim blue mit einem Marktanteil von 22,4 Prozent an der Spitze, gefolgt von Dimix mit 14,9 und V+ mit 11,4 Prozent. Es folgen Mixery mit 7,3  und Cab mit 4,6 Prozent. Mittlerweile mixen rund einhundert Brauereien mit, daher ist es nicht verwunderlich, dass beinahe täglich weitere Biermischgetränke hinzukommen. Und alle ein „bisken smirnoff ice und rigo“, denn die RTD’s haben das Segment der Biermischgetränke maßgeblich mitgeprägt. Impulse für dieses Segment sind genügend vorhanden, allerdings ist „Biermix“ kein Allheilmittel für rückläufiges Konsumverhalten. Die Luft wird auch hier dünner und viel Potenzial für noch nicht positionierte Marken gibt es nicht mehr. Werbepower und neue Gebinde-Varianten bei den Marken sollen für den Abverkauf in den Regalen sorgen. Aktuell gibt es mit Premium Lemon und Premium Cola auch von der Warsteiner Brauerei eigene Mix-Varianten als „bierige Alternative mit weniger Alkohol oder als die etwas andere Art, Warsteiner zu genießen“. Mitbewerber und Marktführer Krombacher hat durch die Beteiligung an Miller Brands Germany (dgw4/03), neben Cab mit Salitos das Portfolio erweitert.

Neben den Mischgetränken soll wieder mehr „Bier pur“ durch junge Kehlen rinnen – direkt aus der Flasche und trendig verpackt. Seit März 2002 setzt das Friesische Brauhaus zu Jever auf das „Jever unter den Schwarzen“. „Authentisch in Geschmack, Optik und Markencharakter hat Jever Dark bewiesen, dass pures Bier szenefähig ist“, charakterisierte Andreas Berndt Direktor Marketing/PR des Friesischen Brauhauses die Neueinführung – „denn klebrig süß und friesisch herb passt nicht zusammen“(dgw4/03).

Die in Homburg ansässige Karlsberg Brauerei, als Innovationsschmiede bekannt, führte im Juli 2002 die untergärige Spezialität Blondes ein. „Blondes trifft genau den Geschmack der Zielgruppen, denen das traditionelle Angebot nicht mehr ausreicht“, attestiert Uli Grundmann, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing die Spezialität. „Beck’s Gold hat sich zum Absatzrenner entwickelt“, ist aus einer Pressemitteilung der zur Interbrew Deutschland-Gruppe gehörenden Brauerei Beck & Co. zu entnehmen. Eingeführt im Herbst vergangenen Jahres in der Gastronomie, erfolgte im Februar diesen Jahres der bundesweite Start im LEH, GAM und Convenience Shops in einer patentierten UV-Weißglasflasche.  Roland Tobias, Commercial Director Interbrew Deutschland, berichtet hoch erfreut, dass der Absatz bereits nach acht Wochen, das geplante Volumen erheblich übertroffen habe. Ebenfalls im vergangenem Herbst brachte die Privatbrauerei Gaffel als erste Kölsch-Brauerei mit 1396 ein obergäriges Bier, welches kein Kölsch ist, auf den Markt.

Am Eigelstein wolle man die Finger von Biermix lassen und stattdessen ein 100-prozentiges Szenebier etablieren. Denn, mit Kölsch werde man nicht unbedingt die „Durstigen“ erreichen, die sich dem traditionellem Biermarkt entzögen, deshalb sei die Zeit für ein neues Bier gekommen, kommentierte Georg Schäfer, Geschäftsführung Marketing die Neueinführung. Seit Einführung des „verordneten Zwangspfands“ wird in Deutschland weniger getrunken. Laut Angaben der unterschiedlichen Vereinigungen und Verbänden wird lediglich 30 Prozent über Mehrweg kompensiert. Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V. (wafg) rechnet vor, dass – sollte sich diese Entwicklung bis zum Jahresende fortsetzen –  Absatzrückgang bei den klassischen Erfrischungsgetränken, wie Limonaden und Cola von 14,5 Prozent im 1. Quartal 2003 – der Prof-Kopf-Verbrauch in diesem Segment auf das Niveau von 1985 sinken werde.

Was den Gesamt-Absatzrückgang bei Bier von Minus 9,1 Prozent auf 21,8 Millionen Hektoliter im ersten Quartal 2003 betrifft, nimmt  Peter Hahn, Hauptgeschäftsführer des deutschen Brauer-Bundes die Politik mit in die Verantwortung: „Wer permanent alkoholische Produkte als legale Drogen denunziert und den Verkauf von Getränken in Einwegbehältern als moralisch bedenklich einstuft, darf sich nicht wundern, wenn der Verbraucher Konsumverzicht übt.“  Nur etwa 30 Prozent der Einwegverluste werden laut GfK durch Mehrwegkäufe aufgefangen. Damit führe, so Hahn, das Einwegpfand zu Konsumverzicht, was zu Kurzarbeit und Verlusten von ca. 1.000 Arbeitsplätzen in der Getränkeindustrie führe. „Wer heute nicht weiß, welche Steuererhöhung und welche Abgabenlast er morgen zu verkraften hat, ist vorsichtig gestimmt und übt Kaufzurückhalt-
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in unserer Print-Ausgabe  06/07/2003