Seriosität der Händler weiter gestiegen
von Timur Dosdogru
Die Deutschen haben zunehmend mehr Vertrauen zum Online-Shopping. Zwar sind für Nicht-Shopper die schwerwiegendsten Hindernisse immer noch Bedenken bezüglich der Aspekte Datenschutz und Zahlungsverkehr, doch wächst die Zahl der Internetnutzer in Deutschland stetig weiter – und damit auch die Zahl der Online-Shopper. Dies ergab die aktuelle Grundlagenstudie eCommerce Facts 3.0, welche die Deutsche Post World Net in Zusammenarbeit mit den Marktforschungsinstituten ComCult Research und rheingold erstellt.
Kürzlich wurden nun auch Analysen für 20 Produktgruppen vorgestellt, unter anderem auch “Haltbare Lebensmittel und Getränke”. Naturgemäß hat die steigende Zahl der Online-Shopper auch Auswirkungen auf den Markt für diese Produktgruppe – wie naturgemäß auch das Wissen um das Kaufverhalten für die Post als Wirtschaftsfaktor von größter Wichtigkeit ist. Die Motive für den Internetkauf sind so vielfältig, wie die Möglichkeiten des Internet selbst.
Insgesamt wurden 1250 Nutzer repräsentativ befragt. Danach kauft der Großteil der Nutzer regelmäßig in mehreren Shops ein, wobei vor allem Unterhaltungsmedien wie Bücher, CD’s und Videos am meisten gefragt sind, gefolgt von Mode, Hardware und Geschenkartikeln.
Der Online-Kunde “sucht” die Shops (oder besser gesagt deren Seiten) aber auch anlass- und nicht nur produktbezogen auf, wobei bei der Grundversorgung die Bequemlichkeit im Vordergrund steht, sprich die einfache Bestellung mit Lieferung an die Haustür. Beliebt ist auch die Suche nach günstigen Angeboten und Schnäppchen, wobei auch die vielfältigen Werkzeuge (“Tools”) Preisfinder, Suchmaschinen und Auktionen von großer Bedeutung sind. Nicht zu vergessen ist dabei auch der Unterhaltungswert, den etwa Auktionen, das Ausprobieren neuer Angebote und die Teilnahme an Einkaufsgemeinschaften ausmachen. Ausschlaggebend für das Wachstum des Internethandels ist außerdem, dass immerhin zwei Drittel der Käufer noch nie und weitere 20 Prozent nur selten schlechte Erfahrungen mit dem Internetkauf gemacht haben – ein Zeichen dafür, dass die Händler immer mehr ihre Hausaufgaben erledigen. So kommt die Studie auch schnell zu dem Punkt, um den es eigentlich geht – die schnelle, zuverlässige und kosten-
günstige Lieferung. Hierbei erwarten die Nutzer laut Studie vor allem eine Haftung für verloren gegangene und beschädigte Sendungen, wie auch die einfache Rückgabemöglichkeit mit Geld-zurück-Garantie. Bevorzugt dabei wird, wen wundert’s, die Deutsche Post: mehr als die Hälfte (51,7 Prozent) derjenigen, die sich im Internet auskennen, bevorzugen die Zustellung durch den gelben Riesen und schätzen dabei besonders Zuverlässigkeit, seriöses Image und die Abholmöglichkeit bei verpasstem Empfang.
Wie findet der Einkaufswillige seinen Weg zum Online-Shop? “Am besten sind die Tipps von Freunden und Bekannten. Da kann man sich drauf verlassen”, wird ein Shopper zitiert. Fazit: Der Weg zum Online-Shop führt kurioserweise über Offline-Quellen – wie schon in längst vergangenen Zeiten, als elektrischer Strom noch ein Fremdwort war, über Mund-zu-Mund-Propaganda, aber auch über Printmedien. Wie Experten schon früher voraussagten, verlieren die klassischen Online-Quellen immer mehr an Bedeutung, vor allem die gezielte Eingabe der Internetadresse und der Weg über Werbebanner werden immer weniger genutzt. Wichtiger sind hingegen Suchmaschinen, Online-Portale und Links anderer Websites.
