4. Sommertage der Getränkewirtschaft Anno 2002 – ein Jahr nach „Inter-Beck`s“

Turbulenzen, Thesen und Tendenzen

von Monika Busch

In die Getränkebranche ist Bewegung gekommen, schneller als manch einer „verdauen“ kann und will. Deutlich wurde dieses auf dem Branchentreff, den „4. Sommertagen der Getränkewirtschaft“. Erstmals fand diesjährig die Veranstaltung in Berlin(29./30.8.02) statt. Rund 440 hochkarätige Teilnehmer trafen sich in Berlin zum „Stell-dich-ein“ – die bisher höchste Teilnehmerzahl, wie Initiator und  Veranstalter Rüdiger Ruoss (R.R.) erfreut feststellte.

Dem Motto „Turbulenzen schaffen Freiräume“ folgte die internationale Getränkeszene aus dem Bier-, AFG- und Spirituosenbereich – Vertreter der Handelsorganisationen und Verbänden sowie selbstredend die Sponsoren. Und hier waren mit 55 Prozent Vorstände, Geschäftsführer oder Inhaber anwesend. Die Top-Ten-Brauereien repräsentierten 70 Prozent, knapp 40 Prozent des deutschen Bierausstoßes war in Berlin vertreten. Zuspruch findet der Branchentreff vermehrt bei den Getränke-Einkäufern des LEH. Bietet sich doch bei den Pausen, dem „Get Together“ und bei dem „Pub-Stroll“ immer eine Plattform für den regen Austausch.

Warum das Motto „Turbulenzen schaffen Freiräume“? R.R.: „Der Strom in seiner Gleichförmigkeit, auch in einer gewissen Langsamkeit hat etwas Stetiges und Vorhersehbares. Die Getränkewirtschaft und die mit ihr verbundenen Absatzmittler sind sich bewusst, dass es zu weiteren Konzentrationen kommt, und dass, unabhängig von Betriebsgrößen, nur die Überlebensfähigen, beziehungsweise die Überlebenswilligen die nächsten zehn bis zwanzig Jahre überstehen werden. Die Wirbel, das heißt, die Bewegungen, ja sogar heftige Bewegungen im Sinne von Wirbelsturm und Wirbelwind, unterbrechen die Gleichförmigkeit eines Stroms und mischen diesen neu auf. Dies zeigen die bis vor zwei Jahren noch nicht erwarteten Markteintritte von Heineken und Interbrew innerhalb der deutschen Brauwirtschaft. Heftige Wirbel wird es auch in absehbarer Zeit im Bereich ,AfG‘, sowie bei den Absatzmittlern geben.

Massive Käufe, Verkäufe, Fusionen und Betriebsstilllegungen stehen in den nächsten Jahren bevor. Turbulenzen, beziehungsweise Wirbelstürme schaffen jedoch auch Freiräume für Nischenanbieter und kreatives Unternehmertum. Am deutlichsten wird dies bei den Ready-to-Drink-Produkten, die sich weitgehend zu Lasten des traditionellen Bierabsatzes im Getränkemarkt erfolgreich durchsetzen. Die Getränkewirtschaft ist so spannend wie noch nie.

Aber sie wird noch spannender. Für viele mit einem schlechten, für einige mit einem guten Ausgang.“ In 15 Vorträgen referierten 33 Referenten aus acht Ländern über die Entwicklung der Branche und ihrem Umfeld, samt Prognosen und Tendenzen. Unter der Leitung von R.R. und der Moderation von Dr. Peter Pfeiffer, Vice President A.T. Kearny, aus Düsseldorf referierten zum Thema „Haben die Biermärkte von Belgien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz Entwicklungen bereits vorweggenommen, die auf Deutschland noch zukommen?“  Jozef Keersmaekers, General Director der Brouwerij Corsendonk N.V., Belgien; Georg M. Lentz jr., Administrateur-délégué der Brasserie Nationale, Luxemburg; Magister Josef Sigl, Geschäftsführender Gesellschafter Privatbrauerei Sigl, Österreich und Kurt F. Uster, Präsident des Verwaltungsrates der Brauerei Baar AG, Schweiz. In Belgien, Österreich und der Schweiz hat sich die Zahl der Brauereien innerhalb von 30 Jahren nahezu halbiert.

Früh wurde auf aggressives Wachstum mit der Chance zur Internationalisierung gesetzt. Der Marktführer in Belgien hält heute noch einen Anteil von 56 Prozent, bei noch 113 Brauereien. In Österreich mit 105 aktiven Brauereien vereinnahmt der Marktführer 57 Prozent. In der Schweiz beansprucht der Spitzenreiter 47 Prozent bei noch aktiven 25 Brauereien. Jozef Keersmaekers von der belgischen Corsendonk Brauerei skizzierte „Wie Überleben? Wie Wachsen?“ als mittelständische Brauerei erfolgreich möglich sein kann. In unserem Nachbarland mit 10,5 Millionen Einwohner existierten 1990 noch 126 Brauereien mit einem Ausstoß von 14,1 Millionen Hektoliter bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 121 Liter. Aktuell produzieren noch 117 Brauereien rund 15 Millionen Hektoliter bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 98 Liter. Gestiegen ist in diesem Zeitraum der Export von 2,8 Millionen in 1990 auf 5,9 Millionen Hektoliter in 2001.

Die Brauereien, die ihre Tore schließen mussten, produzierten hauptsächlich Pils- und Lagerbiere und wurden zum größten Teil von der belgischen Interbrew geschluckt. Die Pilsproduktion wird zu 95 Prozent von zwei Brauereien kontrolliert, von Interbrew zu 80 und Alken-Maes zu 15 Prozent. Die Produktion von anderen Biersorten, also Spezialbieren, verteilt sich auf rund 100 Brauereien mit einem jährlichen Ausstoß von 20.000 bis 40.000 Hektoliter. Und hierzu zählt auch die Brauerei Corsendonk. 1953 erzielte die Brauerei einen Umsatz von 495.787,05 Euro, zehn Jahre später waren es bereits 2.478.935,20 Euro und für 2003 werden 37.184.028,72 Euro erwartet.

Dieses Wachstum begründet Keersmaekers mit der Marketingstrategie des Unternehmens. Zum einen wird auf eigene Marken gesetzt, das Klosterbier Agnus gilt als Exportschlager. Eine gezielte Auswahl vom Importmarken wie Bud, Pilsner Urquell und der Vertrieb der deutschen Mineralwassers Taunusquelle sind ebenfalls Wachstumsmotoren. Für Keersmaekers hat Interbrew dazu beigetragen, dass Belgien als Bierland weltweit bekannt wurde. Daher hätten kleinere Brauereien und Fachgroßhändler Gelegenheit, auf dem „globalen Markt“ mit Spezialitäten zu agieren.

Da Interbrew seinen eigenen Vertrieb ohne Getränkefachgroßhändler aufgebaut hat, reduzierte sich die Zahl von 1.951 in 1999 auf 1.195 in 2001. Seit dem Jahr 2000 kann auch jedes einzelne Hotel oder Gaststätte das Bier direkt zu einem günstigeren Preis bei Interbrew einkaufen. Und wesentlich preiswerter als ein Großhändler, der die …