Im Wallis wachsen die Weinberge buchstäblich in den Himmel

Schweizer Weine sind im Ausland nahezu noch unbekannt

von Timur Dosdogru

Dass Schweizer Weine sogar im europäischen Ausland nahezu unbekannt sind, ist in erster Linie auf den Umstand zurückzuführen, dass die Eidgenossen ihre Kreszenzen selbst genießen – bedauerlich für den Rest der Welt, denn gerade die kleine Schweiz bietet aufgrund ihrer geographischen Lage inmitten der vier großen Weinbauländer Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich erstaunlich viele Weincharaktere. Die schweizer Winzer haben allerdings auch mittlerweile die Erfahrung machen müssen, dass Globalisierung und Europäisierung vor ihren Landesgrenzen nicht halt machen und die Zahl der Ausländer die am helvetischen Weinmarkt mitmischen wollen, stetig steigt. Denn die Schweizer gelten als Weinkenner und -liebhaber.

Rund 1,2 Millionen Hektoliter Wein werden jährlich in der Schweiz produziert (davon 55 Prozent Weißwein), von denen aber nur ein bis zwei Prozent in den Export gehen. Die Gesamtrebfläche ist mit knapp 15.000 Hektar eher bescheiden und in drei Regionen aufgeteilt. Davon entfallen 11.390 Hektar auf die französische, 2550 auf die deutsche und 930 auf die italienische Schweiz (einschließlich Misox/Graubünden), davon 900 Hektar im Tessin.

Vielfältig wie die Sprachen der Schweiz (Deutsch, Französisch und Italienisch) sind auch die Einflüsse der angrenzenden Länder, wodurch sich grenzübergreifend eigene Kulturräume gebildet haben. So haben die weingeographischen Gebiete der Ost-(deutschen), der West-(französischen) und der Süd-(italienischen)Schweiz sich an diesen angrenzenden Kulturräumen orientiert und sich selbst eigene Traditionen in Sachen Gastronomie und Weinbau geschaffen.

So offen die Schweiz durch die kulturelle Vielfalt auch ist – an der Grenze wird der normale Durchschnittseuropäer, der gewöhnt ist, passfrei von Skandinavien nach Italien zu reisen, schlagartig ernüchtert, sollte er seinen Ausweis vergessen haben. Schließlich sind die Eidgenossen noch nicht Mitglied der Europäischen Union, obwohl sie eigentlich im europäischsten aller Länder leben. Und so hat ein Stammtischwitz aus den 80er Jahren auch heute noch Gültigkeit, in dem es verächtlich heißt: “Jetzt auch noch Europa! Als ob die Schweiz nicht schon genug Kantone hätte!”

Eine dieser Kantone ist das Wallis, welches den größten schweizer Weinbaukanton stellt und im folgenden besondere Beachtung finden soll. Die weiteren Regionen der französischen Schweiz in der Reihenfolge der weinbaulichen Bedeutung sind das Waadtland, Genf, Neuenburg sowie die Regionen um den Bieler See im Kanton Bern und Freiburg.

Angeblich gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Rebe im Wallis angebaut wurde, bevor Julius Cäsar im ersten Jahrhundert vor Christus die Gallier besiegte. Entdeckt wurde lediglich eine wilde Rebe namens Vitis sylvestris, deren Frucht den anderen Beeren in dieser Gegend glich. Wie so oft bei ihren Eroberungen, brachten die Römer auch hier nicht nur den Krieg, sondern auch kulturelle Neuerungen, eine neue Sprache sowie neue Lebens- und Genussmittel mit. So auch die ersten Reben, mit deren Kultivierung von da ab an den Ufern der Rhône begonnen wurde. Ihre weitere Verbreitung fand die Rebe aber erst im dritten Jahrhundert, begünstigt durch die Christianisierung, die auch im Römischen Kaiserreich ihren Einzug hielt.

So wurde der Wein nicht nur benötigt, um die christliche Messe zu zelebrieren, sondern auch im täglichen Leben getrunken. Viele Rebberge sind auf die Entstehung der großen Klöster zurückzuführen, als die Mönche begannen, die Rebe zu kultivieren. Die späteren Streitigkeiten zwischen den Feudalherren unter der Herrschaft der Burgunderkönige prägten ein Volk von Bauern und Soldaten. Die dürftigen Einnahmequellen führten dazu, dass sich die ärmsten Bauern und Winzer im Dienst der Fürsten verdingen mussten. Viele dieser Soldaten führten in ihrem Ranzen Rebstöcke mit sich, die dadurch im Wallis Einzug hielten.

Insbesondere durch die 1860 eingerichtete Eisenbahnlinie dehnte sich der Handel mit Walliser Weinen aus und es wurde damit begonnen, die Rebsorten durch den vermehrten Anbau von Chasselas Fendant, Pinot noir, Sylvaner (Johannisberg) und Riesling den Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Die Reblauskatastrophe, die in den ersten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts Europa erschütterte, ging auch am Wallis nicht vorbei.

So wurden dann die lokalen Reben auf amerikanische Unterlagsreben aufgepfropft. Der Zusammenschluss Walliser Winzer zu einer Dachorganisation fand erst in den 30er Jahren statt und Anfang der 80er Jahre rang man sich zu einer strengen Ertragsbeschränkung und rigorosen Qualitätskriterien durch. Die Weinberge im Wallis sind die höchsten Europas, der höchste liegt in einer Höhe von 1100 Meter am Ort Visperterminen. Mit Steigungen von 60 bis 70 Prozent gehören die Walliser Lagen zu den steilsten Europas, die sich an den riesenhaften Hängen des Rhônetals verteilen. Über 40 Rebsorten gedeihen im Wallis, allerdings werden zu 85 Prozent nur Chasselas (Gutedel), Pinot noir und Gamay angebaut. Aber es gibt auch eine zunehmende Tendenz zu einem wachsenden Anteil autochthoner Rebsorten wie Humagne Rouge, Petite Arvine, Amigne und zu den erfolgreich im Wallis eingeführten Sorten Marsanne Blanche oder Syrah…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 10/2001