Weinseligkeit in Düsseldorf auf der ProWein 2002

von Text und Fotos: Timur Dosdogru, Martin Joest

Wer es wirklich genau wissen will: 25.481 Besucher/Einkäufer aus 28 Ländern besuchten die ProWein 2002 in Düsseldorf. Wie in den letzten Jahren, ist auch in diesem Jahr das Besucheraufkommen wieder deutlich gewachsen und ließ die internationale Fachmesse für Weine und Spirituosen ihren Stellenwert als Orderplattform einmal mehr unterstreichen. Laut Projektleitung der Messe Düsseldorf GmbH seien 80 Prozent der Firmen mit dem geschäftlichen Erfolg sehr zufrieden gewesen und erwarteten ein gutes Nachmessegeschäft – Erster Teil.

So weit, so gut. Endlich scheint man auch die durch das Wachstum bedingten Zustände der letzten beiden Jahre in den Griff bekommen zu haben. Zwar musste auch dieses Mal viel gelaufen werden, doch durch die lang überfällige neue Hallenaufteilung erschien die Messe bereits wesentlich übersichtlicher, als in früheren Zeiten.
Zufrieden waren vor allem auch die großen Spirituosenhäuser, die sich diesmal alle brav (gemäß “freundlicher Empfehlung” der Messeleitung) in einer Halle präsentierten und somit für die Weinerzeuger keinen Stein des Anstoßes mehr darstellen konnten. “Alles wichtigen Handelspartner waren hier”, so der überwiegende Tenor aus der Welt der höhergeistigen Getränke. Die neue
Übersichtlichkeit war aber wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass es das letzte Wochenende vor Ostern war und viele bereits in die Ferien gefahren waren. Die Folge: teils gähnende Leere an den Ständen des ersten Messetages.

Zu Meckern gibt es immer etwas, so klagten vor allem französische und italienische Erzeuger über ihre Präsentation in der neuen Halle 6, mit der sie sich im Abseits wähnten. Im Vorjahr hatten sich noch die deutschen Winzer (zu Recht) beschwert, dass man den Ausländern Spitzenplätze an exponierter Stelle eingeräumt habe, während einheimische Unternehmen ins Hintertreffen geraten seien. “So einen Platz hätte man uns in Verona oder Bordeaux nicht zugestanden”, hieß es noch im Vorjahr. In diesem Jahr hatte die Messeleitung dieses Problem wirklich salomonisch gelöst: zwar war bei der aktuellen Hallenaufteilung der Weg zu den ausländischen Mitbewerbern wirklich etwas weiter, aber dafür tummelten sich Franzosen und Italiener in der nagelneuen lichten, schönen und modernsten Halle, welche der Standort zu bieten hat.

Dass dort trotzdem über zuwenig Besucher geklagt wurde, ist eher dem Umstand zu verdanken, dass die Gemeinschaftsstände verwaisten Legebatterien glichen, die weiß Gott nicht gerade einladend zum Verweilen wirkten – ein Schuh also, den sich die Aussteller auch selbst anziehen müssen. Einen Vorwurf kann man der Messeleitung allerdings hinsichtlich der Terminwahl
machen: nahe an Ostern und dadurch Ferienbeginn in den meisten Bundesländern. Verständlich ist aber auch, dass man erste Ordermesse im Jahr bleiben möchte und eine terminliche Kollision mit der Internorga in Hamburg wie im Jahr 2000 offensichtlich vermieden werden sollte. Auch die Klage, in die Halle 6 hätten kaum Einkäufer ihren Weg gefunden wurde von einigen Stimmen widerlegt: da es sich bei den wichtigen Handelspartnern überwiegend um deutsche gehandelt habe, sei die
Frage zu stellen, ob diese ihren Weg in die Halle 6 überhaupt finden wollten. Deutsche Anbieter berichteten beispielsweise, dass sie neben den deutschen Stammkunden auch Einkäufer aus Belgien und den Niederlanden an ihren Ständen begrüßen konnten, wie auch Besucher aus Skandinavien und Japan.

Laut Messeleitung lagen nämlich die deutschen Weine im Trend: 56 Prozent der Besucher informierten sich über die Weine aus den 13 deutschen Anbaugebieten. In Halle 6 fand man sich außerdem mehrmals mit der Problematik falscher oder vertauschter Standnummern konfrontiert (“Ja mei, wo sammer denn…”). Vielleicht hat auch dadurch so mancher die Lust verloren. Gewinner
der Entwicklung im Weingeschäfts sind nun einmal vor allem die Discounter. Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen außerdem erstmals mehr Geld für Wein statt für Bier aus – weshalb naturgemäß das Interesse der ausländischen Anbieter am deutschen Markt stetig wächst.

