The Dimple Highland Games: Der mit dem Baum tanzt

Wenn die Zitadelle Spandau inmitten der schottischen Highlands liegt, dann kreist der Hammer!

von Martin Joest

Berlin, Sonne, 25 Grad und keine Wolke am Himmel, es hätte ein so schöner Tag werden können. Und dann stehen sie da. Zwölf Kerle wie Baumstämme, keiner unter 1,80 Meter, die meisten um zwei Meter.

Und als ob Magersucht in ein anderes Jahrhundert gehört, laufen ins Stadion Prachtgestalten von nicht unter 108 Kilogramm und maximal 165 Kilogramm ein. Als wäre das alles nicht genug, tragen diese Kampfgewaltigen karierte Röck-chen, genannt Kilts. Ich bin hier falsch, oder doch nicht? 4000 Schaulustige (es sollten 7000 werden) scheinen wenig vor den tätowierten und berockten Muskelphänomenen erschrocken zu sein. Sie nehmen bereitwillig auf den Tribünen rings um die Arena in der historischen Spandauer Zitadelle platz. Der aufmerksame Besucher hat es auch schon längst entdeckt, rund um die Kampfbahn sind die Banden mit dem Ereignis beschriftet: “The Dimple Highland Games”.

Und jetzt ist alles klar: hier sind Röcke in Karomuster ein Teil der Tradition, die martialische Anmutung der Krieger ein Muss, um das Folgende überhaupt unbeschadet zu überleben. (In den Öffentlich-Rechtlichen wäre jetzt der Hinweis gekommen, das nicht zu Hause nachzumachen). Wenn die Röcke Männerbeine zieren, sind die Musiker mit den Sackpfeifen nicht weit.

Und so ist denn auch aus Frankfurt zur traditionellen Musikuntermalung einer solchen historienschwangeren Veranstaltung die Formation “The Clan Pipers” angereist. Und genau darum geht es. Die Geschichte und Tradition einer Region in Europa zu erhalten und zu festigen und diese in den Nachbarländern zu zeigen und zu zelebrieren. Zur Freude der Aktiven und der Zuschauer. Das Traditionshaus Dimple (seit 1627) möchte mit dieser noch älteren Tradition der schottischen Wettkämpfe (seit dem 11. Jahrhundert) Lebensart transportieren und für die raue herzliche Art der Schotten werben.

Es liegt im Selbstverständnis der schottischen Distillers, diese im Whisky wiederzufinden. Um so mehr ist Dimple bemüht, das Produkt nicht von seinem Ursprung zu separieren und in einem harmonischen nachvollziebaren Kontext zu belassen. Unmotiviertes Sportsponsoring gibt es ja bereits genug.

Apropos Sport, nachdem die Clan-Pipers die Rasenfläche verlassen hatten, kreiste auch schon der Hammer, will sagen, “Throwing the Hammer” stand auf dem Programm. Um die Zuschauer nicht unnötig zu gefährden, wurde das Gewicht der Kugel am 1,3 Meter langen Stiel auf neun Kilogramm erhöht, um die Weiten zu reduzieren. Die Athleten waren wenig beeindruckt und haben im Stand den Hammer über dem Kopf kreisen lassen, als müssten die letzten Mücken des Spätsommers vertrieben werden.
Genauso war kaum einer überrascht, die Kämpfer ihr Sportgerät bis an die Platzbegrenzung werfen zu sehen. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Wettkampfes war klar: die sechs deutschen Herausforderer würden einen guten Kampf zeigen, aber die schottischen Highland Game Profies die Oberhand behalten. So konnten sich die deutschen Sportler in den Disziplinen “Weight for Distance” – Kugelwerfen, “Putting the Stone” – Steinstoßen und “Weight over the Bar” in die Reihe der schottischen Sportler einreihen, aber nicht absetzen. Erfahrung mit diesen ungewohnten Sportgeräten ist den Schotten jederzeit anzusehen.

Unter ihnen ist zum Beispiel der “Stärkste Mann Englands” Graham Mullins, der diesen Titel mehrfach erhielt, und den Wettbewerb in Berlin als vierter beenden sollte. Die “highländischste” dieser sehr schottischen Disziplinen ist mit Sicherheit das “Tossing the Caber”, zu deutsch: das Baumstammwerfen. So unklar die Herkunft dieses Wettstreits ist, um so deutlicher lässt er die Herkunft der Wettstreiter erkennen. Um hier einen Eindruck zu vermitteln, müsste ich einen Film zeigen, dennoch, ein 5,5 Meter langer Stamm wird mit dem dicken Ende nach oben für den Athleten aufgerichtet, der diesen nun selbständig von der Erde in den gefalteten Händen anheben müsse, danach die schwankende toplastige Fracht mit einigen schnellen Schritten in Bewegung bringt, und im richtigen Augenblick, wenn sich das Holz in Laufrichtung neigt, mit aller Kraft nach oben zu schleudern und die Rotation derart zu beschleunigen, dass der Stamm sich überschlägt und im günstigsten Fall exakt geradeaus auf zwölf Uhr liegen bleibt. Hatte ich es schon erwähnt?

Der hier benutzte Stamm brachte es auf gnadenlose 54 Kilogramm. Der Schwerpunkt des geschulterten Sportgerätes dürfte in über drei Meter Höhe liegen. Gott sei dank sieht das Regelwerk vor, wenn kein Teilnehmer es im ersten Durchgang schafft, den Gigazahnstochter rotieren zu lassen, wird er um einen Fuß gekürzt. Das wird gegebenenfalls mehrfach wiederholt. Es hätte so ein schöner Tag werden können, bereits der Erste, der Schotte Ewan, 21 Jahre alt, BP-Mitarbeiter und Freizeit-Highlandgamer, schaffte den regelgerechten Überschlag und das Drama nahm seinen Lauf.

So wie die Schotten ihre Pflichtübung herunterspulten, so patzten die Deutschen mit diesem viel zu langen, schweren, unhandlichen Maibaum im Oktober. Na ja, einer nicht, der Sieger des Vorjahres, Omar Orloff. Er schaffte den perfekten Zwölf-Uhr-Überschlag, wie zwei weitere Kämpfer. Diese drei sollten nun in einem Stechen die Götter herausfordern. Bei gleicher Stammlänge wurde nun ein dickeres Kaliber gewählt mit einem Totempfahlgewicht von 78 Kilogramm. Diese Übertreibung musste sich rächen, es schaffte keiner den Überschlag. Hier konnte durch Gleichstand Omar Orloff den Grundstein für den späteren Titelgewinn dieser 5. Berliner Highland Games legen, da er jeden Wettbewerb unter den drei Besten abschloss.

Barfuß und in einer Reihe wurde die Deutsche Mannschaft dann letztendlich als flachlandverweichlicht im Tauziehen entlarvt. Die Schotten konnten die Mannschaftswertung klar für sich entscheiden. Die Freude aller, Athleten und Zuschauer, über die Einzelleistungen die Mannschaftskonzentration und die Sieger zeigen deutlich, es gibt sie noch, die friedlichen Spiele, die die Freude zum Inhalt und die Tradition zur Aufgabe haben. Und es ist doch noch ein schöner Tag geworden.