“Garagenweine zu produzieren macht keinen Sinn”

von Wilfried Moselt

“Garagenweine zu produzieren macht keinen Sinn” Das hat ein Winzer gesagt, der zu den herausragenden Machern im österreichischen Weinbau zählt und nicht nur mit seinem Schilcher, dem rassigen, lebendigen weststeirischen Paradewein aus der Rebsorte “Blauer Wildbacher”, absolut überzeugende Qualitäten auf die Flasche bringt. Christian Reiterer, der gestandene
Weinhauer aus Wies in der Weststeiermark, spricht aus, was viele Weinerzeuger lieber hinter vorgehaltener Hand andeuten, nämlich dass ihre Kunden am liebsten leichte Weine trinken und sich davon in den Größenordnungen eindecken, die das Weingut, die Weingärtnergenossenschaft, die Weinkellerei zum Überleben braucht. Das Problem ist nur, dass leichte Weine keinen Ruhm
einbringen, weil die Experten und solche, die sich dafür halten, den leichten Trinkweinen gegen die schweren alkoholreichen Verkostungsweine bei “Weinproben mit Urkundenzuteilung” keine faire Chance einräumen.

Schade ist’s. “Wir haben in den letzten Jahren in Österreich

gesehen, dass kräftige Weine zwar gut zum Verkosten sind, für den alltäglichen Genuss aber immer wieder leichtere Weine mit etwa 11,5 Vol.-Prozent Alkohol verlangt werden”, sagt Christian Reiterer. “Wir versuchen Weine zu machen, die typisch für die Region und typisch für die Sorte sind und auch an allen Tagen getrunken werden können – und die man sich auch jeden Tag leisten kann.

So erzeugen wir in unserem Weingut zum Beispiel eine leichte Version eines Sauvignon Blanc mit 11,5 Vol.-Prozent Alkohol, den uns unsere Kunden regelrecht aus den Händen reißen. Wir haben auch einen Lagen-Sauvignon ausgebaut mit 14 Vol.-Prozent Alkohol, der durchaus gerne verkostet wird. Mitgenommen aber wird der leichte Wein.” Zu begrüßen wäre es, wenn man sich auch in der Fachpresse allmählich von der Vorstellung verabschieden würde, dass alkoholreiche Weine, die sich für den Verkostungsschluck aufdrängen, höher einzustufen seien als Trinkweine, an denen man sich gütlich tun kann. Es ist an der Zeit, über einen neuen Verkostungsmodus nachzudenken. Schwere, alkoholreiche Renommierweine und leichtere Trinkweine sollten bei Verkostungswettbewerben gesondert probiert werden. Leichtere Weine dürfen nicht allein schon deshalb benachteiligt werden, weil sie einen geringeren Alkoholgehalt aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass der deutlich überhöhte Anteil schwerer Weine bei offiziellen Weinproben, regionalen Ausstellungen und internationalen Weinmessen, der kein Spiegelbild der
Weinwirklichkeit in Winzerkellern ist, deutlich schrumpfen würde, und zwar zum Wohle aller – zum Wohle der Erzeuger, der Verbraucher, der Händler und Wieder-verkäufer in der Gastronomie und Hotellerie und nicht zuletzt der Verkehrsteilnehmer.

Beispiele für große Weinbaubetriebe in Österreich, die mit einer breiten Palette leichterer Weine (bis maximal 12 Vol.-Prozent bei Weißweinen und ca. 12,5 Vol.-Prozent bei Rotweinen) auch bestens auf dem deutschen Markt, dem wichtigsten Partnerland für den österreichischen Weinexport, vertreten sind und damit “gut fahren”, sind die “Winzer Krems”, die “Freien Weingärtner Wachau” und die Weinkellerei Lenz Moser AG.

Die Winzer Krems, eine Winzergenossenschaft mit Sitz in Krems im Kremstal und einer Vertragsrebfläche von ca. 1.200 Hektar, die von rund 2.000 Mitgliedsbetrieben bewirtschaftet werden, ist in Österreich führend im Flaschenweinexport. Von den nach Deutschland importierten österreichischen Weinen stammen fast 40 Prozent aus der Kellerei “Winzer Krems”.

Die “Freien Weingärtner Wachau”, eine Winzergenossenschaft mit Sitz in Dürnstein in der Wachau mit 778 Mitgliedern und 600 Hektar Rebfläche, füllt jährlich rund drei Millionen Flaschen ab. Mehr als drei Viertel der vermarkteten Weine sind der Kategorie der leichten Weine zuzuordnen (“Steinfeder”- und “Federspiel”-Weine). Ein gut Teil davon geht nach Deutschland. Die
Vermarktungsfläche der Weinkellerei Lenz Moser AG mit Stammsitz und Weingärten in Rohrendorf im Kremstal und weiterem Weinbergsbesitz in Mailberg im Weinviertel und in Siegendorf im Weinbaugebiet Neusiedlersee-Hügelland beträgt rund 2.000 Hektar. Von den rund elf Millionen Litern, die in dem Unternehmen erzeugt werden, entfällt der bei weitem größte Teil auf die leichten Weine. Hauptexportland ist Deutschland.