Bei den internationalen Größen der Branche gab es auch Neues zu vermelden. So hat der weltweit führende Anbieterinternationaler Getränkemarken im Premiumbereich, Diageo, nach dem Erwerb der Seagram-Wein- und Spirituosensparte durch sein deutsches Tochterunternehmen GuinnessUDV Deutschland sein erweitertes Sortiment vorgestellt.
Dazu gehören unter anderem jetzt die amerikanische Marke Bulleit Bourbon, der kanadische Whisky Crown Royal und Myers’s Rum.

Von der im Februar dieses Jahres neu eingeführten Longdrink-Innovation Smirnoff Ice wurden in den ersten beiden Wochen schon sieben Millionen Flaschen verkauft. Die internationalen Seagram-Weinmarken Beaulieu Vineyards, Sterling Vineyards, Sterling Vintner’s Collection, The Monterey Vineyard, Blossom Hill, San Telmo und die Weine des französischen Weinhauses Barton & Guestier werden nun über den neu formierten Unternehmensbereich Diageo Chateau & Estate Wines vertrieben. Bis auf wenige Ausnahmen waren die führenden Weinerzeuger der Welt auf der ProWein vertreten. Experten rechnen sogar damit, dass der deutsche Weinmarkt den amerikanischen als drittgrößten der Welt ablösen wird – Gallo, Southcorp, Mondavi & Co. wissen dies nur allzu genau, müssen aber seit einigen Jahren wieder mit einer erstarkten deutschen Weinindustrie rechnen, die sich nicht mehr so leicht die Butter vom Brot nehmen lässt.

Zumindest deutsche Rotweine sind gefragt wie nie zuvor in den letzten Jahren und auch bei den Weißweinen scheint langfristig eine deutliche Besserung eingetreten zu sein. Besonders schwierig für Ausländer ist vor allem die Preissensibilität des deutschen Marktes, die es ihnen besonders schwer macht, hier zu Lande Fuß zu fassen, während deutsche Distributeure und Erzeuger mit diesen Gegebenheiten gut vertraut sind.
Dies bekommen vor allem Amerikaner, Südafrikaner und Chilenen zu spüren. Und dass eine Happy Hour am Messestand mittlerweile fast überall üblich und dies manchen zuwenig ist, hat man auch zunehmend erkannt.
So hatte die australische South Corp zur großen Stehparty in den Düsseldorfer “Malkasten” eingeladen. Einen neuen Rekord verzeichnete auch wieder die mittlerweile etablierte Große-Weiße-Welt-Party der Deutschen Sommelier-Union, die wohl auch in den nächsten Jahren mit einem wachsenden Besucheraufkommen rechnen muss, getreu dem Motto “In ist, wer drin ist”.

Diesmal wurde im “Alten Kesselhaus” gefeiert, ein Groß-Event mit weit über 1000 Gästen, welches den Namen “Party” noch zu recht trägt und bis weit in den frühen Morgen zu gehen pflegt – bei besten Weißweinen, gepflegter Küche und fetziger Musik. “Die deutsche Weinwirtschaft präsentiert sich als Marktführer in diesem Jahr selbstbewusst und optimistisch auf der ProWein in Düsseldorf”, meinte der Geschäftsführer des Deutschen Weininstitutes (DWI), Armin Göring, bereits im Vorfeld der Messe. Laut Zahlen des DWI lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland im Jahr 2001 stabil bei 23,9 Liter, aber der darin enthaltene Schaumweinanteil ging um 0,7 Liter pro Person zurück – zu Gunsten von Weiß- und Rotwein, die zusammen um die gleiche Menge zulegten.

Insgesamt konsumierten die Deutschen 19,7 Millionen Hektoliter Wein. Auch die Importe legten nochmal zu, aber mit einem Anteil von 47,8 Prozent am gesamten Weinabsatz bleiben die deutschen Winzer nach wie vor mit großem Abstand Marktführer vor Frankreich (15,8 Prozent), Italien (13,4 Prozent), Spanien (3,6 Prozent) und der Neuen Welt (4,1 Prozent). Sank der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein im vergangenen Jahr um 1,5 Cent auf 3,10 Euro, konnte deutscher Wein leicht gegen den Trend auf 3,33 Euro zulegen. Mindestens 69 Prozent aller Haushalte kauften im vergangenen Jahr mindestens einmal Wein. Die Gründe dafür sind vielfältig. So hat sich eine neue, jüngere Winzergeneration in den letzten Jahren besser auf die Verbraucherwünsche eingestellt, was Qualität und Ausstattung angeht. Auch im Geschmack hat sich einiges getan: 1985 wurden noch 64 Prozent der deutschen Weine lieblich ausgebaut, heute sind es nur noch 46 Prozent, die auch noch zu einem
erheblichen Teil in den Export gehen.

