Klassiker, Trendy-Getränkeund Crazy-Mix:

Trendsetter Biermischgetränke

von Monika Busch

Ein Lichtblick in dem von Überkapazitäten, rückläufigem Bierkonsum und sinkenden Erträgen geprägten deutschen Biermarkt sind die Biermischgetränke. Keine neue Idee – Biermischungen, wie beispielsweise Radler, Diesel, Russn, Alsterwasser oder auch die Berliner Weiße mit Schuss gehören bereits seit Jahrzehnten zum festen Bestandteil der Gastronomie.

Jedoch erst die Änderung des Biersteuergesetzes 1993 machte den Weg frei für die deutschen Brauer, Biermischungen direkt herzustellen und abzufüllen. Zuvor musste das Biermischgetränk „vor den Augen des Gastes“ gemischt werden. Nach den Berechnungen von IRI/GfK ist der Absatz von Biermischungenim vergangenen Jahr um rund 23 Prozent gestiegen und dürfte bei etwa 1,9 Millionen Hektoliter liegen. Im ersten Quartal 2001 wurden in Deutschland laut statistischem Bundesamt 23,0 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt. Zwei Prozent weniger als im Vorjahresvergleich, die Biermischungen stiegen mit 0,3 Millionen Hektoliter um 10,7 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2000. Neben Weizenbier zählen die Biermischungen zu den „Gewinnern“ mit steigender Tendenz. Ein Grund mit ist sicherlich der niedrigeAlkoholgehalt bei den meisten Mischungen von rund 2,5 Prozent Volumen.

Erfunden haben soll das Radler der Gleisarbeiter Franz Xaver Kugler. Die harte Arbeit an der Strecke München-Holzkirchen, die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zweigleisig ausgebaut wurde, und dieweite Entfernung zur nächsten Gastwirtschaft brachten Kugler auf die Idee, die Bierversorg-ung seinerKollegen zu übernehmen. Mit Pferd und Wagen fuhr er das Bier zur Baustelle. Kurze Zeit später errichtete er eine Bretterbude direkt an der Baustelle, die unter dem Namen „Kantine der Königlich-Bayerischen Eisenbahn zu Deisenhofen“ die Versorgung sicherstellte und nach Fertigstellung des Schienenweges erst als Waldrestaurant und später als Kugler-Alm firmierte. Die Kugler-Alm wurde ein beliebtes Ausflugsziel. Als das Fahrrad immer populärer wurde, ließ der ehemalige Gleisarbeiter flugs einen Radweg durch den Wald zur Alm anlegen. Im wahrsten Sinne des Wortes sollen die Münchener diesen Radweg und die Kugleralm „gestürmt“ haben, so dass die Biervorräte nicht ausreichten. Der pfiffige Kugler mischte nun das Bier je zur Hälfte mit Zitronenlimonade und präsentierte den durstigen Radfahrern eine „Radlermaß“ – PoS-Marketing in reinster Form. DennKugler servierte die Radlermaß mit der Begründung, dass er dieses Getränk eigens für Radfahrer erfunden habe, damit sie nicht schwankend den Heimweg antreten müssten.

Die obergärige Variante des Radler ist als Russn geläufig, gemischt aus gleichen Teilen Weizenbier und Zitronenlimonade. Der Legende nach wurde es in München zu Zeiten der Revolution von 1918 erfunden. Die kommunistischen Anhänger der Räterepublik, vom Volksmund Russn genannt, sollen sich bevorzugt im Münchener Matthäuser-Keller getroffen haben und – der Legende zufolge – wurde hier das erste Russn gemischt. In Rheinland verbreitet ist auch die Bezeichnung Drecksack für die Bier-Cola-Mischung, hinlänglich bekannt als Diesel.

Innerhalb der einzelnen Segmente nimmt Radler nach den Berechnungen von IRI/GfK bundesweit mit 68 Prozent (99: 72%) immer noch den größten Platz ein. Wobei diese Zahlen relativiert betrachtet werden müssen, da es vor allem in Bayern noch viele Gaststätten gibt, die zur Sommersaison immer noch selbst mischen. Und dies aus gutem Grund. Laut Gesetzgebung wird Limonade im Radler biersteuerpflichtig! Nicht logisch und kaum nachvollziehbar, aber das sind Gesetze auch nicht immer.