Hier einige weitere Stellungnahmen von österreichischen Winzern zum Thema “Leichte Weine”. Johann Schmelz aus Joching in der Wachau: “Steinfeder und Federspiel sind unser tägliches Brot. Das sind Weine, die die Sinne anregen. Da kann man auch gerne eine zweites und drittes Glas trinken.” Richard Ament von den “Winzern Krems” in Krems im Kremstal: “Die leichteren Weißweine unter 12 Vol.- Prozent Alkohol sind typisch für unser Sortiment. Sie spielen bei uns eine ganz große Rolle, und es sind genau die Weine, die von den Kunden gewünscht werden.”

Ludwig Hiedler aus Langenlois im Kamptal: “Der leichte Wein, den ich bei zwölf bis maximal 12,5 Vol.-Prozent ansiedle, macht bei uns im Weingut mehr als zwei Drittel aus. Der Rest sind dann kräftige Weine, unter denen wiederum die sehr kräftigen Weine, die man als Granaten bezeichnen kann, mit etwa zehn Prozent vertreten sind. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass das
natürlich tolle Her-zeige-Weine, Verkostungsweine sind, die immer ganz hoch bewertet werden, die aber nicht den Trinkspaß, die Trinkfreude vermitteln wie leichtere Weine, die man wirklich glasweise trinken kann. Der Trend beim Weißwein wird sicherlich – und wir diskutieren das auch in der Kollegenschaft – in die klassische Kabinettrichtung gehen, hin zum trockenen fruchtbetonten Weißwein, der auch mineralisch sein kann und zugleich süffig und nicht zu säurebetont ist und um die 11,5 bis 12 Vol.-Prozent liegt. Also ein klassischer Kabinett der alten Prägung.”

Birgit Braunstein aus Purbach im Neusiedlersee-Hügelland: “Bei uns im Burgenland wird gerne der Welschriesling getrunken, der leichte spritzige Sommerwein, der sehr animierend ist. Er gelingt bei uns im Leithagebirge sehr rassig und macht Spaß. Davon
lässt sich gern ein weiteres Glas trinken.”

Werner Zull aus Schrattenthal im Weinviertel: “Wenn man unter Tags zusammensitzt, trinkt man gerne solche leichten Weine, zum Beispiel einen leichten fruchtigen Grünen Veltliner, der filigran ist und nicht unbedingt diese Dichte, diese Breite eines schweren Weins hat.”

Roman Pfaffl aus Stetten im Weinviertel: “Ziel unseres Betriebes ist nicht, übertriebene Verkostungsbomber zu produzieren, sondern solche, die vor allem auch in der Gastronomie zu trinken sind. Weine, die preislich so gestaltet sind, dass der Gastronom sie glasweise ausschenken kann. Weine, die man trinkt, ohne weiter darüber zu philosophieren und die trotzdem von sehr, sehr guter Qualität sind. Realität ist, dass sich die Verantwortlichen mal Gedanken machen müssten zum Verkostungsmodus. In privaten hausinternen Verkostungen stellen wir immer wieder fest, dass Verkostungsweine zwar gerne probiert werden – wir hatten zum Beispiel zwei Riesenrotweine zur Verkostung angestellt, die sehr beeindruckten -, aber zwei, drei Glas von ihnen trinken, das würde ich nicht wollen.”

Johann Reinisch aus Tattendorf in der Thermenregion: “Wir haben 80 Prozent Rotwein, 20 Prozent Weißwein. Für mich sind die physiologischen Werte wichtig. Die Rotweine liegen bei ca. 12,5 Vol.-Prozent Alkohol.” (Das entspricht dem Alkoholniveau der großen Bordeaux-Weine.) Eduard Tscheppe aus Leutschach in der Südsteiermark: “Der Wein soll nach mehr schmecken. Wir haben in der Steiermark so tolle klimatische Bedingungen, dass wir leichte Weine mit viel Frucht und relativ viel Körper erzeugen können.

Die Bewertung zielt zur Zeit ziemlich in die falsche Richtung, weil immer nur diese so genannten Granaten ausgezeichnet werden. Deshalb zeigen die Winzer ihre leichteren Weine nicht so gerne her und nehmen zu Ausstellungen vorwiegend nur diese Granaten mit. Da ist sicherlich ein Umdenken erforderlich.”

Dem Präsidenten des Bundesweinbauverbandes der Weinbautreibenden Österreichs, Josef Pleil, wird nachgesagt, sich wie folgt geäußert zu haben: “Von Verkostungsweinen wird mehr ausgespuckt als getrunken.” Recht hätt’ er.