E-Commerce-Schwachpunkt: Kundenservice und sinnvolle Markenpflege

von Timur Dosdogru

Im Internet ist der Kunde noch lange nicht immer König. Dies haben der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV), Wiesbaden, und die dtms AG, Mainz, in einer Studie des Marktforschungsinstitutes Skopos festgestellt. Besonders der Service sei oft noch ein Stiefkind des E-Commerce, heißt es, besonders bei der Beratung per E-Mail und am Telefon hapere es oftmals. “Die Wartezeiten am Telefon und die Reaktionszeiten auf E-Mail-Anfragen sind vielfach noch zu lang”, meint Bettina Höfner, Leiterin Neue Medien beim DDV. Ihr besonderes Augenmerk richteten die Hürther Marktforscher vor allem auf die Angebote von Telekommunikationsanbietern, Stromversorgern, Banken und Sparkassen sowie des Versandhandels. Immerhin knapp die Hälfte der Unternehmen, ergab die Studie, beantwortet Anfragen per E-Mail oder Internetformular binnen 48 Stunden. Aber: ein Drittel der Unternehmen gibt nach 14 Werktagen immer noch keine Antwort – ein guter Grund für den Kunden, der schnelle und kompetente Beratung wünscht, sich dem nächsten Wettbewerber zuzuwenden. Außerdem betrug in der Studie die durchschnittliche Wartezeit in den telefonischen Warteschleifen über eine Minute – zu lang, 80 Prozent der Anrufer, so die Empfehlung, sollten innerhalb von 20 Sekunden an einen Ansprechpartner gelangen. “Dies ist für die Kunden ein akzeptabler und für das Unternehmen ein wirtschaftlich vernünftiger Servicelevel”, heißt es mahnend. Verbesserungswürdig ist auch der “Problemlösungsgrad” bei den telefonischen Anfragen, der in der Studie bei insgesamt 59 Prozent liegt. Interessant ist vor allem, dass der Hotlineservice bei Banken am niedrigsten liegt, während Stromanbieter den höchsten Service aufweisen. Hierbei schneiden die Servicerufnummern in der Beratung besser ab als die Hotlines. Der Problemlösungsgrad bei E-Mail-Anfragen und per Internetformularen liegt um 43 Prozent niedriger als bei telefonischen Anfragen. Hier zeigt sich der Versandhandel beim Kundenservice am stärksten, 70 Prozent der Fragestellungen werden hier beantwortet – im Gegensatz zu den Finanz- und Telekommunikationsdienstleistern, die bei den Online-Medien deutlich weniger Beratungsleistung bringen. Ausdrückliche Empfehlung der Marktforscher: “Fachkundige und geschulte Agents, kombiniert mit modernster Call-Center-Technik sind Voraussetzung einer effizienten Beantwortung von Kundenfragen.” Bereits jetzt zeigten schon namhafte Unternehmen mit gutem Service, “dass dies heute Standard sein sollte”.

Service-Rufnummern sind am beliebtesten

Am meisten werden bei den Kontaktangeboten auf den E-Commerce-Seiten Telefon und E-Mail genutzt (64 Prozent). Auf dem Postweg lassen 44 Prozent der Unternehmen in Sachen Service erreichen, per Internetformulare sind es 43 Prozent und über Fax 40 Prozent. Call-Back-Services, über die der Seitenbesucher einen Rückruf anfordern kann, werden lediglich von drei Prozent der Firmen angeboten. Eine Hotline über Servicerufnummern bieten 58 Prozent der Unternehmen auf ihrer Homepage an, wobei die 0180-Nummer am meisten genutzt wird. Auf diese kostenteilende Rufnummer, die den Anrufer zwischen zwölf und 24 Pfennig pro Minute kostet, setzen vor allem die marktführenden Unternehmen. Immerhin jedes vierte mittelgroße Unternehmen lässt die Kunden über 0800-Nummern umsonst anrufen. Fazit der Marktforscher: Optimaler Service für den Kunden lässt sich am besten mit Servicerufnummern erreichen, weil die Kosten für den Kunden klar ersichtlich sind und mit intelligenter Technik die Wartezeiten wesentlich verkürzt werden können.

Kann Online-Shopping zum “Breitensport” werden?

Und diese Maßnahmen sind auch nötig, denn laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes Emnid im Auftrag von AOL Deutschland nutzen immer mehr Bundesbürger das Internet für Einkäufe. Allerdings läuft dieses Geschäft noch recht schleppend, zunehmend mehr Mittelständler wenden sich enttäuscht vom Internet ab – außer dem Versandhandel, der auf diese Verkaufsform große Hoffnungen setzt. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) will allerdings nicht mitteilen, wie viele Einzelhändler den Online-Handel aufgeben. Für 2001 erwartete der Verband beim Internet-Shopping einen Umsatz von fünf Milliarden Euro – ein Prozent vom prognostizierten Gesamtumsatz im deutschen Einzelhandel. In diesem Jahr soll der E-Commerce-Umsatz auf 8,5 Milliarden Euro oder auf 1,6 Prozent des Handelsumsatzes steigen. Nach Angaben des HDE kommt allerdings das Geschäft mit Lebensmitteln, Kleidung und Schuhen überhaupt nicht Gang. Bis zum Jahr 2010 wird erwartet, dass der Versandhandel in Deutschland per Internet rund zehn Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. Die über das Netz aufgegebenen Bestellungen machen zurzeit drei Prozent des Branchenumsatzes aus, dieser lag im Jahr 2000 bei 21,4 Milliarden Euro. Branchenriesen wie KarstadtQuelle und Otto hatten dabei aber schon einen Anteil von rund 40 Prozent zu verzeichnen.

