Weltweites Wachstum für belgische Interbrew-Gruppe

Übernahme der Gilde-Mutter / Absatzwachstum in Westeuropa / Nienburger Glas verkauft

von Timur Dosdogru

Die belgische Interbrew-Gruppe verzeichnet für die ersten neun Monate des laufenden Jahres ein kontinuierliches Geschäftswachstum. Der Absatz der Gruppe stieg um 16,8 Prozent und lag damit bei 65,5 Millionen Hektoliter, der Umsatz stieg um 17,3 Prozent auf 5.238 Millionen Euro. EBITDA und EBIT stiegen um 21,2, beziehungsweise um 16,5 Prozent.
Trotz des kühlen Sommerwetters in Westeuropa erreichte Interbrew im genannten Zeitraum ein Absatzwachstum von drei Prozent (Vorjahr: 0,3 Prozent) und konnte laut eigenen Angaben seine Marktanteile in allen Kernmärkten erhöhen. In Deutschland ist die Interbrew Deutschland GmbH seit dem 1. September als Vertriebsgesellschaft für die Marken Beck’s und Diebels tätig. In Großbritannien verbuchte die Marke Stella Artois ein erneutes zweistelliges Wachstum, die Marke Beck’s in Deutschland schnitt besser als der Gesamtmarkt ab.

Seit November haben die Aktionäre der Brauergilde Hannover AG sich zudem auf Interbrew als bevorzugten Bieter für die zum Verkauf stehende Gesellschaft Gilde Brauerei AG geeinigt, zu der auch die Marke Hasseröder zählt. An Gilde besitzt die Brauergilde 85,4 Prozent. Das Angebot sieht vor, dass Interbrew mindestens 50,1 Prozent der Brauergilde-Aktien und die Genehmigungen der zuständigen Wettbewerbsbehörden erhält. Nach der Zustimmung der Aktionäre, will Interbrew an alle öffentlichen Aktionäre einen Preis von insgesamt 491 Millionen Euro bezahlen. Unter der Bedingung, dass die Belgier die Kontrolle der Brauergilde erworben haben, wollte die Interbrew Deutschland Holding ein Pflichtangebot für die verbleibenden 15 Prozent der Aktien im Streubesitz machen.
Der Preis für das erworbene Eigenkapital beider Transaktionen wird mit rund 575 Millionen Euro beziffert. Die Stadt Hannover, die zehn Prozent der Anteile an der Brauergilde hält, hat mittlerweile das Angebot von Interbrew unterstützt – nachdem seitens Interbrew mehrere Zugeständnisse gemacht wurden. Zuvor hatte die Stadt noch schnell gegen eine Satzungsänderung einer im November kurzfristig anberaumten Hauptversammlung geklagt, die Interbrew die Übernahme ermöglichen sollte. Nach der jetzigen Einigung soll Hannover nun für die nächsten 30 Jahre Rechtssitz der Brauergilde und der Gilde-Brauerei bleiben, auf betriebsbedingte Kündigungen soll mindestens fünf Jahre verzichtet werden. Ob allerdings eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro im Entlassungsfall pro Mitarbeiter die Belgier im „Ernstfall“ schrecken würde, bleibt dahingestellt.

Wichtig für die Stadt Hannover ist zunächst vor allem, dass ihr die Gewerbesteuer für weitere 15 Jahre erhalten bleibt und dass sie ein Mandat im Aufsichtsrat erhält. Der Biermarkt in Nordamerika erwies sich nach wie vor als stabil, auch auf diesem gesamten Kontinent konnte die Gruppe beim Absatz zulegen. Auch hier schnitten die Belgier besser ab als das durchschnittliche Importsegment. Dabei entwickelten sich vor allem die Marken Tecate und Stella Artois positiv, ebenso wie Rolling Rock und Beck’s, die im dritten Quartal auf Lieferungssteigerungen von 5,4 Prozent, beziehungsweise 4,4 Prozent kamen. In Mitteleuropa verzeichnete das Interbrew-Markenportfolio in Kroatien, Ungarn und der Tschechischen Republik ebenfalls eine gute Entwicklung, die aber durch das laut Unternehmen enttäuschende Geschäft in Bulgarien kompensiert worden sei. Dort sei die Preisgestaltung aufgrund des starken Wettbewerbs im Niedrigpreissegment unter Druck geraten, Rubel und Griwna litten in Osteuropa unter der Euro-Entwicklung, heißt es weiter. Als enttäuschend wird auch die Entwicklung der russischen Sun Interbrew bezeichnet, dort habe sich das Marktwachstum im September deutlich verlangsamt. Die russische Tochter sei zu spät in den schnell wachsenden PET- und Dosenmarkt eingestiegen. Bevor man dort einen angemessenen Marktanteil erreiche, werde noch einige Zeit verstreichen, so Interbrew. In der Ukraine gelten die Belgier aber als Marktführer, bei einem Absatzwachstum von 5,3 Prozent.