Biermischgetränke unterliegen gemäß Biersteuergesetz auch der Bierbesteuerung. Der Zuckergehalt der Limonade wird wie der Stammwürzegehalt des Bieres behandelt. Deshalb entfällt auf die fertigen Mischungen mehr Biersteuer, als auf die gleiche Mischung die „vor den Augen des Gastes“ gemischt wird. Ebenso entfällt eine höhere Biersteuer auf ein Radler mit zuckergesüßter Limonade, als auf ein Radler, welches unter Verwendung von kalorienreduzierter, süßstoffhaltiger Limonade hergestellt wird. Übrigens, Biermischgetränke verstoßen nicht gegen das Reinheitsgebot, denn das Bier wird, bevor es gemischt wird, selbstverständlich nach dem Reinheitsgebot gebraut. Erstmals in Flaschen abgefüllt wurde Radler 1994 von der hessischen Henninger-Brauerei, wobei die Marketingstrategen gleichzeitig nicht auf die norddeutsche Namensgebung Alsterwasser verzichteten. Damit leistete Henninger Pionierarbeit und prägte das Segment der fertigen Biermischgetränke.

Hier zu Lande führt das Segment der Biermischgetränke unangefochten die Karlsberg-Brauerei an. Zu Recht als Innovativ-Schmiede bezeichnet, landete die Brauerei 1996 mit der Einführung des Bier-Cola-Mix Mixery einen Volltreffer. Mit Desperados, einem Tequila-Bier und Joys, einer Bier-Apfelmischung wurden schnell weitere Segmente besetzt. Im Visier die jüngere Zielgruppe, setzen die Saarländer hier nicht auf Klassiker, sondern erfolgreich auf Trendy-Mix und Crazy-Mix.

Mit Salitos will die Miller Brands Germany GmbH den Markt der Tequilabiere nicht mehr Karlsberg allein überlassen. Ende letzten Jahres haben sich die Paderborner Salitos von südamerikanischen Braumeistern „maßschneidern lassen“. Es enthält neben Tequila auch „einen Kick“ Limonengeschmack, der Alkoholgehalt beträgt 5,9 Prozent Volumen.

Der Innovationsfreudigkeit in punkto Biermischungen sind kaum Grenzen gesetzt. Bier mit Tequila, Bier mit Rum, Apfelsaft oder Caipirinha – gerade die junge Generation ist immer wieder auf der Suche nach neuen Geschmackserlebnissen. Eine große Chance, bislang untypische Biertrinker als Konsumenten zu gewinnen. Auch die deutschen Brauereien entdecken neue Marktnischen, erweitern ihre Produktrange und sind oft kreativ bei der Namensgebung. So hat beispielsweise die Eichbaum-Brauerei Anfang letzten Jahres ihr Two Dogs Lemon Brew ins Rennen geschickt, eine Mischung aus Zitronen, Malz und Hopfen mit dem Slogan „Gebraut wie Bier, schmeckt aber wie Limonade“.

Auf der diesjährigen Internorga stellte die münsterländische Brauerei Rolinck ihr Bier-Cola-Mix Bastard in der angesagten Longneckflasche vor. Der Name soll ein Signal auf den Mix geben und sich „unverkrampft, zeitgemäß und mit einem kleinen Augenzwinkern einen Platz in Handel und Gastronomie erobern”. Mixgetränke aus Bier und Cola legten um stolze 51 Prozent zu und haben inzwischen einen Anteil von rund 26 Prozent am Segment. An den Tankstellen, ein bevorzugter Vertriebskanal bei jüngeren Konsumenten belegen Bier/Cola-Mischungen mit 48 Prozent bei den Mixgetränken den Spitzenplatz vor Radler mit 33 Prozent. Im LEH greift bereits jeder Fünfte zum Bier/Cola-Mix (Quelle: Nielsen).

Hitverdächtig ist nach eigenen Aussagen auch der Bier-Cola-Mix Bronx der Privatbrauerei Hohenfelde aus Langenfeld (Westfalen), ebenso der Hohenfelder Radler Wintertraum. Bronx, mit einem Alkoholgehalt von2,3 Prozent avanciere immer mehr zur Szene-Erfrischung in der Jugendgastronomie und Diskotheken, vermelden die Langenfelder. Angepeilt wird in diesem Jahr ein Absatz von rund 8.000 Hektoliter. Angeboten wird der Mix ausschließlich in der braunen Ale-Mehrwegflasche mit Pull-off-Verschluss. Im Juni 2000 wurde das neue Produkt erstmals auf den Getränkemarkt gebracht und zunächst in der regionalen Umgebung in der Szene-Gastronomie distribuiert.

Die Devise von Brauerei-Inhaber Dr. Edgar Schütze und Marketingleiter Edward Domagalski lautet: „Hier ist noch jede Menge Musik drin!”, und das ist wörtlich gemeint. Der Hamburger Rapper M.I.C und seine Crew touren derzeit durch die Diskotheken zwischen Nordsee und Alpen, Münsterland und Sachsen um den Song Bronxlove mit einer großen Portion Show und Schalldruck zu präsentieren…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Printausgabe 7/8 2001