Laut Emnid kaufen derzeit rund 12,8 Millionen Bundesbürger per Internet ein. Knapp zwei Drittel (62,6 Prozent) der Online-Shopper meinen, diese Form des Einkaufens erleichtere das tägliche Leben, womit die Zahl der Befürworter im Gegensatz zum Vorjahr um über ein Drittel gestiegen ist. Einen positiven Trend hinsichtlich des Online-Einkaufs verzeichnete auch das Hamburger Marktforschungsinstitut Fittkau & Maas mit einer eigenen Analyse im November 2001. Danach wollten 57 Prozent der deutschsprachigen Internet-Nutzer im nächsten halben Jahr online einkaufen. Im Frühjahr 2001 waren es noch 52,9 Prozent der Befragten gewesen.

Internet: Obligatorischer Bestandteil moderner Markenführung

Auch als Baustein moderner Markenkommunikation ist das Internet nicht mehr wegzudenken, wie Studien zeigen, welche die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) auf ihrer Jahrestagung in Nürnberg vorstellte. Das so genannte E-Branding ist eine wichtige Ergänzung in einem modernen Marketingkonzept – erst recht bei den E-Commerce-Anbietern. Dies haben Verbraucherbefragungen ergeben. Dabei hat sich gezeigt, dass Markenkäufer das Internet nutzen, Markenauftritte dort also nicht am Publikum vorbeigehen.

Die Forderungen nach Markenauftritten im Internet sind allerdings branchenspezifisch unterschiedlich ausgeprägt. So sind sie laut Professor Dr. Dr. h. c. mult. Heribert Meffert, Direktor des Institutes für Marketing an der Universität Münster, beispielsweise unerlässlich bei Marken in den Sparten Informationstechnologie oder Automobil, weniger dagegen in den Bereichen der so genannten Fast Moving Consumer Goods. Bei Verbrauchern, die in erster Linie Markenkäufer sind und solche, die zuerst auf den Preis achten, differieren die Ansichten zur Präsenz von Marken im Internet nicht großartig. Bei den Markenkäufern verliert eine Marke allerdings an Image, wenn sie im Internet nicht Flagge zeigt. Der große Teil der Unternehmen hat dies laut Befragungen mittlerweile auch erkannt und sieht E-Branding auch als festen Bestandteil der eigenen Markenführung. E-Branding stärkt vor allem die Beziehungen zwischen Marken und Kunden. Allerdings kann E-Branding die anderen Kommunikationsformen nicht ersetzen und stellt somit keine “Wunderwaffe” dar. E-Branding muss sich, soll es erfolgreich sein, konsequent am Markenkern ausrichten und sich nicht von formalen oder inhaltlichen Gestaltungsprinzipien der Marke abwenden. Deshalb darf das Internet laut Meffert auch keine Spielwiese für markenpolitische Experimente oder Abweichungen sein, um das Markenimage nicht zu beschädigen. Daher schlagen die Marktforscher folgende Prioritäten vor: zum einen Marke vor Medium sowie vernetzte Markenführung statt Markenführung im Netz. Erfolgreiches E-Branding erfordert die Verbindung mit anderen markenpolitischen Maßnahmen – Markenkenner vor Medienkenner. Die Sicherstellung der Markenorientierung und der instrumentellen Einbindung muss sich in der organisatorischen und personellen Verankerung der E-Branding-Aktivitäten widerspiegeln. Beth Rounds, Customer Research Inc., USA, berichtete von ihren Gesprächen mit Experten und Managern aus dem E-Business. Ihrer Ansicht nach haben sich die Prozesse der Markenentwicklung bereits generell verändert. In den klassischen Offline-Medien seien die Kunden passive Empfänger von Botschaften, wobei die Botschaft als solche unidirektional von einer Instanz an viele gerichtet sei.

“In den neuen Online-Medien ist Markenkommunikation kundenzentriert, dynamisch und zielt auf eine Beziehung. Kunden haben an Einfluss gewonnen und können Kritik gegenüber Marketing- und Markenbotschaften ausüben.

Die Kommunikation ist bidirektional, die Botschaften personalisiert”, so Rounds. Entsprechend sei die Markenentwicklung ein interaktiver Prozess, bei dem Käufer oder Kunden sich formieren könnten. Markenkommunikation in einem solchen Kontext bedeute zunächst Aufbau der Marke und später dann Reputation. Als hervorragendes Beispiel eines erfolgreichen E-Brandings nannte Rounds den Internet-Buchhändler amazon.

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 1/2/2002