In der Bierbranche Südkoreas verlangsamte sich das kumulierte Jahreswachstum auf plus 3,5 Prozent, das eigene Geschäft konnte Interbrew stabilisieren, während die Branchenabsätze im dritten Quartal unter Vorjahresniveau sanken. Der Konsolidierungsprozess des Biermarktes geht laut Unternehmen auch in China weiter, Interbrew konzentriert sich dort auf die Stadt Nanjing. Hier konnten die Belgier ein Absatzplus von 66 Prozent in den ersten neun Monaten erreichen. Von der chinesischen K.K.-Gruppe hat Interbrew einen Anteil am Braugeschäft von 70 Prozent übernommen. Das Unternehmen ist Marktführer in der Provinz Zhejiang und setzt jährlich drei Millionen Hektoliter des Standard-Lagerbieres K.K. sowie der Premiummarke Zizhulin ab. Außerdem erwirbt Interbrew gegen eine Summe von 19,5 Millionen US-Dollar einen Anteil von 24 Prozent an der chinesischen Brauerei Zhujiang, der fünftgrößten und Pro-Hektoliter-profitabelsten Brauerei der Volksrepublik.

Zusammen mit sechs anderen Ini-tiatoren tritt Interbrew für eine Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft auf. Die Erstemission von Aktien ist für das Jahr 2004 geplant, Interbrew wird damit der zweitgrößte Aktionär des Unternehmens sein. Für Neuseeland haben Interbrew und Lion Breweries kürzlich einen umfassenden Zehn-Jahres-Vertrag über die weitere Zusammenarbeit unterzeichnet. Dieser berechtigt Lion zum Brauen, Vertreiben und Vermarkten der Marke Stella Artois, die in den letzten drei Jahren ihr Wachstum dort verdreifachen konnte. Für die drittwichtigste Marke im Portfolio von Beck & Co, Kloster®, hat Interbrew in Thailand eine Vereinbarung zur Lizenzproduktion mit der Boon Rawd Brewery getroffen.

Die Marke Kloster® war seit 1975 über eine Lizenzvereinbarung mit der Thai Amarit Brewery in Thailand erhältlich. Boon Rawd ist Thailands älteste Brauerei, Anfang kommenden Jahres sollen Vertrieb und Marketing von Kloster® auf sie übergehen. Ziel ist, den Marktanteil zu steigern, vor allem mit Blick auf die über 70 Millionen Einwohner Thailands und die zehn Millionen Touristen, die jedes Jahr ins Land strömen und denen die Interbrew-Marken bekannt sind. In Thailand ist Bier ein Luxusprodukt, der Pro-Kopf-Verbrauch ist mit 19 Litern im Jahr nach europäischen Maßstäben bescheiden, aber wächst stetig. Die durch die Übernahme von Beck’s in Interbrew-Besitz gelangte Nienburger Glas GmbH wird für 108 Millionen Euro an den weltweit agierenden Konsum-Verpackungshersteller Rexam verkauft – vorbehaltlich der Zustimmung der Regierungsbehörden. Gleichzeitig wurde eine Liefervereinbarung zwischen Interbrew und dem neuen Eigner vereinbart, um die Versorgung von Glasverpackungen für Interbrew zu gewährleisten. Auf die finanziellen Ergebnisse habe der Verkauf der Glas-Tochter keinen Einfluss, heißt es aus Belgien.

Ausblickend auf die künftige Entwicklung sieht sich Interbrew im Plan. Die Kapitalinvestitionen für 2002 werden sich auf rund 500 Millionen Euro belaufen. Für das laufende Geschäft werden weiterhin Gewinne je Aktie (vor Goodwill und Restrukturierung) in Höhe von 1,50 Euro angestrebt (Vorjahr: 1,26 Euro, nach dem Verkauf von Carling), was eine Steigerung von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeuten würde.