Kölsch – Tiger im Tank der rheinischen GastronomieKölsch – Tiger im Tank der rheinischen Gastronomie

von Timur Dosdogru

Von Nicht-Rheinländern/-Kölnern (und auch von Düsseldorfern) wird das helle Obergärige zwar oft wüst geschmäht, aber die Biersorte Kölsch ist nun einmal der Motor der rheinischen Gastronomie – trotz eines weiter rückläufigen Gesamtbiermarktes und des weiteren Pils-Vormarsches in diesen Markt. Auf der Homepagewww.koelsch-net.de findet sich beispielsweise unter der Rubrik „Kölsch vs. Alt“ eine besonders fiese Darstellung, die offensichtlich einem Altbier-benebelten Hirn entsprungen ist, aber dennoch zumindest den Nicht-Kölner zum Schmunzeln anregt: Mit der Unterschrift „So wird KÖLSCH gebraut“ ist dort ein Cartoon mit einem zufrieden wirkenden Pferd abgebildet, welches aus einem überdimensionierten Altbierbecher säuft und gleichzeitig in eine Kölschstange uriniert. Die Kölner rächen sich für solche Nettigkeiten, indem sie die Altbiermetropole als „Dorf am Bach“ schmähen, mit dem Verweis darauf, dass die Düssel nun wirklich nicht mehr als ein Rinnsaal sei.

Vor allem aber die Kölner halten ihrem „Nationalgetränk“ die Treue. Das geht sogar so weit, wenn man in einer Kölner Kneipe ein Wasser bestellt, mit der spöttischen Frage rechnen muss, ob man „Handtuch und Seife dabei?“ wünsche. Kölsch lebt vor allem seit jeher durch einen immensen Fassbieranteil, der bei rund 46 Prozent liegt. Für Gesamtdeutschland liegt der Fassbieranteil aller deutschen Brauereien bei nur noch 20 Prozent. Branchenkenner gehen sogar davon aus, dass insgesamt in der Domstadt etwa 80 bis 90 Prozent des dort insgesamt getrunkenen Bieres auf die Sorte Kölsch entfallen – quasi über vier von fünf Gläsern Bier, die in Köln getrunken werden. Nach dem zweiten Weltkrieg verhielt es sich im Kölschmarkt allerdings anders als im Gesamtbiermarkt, wo zwei drei Jahre später die Nachfrage enorm stieg: 1950 trank jeder Bundesbürger durchschnittlich noch 36 Liter, bis Mitte der 70er Jahre stieg der Pro-Kopf-Verbrauch auf über 150 Liter und lag im letzten Jahr bei nur noch 123,5 Liter. Obergärige Biere hatten durch die Jahrhunderte zuvor in Deutschland die führende Rolle gespielt, weil für diese Hefe nicht so niedrige Temperaturen gebraucht wurden wie für untergärige Hefen.

Die Erfindung der Kältemaschine von Carl Linde gegen Ende des 19. Jahrhunderts änderte dies allerdings und die untergärigen Sorten wie Pils und Export setzten sich im Markt zunehmend durch. Dies bekamen auch die Brauer in Köln zu spüren: vor dem Zweiten Weltkrieg betrug der Anteil von Kölsch weniger als zehn Prozent. Eine Renaissance erlebte die heimische Bierspezialität erst wieder in den 50er und 60er Jahren, was dazu führte, dass die Kölner Brauer ihren Ausstoß bis Ende der 80er Jahre verzehnfachen konnten. Das Rekordjahr für Kölsch war 1983, wo knapp 3,8 Millionen Hektoliter produziert werden konnten.
Nach der Sortenstatistik des Verbandes Rheinisch-Westfälischer Brauereien ist der  Kölsch-Ausstoß im vergangenen Jahr auf rund 2,6 Millionen Hektoliter gesunken und habe sich aber nun stabilisiert, heißt es. Auch im Umland konnte Kölsch seine starke Position in den letzten Jahren behaupten, in Neuss, Wuppertal und Koblenz liegen die Kölschanteile noch teilweise bei bis zu 50 Prozent, in ganz Nord-rhein-Westfalen immerhin noch etwa zehn Prozent. Bundesweit sieht es mit rund drei Prozent natürlich bescheiden aus. Trotzdem sind diverse Kölschmarken, von denen es derzeit 33 (Stand September 2002) geben soll, auch in großen Städten wie Berlin, Hamburg, Hannover oder Stuttgart vertreten, wo auch noch ein Wachstum möglich ist.

Eine starke Biermarke ist nun einmal in der Gastronomie stark vertreten, daran hat sich auch bisher nichts geändert. Laut Nielsen soll Kölsch aber auch im Kölner Stammgebiet im Handel mit 43 Prozent (Pils: 36 Prozent) die Nase vorn haben, andere Sorten spielen hier schon gar keine Rolle mehr. Dies ist umso auffälliger, weil die großen Handelsketten auch ihr (Pils-)Bierangebot meist bundesweit und überregional von den großen Brauereien listen, welche im Handel in der Regel mehr Einfluss ausüben können, als in der Gastronomie. Dazu kommt noch, dass andere Biersorten überall gebraut werden dürfen, was beim Kölsch nicht der Fall ist – sogar per EU-Recht ist Kölsch als qualifizierte geographische Herkunftsbezeichnung geschützt und darf nach einem endgültigen Beschluss des Kölner Oberlandesgerichts im Jahre 1980 in der Domstadt selbst oder von einigen wenigen namentlich genannten Brauereien in der Umgebung hergestellt werden, wozu beispielsweise die im oberbergischen Land gelegene Erzquell Brauerei Bielstein Haas & Co. KG, Wiehl-Bielstein, mit der Marke Zunft Kölsch gehört.

Auch die so genannte Kölsch-Konvention, der sich die Brauer in Anlehnung an das Urteil von 1980 verschrieben haben, legt mit strengen Regeln und Vorschriften genau fest, was Kölsch sein darf und was nicht und auch, worin es abgefüllt und ausgeschenkt werden muss – daher auch beispielsweise die charakteristische Kölschstange, die auch nur so aussehen darf. Gerade über die Beschaffenheit der Gläser hat es aber auch schon mal Krach gegeben in der Zunft. Vor einigen Jahren hat die Brauerei Gaffel es schon einmal gewagt, Kölschstangen mit einer leicht angedeuteten Tulpenform auf den Markt zu bringen – sehr schöne Gläser, wohlgemerkt. Diese mussten aber wieder vom Markt genommen werden, weil Mitbewerber mit Verweis auf die Kölsch-Konvention erfolgreich ihr Veto eingelegt hatten. Und erst Mitte Oktober diesen Jahres meldete dpa, dass die Form von Kölschgläsern wieder einmal für Wirbel unter Wirten, Brauern und Biertrinkern sorge.

Grund: seit zwei Jahren seien Kölschgläser verschiedener Marken auf dem Markt, die angeblich eine schlankere Form als ihre Vorgänger hätten und in denen das Bier laut Ansicht der Wirte länger schäume. Diese klagten darüber, man müsse deshalb mehr Kölsch in die Gläser füllen, um den Eichstrich zu erreichen. Dies führe zu einem Schankverlust von bis zu zehn Prozent, so die Wirte.

Deswegen war das Thema so wichtig, dass die Versuchs- und Lehranstalt für Brauereiwesen in Berlin mit einer Studie dazu beauftragt wurde. Ergebnis: die Wissenschaftler gaben den Wirten nach umfangreichen und aufwändigen Untersuchungen recht, höhere Gläser bedeuteten …