Kulturgeschichte: Wein kann für Frauen gefährlich sein..

Text: Timur Dosdogru

Das ist mal wieder typisch: im Weinberg dürfen, müssen und sollen Frauen arbeiten – beim Trinken sieht es wieder anders aus. Da tat sich die Männerwelt aus vielerlei Gründen schon seit Jahrtausenden schwer. Nun können bezechte Frauen (wie natürlich auch und meist Männer) etwas Furchtbares sein, aber die männlichen Gründe, Frauen den Weingenuss zu verweigern, beziehungsweise streng zu ahnden, liegen oder lagen überwiegend darin, dass sich die Auserwählte im frohen Sinnesrausch nicht etwa leichtfertig einem anderen an den Hals werfen sollte – könnte man platt sagen. Dies wurde früher auch gern mit Aberglauben und religiösem Wahn verbrämt, aber wohl ausgehend von der Tatsache, dass der betrunkene Mensch im allgemeinen schon mal diesen oder jenen Unsinn anstellt.

Überliefert ist, dass sich schon die Babylonier mit dem Thema Frauen und Wein schwer taten. Unter König Hammurabi (1728 bis 1686 v. Chr.) wurden Priesterinnen und Kultdienerinnen mit dem Tod bestraft, wenn sie es wagten, eine Weinstube überhaupt zu betreten.

Auch die sinnenfrohen Griechen sollen unter den Frauen nur den Hetären den Weingenuss erlaubt haben. Auch die Römerinnen hatten es zunächst nicht besser. Zwar berichtet Lucius Seneca (4 v. Chr. bis 65 n. Chr.), „unsere Frauen trinken mit männlicher Freiheit und durchzechen die Nächte mit gefüllten Bechern“, doch konnte es eine Römerin durchaus das Leben kosten, wenn sie dabei erwischt wurde. Ein gewisser Egnatius Metallus prügelte seine Frau mit einem Stock zu Tode, nachdem er sie beim Trinken ertappt hatte, eine andere Familie zwang ein weibliches Mitglied zum Hungertod, nachdem es das Wandschränkchen mit den Schlüsseln zum Weinkeller aufgebrochen hatte. Die Römer machten es sich sehr einfach, wenn sie ihre Frauen loswerden wollten: ein winziger Schluck hatte oft die Scheidung zur Folge. Natürlich sollten alkoholbedingte Seitensprünge nur bei den Frauen verhindert werden – das waren noch Zeiten…

Konsul Cato (234 bis 149 v. Chr.) war ein Anhänger strenger altrömischer Sitten. Zu dessen Zeit soll der Kuss dem römischen Mann allein dazu gedient haben, um festzustellen, ob die Frau etwas getrunken hatte oder nicht. Aber: die trinkenden Römerinnen waren nicht mehr aufzuhalten, je mehr das Reich und dessen Sitten verfielen. So ist eine Art „Säuferkartei“ des Schriftstellers Claudius Aelinus bekannt, in der eine Römerin namens Klio erwähnt wird, welche die Männer unter den Tisch trinken konnte. „Für Frauen ist es nicht gut, zu viel zu trinken. Sie schnappen leicht über und zudem schläfert der Wein die Sinne ein, die man bei einer Dame quicklebendig finden möchte“, beschwert sich seinerzeit Aelinus über diese Zustände, der wohl selbst einmal einen kleinen Schoppen zuviel erwischt haben wird.

Auch die Juden sollen den Weingenuss bei ihren Frauen nicht toleriert haben, auch wenn der Becher Wein religiös nicht ausdrücklich verboten war. Bei den Israeliten wollten die Männer beim Weingenuss wohl ebenfalls unter sich bleiben. Bei den Christen hingegen wurde die Maria schon früh als Schutzpatronin des Weinbaus betrachtet, Rebstock und Wein spielen in dieser Religion eine besondere Rolle. Die Heilige Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) erlaubte ihren Nonnen eine tägliche Weinration, kannte sie sich doch mit der therapeutischen Wirkung des Weins bestens aus. Zwar weiß man bis heute nicht, wie sie es selbst mit dem Wein hielt, aber bis heute gibt es noch über 30 mit Wein versetzte Kräuterrezepturen aus ihrer Feder.

Hildegards Benediktiner-Nachfolgerinnen bauen auch heute noch in Eibingen bei Rüdesheim im Rheingau im klostereigenen Weingut den Rebensaft an. Angeblich gönnen sie sich aber getreu dem Motto „discretio“ (Maßhalten) ihres Vorbildes nur sonntags zum Mittagessen ein gutes Glas Wein. Die gewöhnlichen Frauen des Mittelalters und damit Zeitgenossinnen der Hildegard haben es laut Überlieferung mit dem Maß aber nicht so penibel genommen, sondern eher wüst zugeschlagen. Männliche Gegenmaßnahmen waren damit vorprogrammiert; so durften Mainzer Frauen im Jahr 1443 beispielsweise keinesfalls in die „Ehrbare Weinzunft“ aufgenommen werden.

Die Weinbruderschaft Rheinhessen hat übrigens wohl keine Lust, sich auch noch die Schwesternschaft anzuhängen und hält es bis heute genauso, wie zahlreiche ähnliche Vereinigungen. Der Bischof von Speyer wollte die Trinkfestigkeit seiner Zeitgenossinnen nicht durchgehen lassen und verfügte 1466 ganz oberkirchlich, dass bei Taufen die Kindsmutter nicht mehr als zehn Freundinnen einladen durfte.

Allerdings wird gemutmaßt, dass dieses Dekret wohl kaum die mystischen Rituale der „Kindbett- oder Weiberzeche“ beendete, weil diese im Zimmer der Wöchnerin stattfanden und das Essen und Leeren des „Tönnchen Wein“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wenn das „weibliche Vermögen, Kinder zu gebären“ entsprechend gefeiert wurde. Nochmal zum Wein und zur damit verbundenen (Frauen-)Arbeit: Mitte vergangenen Jahrhunderts bekamen die Weinbergsarbeiterinnen eine tägliche Portion Wein – welch ein Fortschritt.

Heute regt sich wohl in unserem Kulturkreis kein Mensch (Mann) mehr auf, wenn die Damen dem Wein zusprechen. Aber die harte Arbeit in den Steilhängen an der Mosel beispielsweise liegt immer auch noch fest in Frauenhand. Daran hat sich nicht viel geändert.