Diese mediumsspezifischen Quellen erweisen sich als zunehmend stabiler, wohingegen konventionelle Wege, wie TV-Werbung oder redaktionelle Beiträge kaum ins Gewicht fallen. Acht von zehn Shoppern empfehlen positive Erfahrungen auch weiter – was dann tatsächlich auch zum Kauf durch die neuen Nutzer führt. Haben Interneteinkäufer erst einmal einen Shop gefunden, bei dem sie zufrieden sind, halten sie ihm in der Regel auch die Treue – und empfehlen ihn auch ihrerseits weiter. Andererseits sind die meisten Nutzer ständig auf der Suche, weil sie ihre relevanten Shops für andere benötigte Produkte noch nicht gefunden haben.
Erst recht für die Wahl eines bestimmten Shops entscheid-
end ist die Zahlungsart: konnte man in den Frühzeiten des Internet-Shopping (und unverständlicherweise Weise zuweilen auch heute noch) nur über Kreditkarte bezahlen, sind Bank-
einzug und Rechnungsstellung bei der Zahlung von Online-Käufen die Regel geworden – drei Viertel aller Käufer bevorzugen diese Zahlungsart, wie sie es bei konventionellen Print-Katalogbestellungen auch gewöhnt sind. Die viel zitierte Angst vor dem Internet-Einkauf scheint also unbegründet und wird wohl vornehmlich von denen angegeben, die generell mit einem Computer nicht viel anzufangen wissen. Shop-Unlustige beklagen außerdem, keine Preisvorteile gegenüber dem normalen Handel erkennen zu können und vermissen das sinnliche Einkaufserlebnis sowie die (oft noch) unbefriedigende Produktdarstellung im Internet. Als weitere Gründe werden hohe Lieferkosten, hohe Mindestbestellwerte und komplizierte Bestellverfahren angegeben (O-Ton: “Am schlimmsten ist es, wenn man den ganzen Kram eingegeben hat und dann klappt das nicht.”) Bis Jahres-ende spielten zudem auch die Vorbehalte gegen die Euro-Umstellung eine Rolle. Interessant hierbei: auch Online-Käufer fürchten zwar verdeckte Preiserhöhungen, zeigen sich aber optimistischer als Offline-Käufer.
Besonders spezifisch ist beim Online-Kauf, dass der Nutzer durch das Internet quasi Zugriff auf die ganze Welt hat und damit “eine Potenzierung der eigenen Bemühungen und Möglichkeiten” erfährt. Trotzdem suchen die Kunden immer wieder nach der Absicherung im Realen (Empfehlungen von Freunden, Bekannten, Zeitschriften, Magazinen). Vorhandene Sicherheitsbedenken bezüglich der Zahlungsform stellen laut Studie eher den Versuch dar, “sich selbst beim Online-Shopping Grenzen zu setzen” – vor allem bei den so genannten Light-Shoppern, die darin eine Möglichkeit der Begrenzung “gegenüber dem Total des Online-Shopping-Universums” sehen.
Erklärt wird dies mit dem Umstand, dass bestimmte Mechanismen der Kauflust-Begrenzung beim Online-Kauf wegfallen und neue Grenzen gezogen und entwickelt werden müssen. Die als “unsicher” definierten Tabuzonen grenzen die Möglichkeiten des Verhaltens ein: Der Shopper traut sich selbst nicht zu, sein eigenes Kaufverhalten im Internet zu kontrollieren und schreibt diese Unsicherheit dem System zu. Unterschieden wird dabei außerdem zwischen “Light-Shoppern” und “Heavy-Shoppern”, wobei erstere sich nicht unbedingt in einem Vorstadium befinden, sondern eine eigene und andere Kategorie darstellen. Diese Nutzer halten sich eher an starre (“externe”) Begrenzungen, ohne eigene (“interne”) Kontrollfunktionen gegenüber dem Kauf-rausch ausgebildet zu haben – das heißt, sie haben ihren Schwerpunkt in einem einzigen Bereich oder Shop (beispielsweise nur Flüge online buchen, nur Bücher bestellen oder nur die Fanartikel des Lieblingsvereins zu kaufen). Generell heizt “online” die Kauflust an, weil die ganze Welt zum Kaufhaus wird.