Das DWI geht daher davon aus, dass im vergangenen Jahr drei Viertel aller in der Bundesrepublik getrunkenen Weine trocken oder halbtrocken ausgebaut waren. Auch die neue Weinbezeichnung Classic sei vom Verbraucher gut angenommen worden und die Zahl der Betriebe, die Weine mit dieser Bezeichnung anböten, steige weiter, heißt es.

Champagner wieder ein Thema
Es scheint, als würden sich die Champagnerhäuser aus der Lähmung der Milleniumseuphorie langsam befreien. Nachdem der Markt vor dem Jahreswechsel 1999/2000 in ein künstliches Hoch versetzt wurde, um anschließend in Agonie zu verfallen, ist nun die Zeit da, wieder aus dem Flaschenkeller zu kommen. Es gab kaum eine Möglichkeit, an all den Champagner-Tastings vorbeizukommen. So waren die Aktivitäten speziell der neu in de deutschen Markt kommenden Häuser unübersehbar. Hier ist offenbar der Trend zu höchster Qualität ein Muss geworden, denn kaum einer hielt sich lange mit Cuvées auf, sondern ging zügig zu den Jahrgangsqualitäten über.
Das Haus Raoul Collet aus Aÿ war sogar bereit, seine Kompetenz mit Jahrgängen bis 1979 zu belegen. Der Champagnerproduzent Henri Giraud, ebenfalls aus Aÿ, neu im deutschen Markt über Jolly Roger Imports GmbH vertreten, kommt nur mit Jahrgangschampagner auf den Markt. Allerdings nicht, wie seit Jahrzehnten üblich, mit Grundwein aus dem Stahltank, sondern die Grand Cru Weine werden in neuen Eichenfässern vinifiziert.
Sicherlich sind diese Produzenten nicht in den Supermärkten zu finden, in Anbetracht von 30€ aufwärts auch nicht gerade sinvoll, dennoch im Qualitätsvergleich mit den etablierten Top-Range-Champagnern sehr preiswert.

Champagner de Meric setzt auf den feinen Unterschied
Um weiter in Aÿ zu bleiben, soll an dieser Stelle auch das Haus Champagne de Meric erwähnt werden, welches sich immer noch den tradtionellen Methoden der Champagnerherstellung verschrieben hat und nicht im Massenmarkt mitmischen will. Der Familienbetrieb hält das Motto “Vive la différence”, frei übersetzt den “Unterschied (er)-leben” hoch.

Dabei setzt man gezielt auf Spitzenqualität, sehr wohl auch im Hinblick auf den deutschen Markt, in welchem man Fuß fassen will. Entgegen dem Trend zur Kosteneinsparung werden bei Champagne de Meric noch alle Flaschen von Hand gerüttelt, zudem werden nur Grand-Cru- und Premier-Cru-Trauben zur Champagnerherstellung verwendet. Die Geschichte des Hauses de Meric begann 1843, als Edmont Besserat in Aÿ seine ersten Reben pflanzte, 1959 wurde dann das eigentliche Champagnerhaus von Christian Besserat in der vierten Generation gegründet. Zur ProWein stellte de Meric seine neue Cuvée Grande Réserve Sous Bois vor, von welcher 50 Prozent der Weine nach traditioneller Methode in Eichenfässern ausgebaut werden.

Hier werden nur Trauben der “Echelle des Crus”-Qualität
verwendet – der Messlatte für die Champagnertrauben, die nur solche zulässt, die eine Einstufung von über 97 Prozent erzielen. In Deutschland soll die Flasche zu einem Endverbraucherpreis von 19 Euro bei der Weinkellerei Storz,  Cleebronn-Neumagenheim, erhältlich sein.

Gosset zeichnet beste Champagnerkarten der Topgastronomie aus

Nochmal in der traditionsreichen Champagnerhochburg Aÿ: das Champagnerhaus Gosset zeigt sich auch kompromisslos qualitätsbewusst und will dieses Image auch in der Topgastronomie hochhalten – vor allem in Deutschland, wo Gosset jetzt zum ersten Mal die “Trophée Celebris – Trophée de la Meilleure Carte des Vins de Champagne”, sprich die beste Champagnerkarte
der Topgastronomie mit einem Preis prämieren will. Führende Restaurants in Frankreich, Großbritannien, Belgien und Luxemburg wurden bereits mit dieser Würdigung ausgezeichnet. Der Wettbewerb richtet sich an einen exklusiven Kreis von Restaurants, deren Champagnerkarte unter den Augen einer fachkundigen Jury bewertet wird.

Bewertet werden unter anderem die Ausgewogenheit
der Karte, Gestaltung und Übersichtlichkeit sowie natürlich auch die Preise. Auch das frühere Weinhaus Gosset begann bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Aÿ mit der Champagnerherstellung und blickt auf ein erfolgreiches …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 5/2002