Dies wird damit erklärt, dass vor dem heimischen Monitor mehr Raum für heimliche Begierden, Abschweifen und tagträumerische Zustände ist, wo man auch Unbezahlbares, Exotisches, Erotisches und auch Verbotenes finden kann. Zwar fehlen die sonstigen Aspekte des Einkaufens, wie Gerüche, Geräuschkulisse oder das Gedränge, dafür können die virtuellen Einkaufswelten aber völlig ungestört erforscht werden – auch ein positives Gefühl. Dafür sind wiederum direkte Produkterfahrungen (Anfassen, Riechen, Schmecken) nicht möglich und bei exzessiver Nutzung des Computers droht Vereinsamung.
Andererseits entsteht aber auch ein neues Gefühl der Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmtheit (“Warum soll ich mich mit einer Verkäuferin herumärgern, die weniger Ahnung hat als ich selbst, dann mache ich das lieber alleine”). Allerdings kann diese Freiheit auch zu Überforderung und Desorientierung führen – weil sich in den unendlichen Weiten des Internet zu jeder Uhrzeit ja noch immer etwas Besseres finden lässt. Die Nutzungsformen beim Online-Shopping sind in sich ebenfalls auch noch sehr spezifisch. Herauskristallisiert haben sich in erster Linie: Conveniente Abwicklung, Schnäppchenjagd, Unterhaltungs-
programm, Erweiterung von produktspezifischen Welten, Suche nach Besonderem.
Bei der Convenienten Abwicklung steht vor allem die Entlast-
ung von Routineeinkäufen im Mittelpunkt, also Standardgüter für den alltäglichen Gebrauch, die ständig neu besorgt wer-
den müssen und die alsbald nach Hause geliefert werden sol-
len (Technische Verbrauchsgüter, Elektronikartikel, Geträn-
ke, Standard-Lebensmittel, Windeln, Babynahrung, Hygiene-
artikel, Tierfutter). Die Schnäppchenjagd findet in allen Produktbereichen statt und löst besondere Erregung aus.
Interessant ist hierbei, dass wegen günstiger Angebote alle Sicherheitsbedenken, die sonst beim Onlinekauf eine Rolle spielen, überwiegend ausgeblendet werden. Beim Unterhaltungsprogramm werden die Grenzen des Machbaren und des Neuen erforscht (“Funktioniert das wirklich?”). Die Studie kommt hierbei zu dem Schluss, dass E-Commerce als modernes Gesellschaftsspiel und als abendliches Event die TV-Unterhaltung ablösen könnte.
Die Erweiterung produktspezifischer Welten beinhaltet vor allem Produkte, die sich online besser erleben lassen, als offline, vor allem Reisen, Tickets und Eintrittskarten. Hier ist meist ein virtueller Ausflug mittels Klängen und Bildern möglich, den es im Geschäft so nicht geben kann. Außerdem ist man beispielsweise nicht an bestimmte Angebote einer Reiseagentur gebunden.
In diese Angebotskategorie gehört auch der Bereich Banking und Brokerage, der grundsätzlich virtuell ist bleibt, weil hier keine Auslieferung von Produkten stattfindet; hier bedeutet online, ständig aktiv dabei sein zu können und Einfluss zu nehmen. Beim Angebot von Büchern, CDs und Videos erschließen sich neue Welten oft erst bei der Benutzung, zudem findet sich oft eine größere Auswahl von Spezial-
anbietern, die sich offline gar nicht erst finden lassen.
Bei der Suche nach etwas Besonderem stehen spezielle Interessen und Liebhabereien im Vordergrund – getreu dem Motto: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Dies kann sich ebenso auf Antiquarisches, besondere Hobbies, erotische Artikel, Alkoholika und Exotisches aus fremden Ländern beziehen. So wird das Internet zur digitalen Seidenstraße, mit dem Unterschied, dass die Waren nicht mehr Jahre brauchen, um ihren Weg in andere Länder und Kontinente zu finden. Die Studie zeigt außerdem für die Händler die Erfolgsfaktoren beim Online-Shopping auf.
Dies geht von der professionellen Gestaltung der eigenen Website, dem Produktangebot (realistische Abbildungen), dem Bestellvorgang (Überprüfbarkeit des Bestellstatus, Nachvollziehbarkeit, verschiedene Zahlungsmöglichkeiten), der professionellen Lieferung (auch mit naher Abholmöglichkeit für schwer erreichbare Kunden) bis hin zur Rücknahmemöglichkeit (auch unterhalb eines Bestellwertes von 40 Euro, kompetenter Service). Für die Kundenbindung und die Gewinnung von Neukunden also eigentlich nichts grundlegend Neues… Im folgenden soll noch einmal auf die spezifische Produktanalyse “Haltbare Lebenmittel und Getränke” eingegangen werden. Dazu gehören unter anderem Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis Mehl sowie Erfrischungsgetränke, Konserven oder Tiernahrung. Danach haben sechs von zehn der Befragten aus der oben genannten Produktgruppe schon einmal Süßwaren online bestellt, rund vier von zehn der Befragten außerdem bereits einmal Tierfutter, Getränke oder Grundnahrungsmittel. Konserven hat bereits ein Drittel der Befragten schon einmal in den virtuellen Warenkorb gelegt. Bei dieser Produktgruppe zeigt sich besonders die Dominanz von Offline-Quellen bei der Informationsbeschaffung (sechs von zehn Shoppern). Gekauft wird insgesamt aber in diesem Bereich überwiegend offline – acht von zehn Personen. Gleichsam online wie offline kauft nur jeder Zehnte, eher nur online kaufen rund fünf Prozent. Bevorzugt werden dabei die Shops, ein kleiner Personenkreis kauft haltbare Lebensmittel und Getränke über Online-Auktionen ein. Fazit: die Vorteile des Online-Kaufs von haltbaren Lebensmitteln und Getränken haben sich noch nicht umfassend herumgesprochen und werden noch nicht entsprechend wahrgenommen. Als “wertvolle Informations-
quelle” sehen sechs von zehn Shoppern spezielle Verbrauchersites, die auch unabhängige Warentests beinhalten, während die Hälfte interessante Informationen aus Shopping-Portalen bezieht, von denen aus eine Vielzahl von Shops “besichtigt” werden kann. Für vier von zehn Befragten gehören dazu auch Meinungsportale und Online-Shops.
Die Websites der Hersteller hält lediglich ein Viertel der Befragten für eine interessante Informationsquelle. Gemein-
sam ist allen Shoppern dieser Produktkategorie, dass sie treue Kunden sind, die ihren Shop selten wechseln, wobei ein umfassender Produktüberblick weniger angestrebt wird, aber dafür der Spaß am Ausprobieren von Auslandsanbietern eine vergleichsweise wichtige Rolle spielt. Spezielle Anforderung-
en an die Shops werden seitens der Käufer in der Regel nicht gestellt, weil die Produkte des täglichen Bedarfs kaum weiterer Erklärung bedürfen. Auffällig ist, dass der Anteil der weiblichen Shopper in diesem Produktbereich mit etwas über 50 Prozent höher liegt, als bei der Gesamtheit aller Shopper.
Überrepräsentiert sind außerdem die Nichtberufstätigen, während Personen in leitenden Positionen sowie über 50 Jahre seltener bei diesem Bereich online sind. Die Stammkundschaft zeigt sich also vergleichsweise stabil, hat aber gegenüber der Allgemeinheit der Internet-Nutzer ein geringes Potenzial.
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 3/2002