Ein Gespenst geht um!

Service schlägt Rabattgesetz

von Sabine Hübner (Unternehmen Erfolg®, Freising)

Täglich in deutschen Geschäften: Kunden gehen einkaufen, werden im Laden durch große rote Schilder auf die Sonderangebote aufmerksam gemacht und lassen sich von den Schnäppchen auch oft zum Kauf motivieren. Hin und wieder stellt sich hinterher heraus, dass das Schnäppchen gar nicht so ein Schnäppchen war, Ärger steigt hoch, aber dann ist es meist zu spät… Oder die Kunden schütteln die Sonder-Beilagen aus der Tageszeitung, blättern darin, welche besonders günstigen Angebote es zur Zeit gibt und vergleichen schon mal die Preise von A und B, bevor sie sich für einen Anbieter entscheiden und zum Einkauf starten.

In Zukunft wird die Welt anders aussehen. Kunden gehen ins Internet oder geben in ihr Handy den Code für den gewünschten Artikel ein, legen fest, in welchem geographischen Umkreis sie einkaufen wollen, und innerhalb kürzester Zeit erhalten sie die Nachricht, wo sie den Artikel am günstigsten kaufen können. Was bedeutet das?

Während früher die Unternehmen aktiv an ihre Kunden mit Spezialangeboten herangegangen sind, übernimmt jetzt der Kunde das Ruder und drängt somit die Unternehmen, die über den Preis verkaufen, in eine passive Rolle.

Juhu, wir haben gewonnen!!! Oder vielleicht doch nicht?

Und während Unternehmen bisher offiziell mehr als drei Prozent Rabatt verboten waren, ist im Sommer jetzt auch noch das 67 Jahre alte deutsche Rabattgesetz gefallen, und die Bahn ist frei für vier Prozent und mehr. Selbst für Werbegeschenke gibt es keine Grenzen mehr. Naja, fast keine Grenzen mehr. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Wenn ein Sonderpreis zum Beispiel nur in einem bestimmten Verein gewährt wird und der “Nichtvereins-Mensch”, nur um in den Genuss der Sonderpreise zu kommen, in den Verein eintreten muss, dann könnte dies wettbewerbswidrig sein.

Ein Händler darf aber einer bestimmten Gruppe nur für sie gültige Preisofferten machen. Welches Vorgehen auf Verkäuferseite wettbewerbswidrig ist oder nicht, ist bislang noch nicht eindeutig entschieden worden. Einem Lebensmittelhändler wird zwar untersagt, ständig seine Butter unter seinem Einkaufspreis zu verkaufen. Wenn er die Butter jedoch als Sonderangebot nur gelegentlich oder für kurze Zeit verkauft, so ist es legitim.

Anders bei Produkten, die der Preisbindung unterliegen, wie beispielsweise Bücher, Medikamente und Tabakwaren. Hier dürfen die Händler trotz der neuen Gesetzeslage keine Preisnachlässe gewähren. Genauso verhält es sich bei den Honoraren der Freiberufler, wie beispielsweise Anwälten. Zwei Streitfälle beheben und nur einen bezahlen – das wird vom Gesetzgeber nicht erlaubt. Es ist den Händlern oder Firmen ebenfalls untersagt, ein Produkt zuerst um 100 DM zu erhöhen, um es dann als vermeintliches “Sonderangebot” um 100 DM reduziert anzubieten.

So mancher Kunde hat sich den Wegfall des Rabattgesetzes bestimmt weniger reglementiert vorgestellt und schon jetzt das Feilschen auf dem Basar im Urlaub geübt. Der Gesetzgeber untersagt noch einiges mehr: Waren dürfen nicht in “handelsunüblichen Mengen” angeboten werden (“Ein Kilo Damenjeans kostet heute…”). Und kleine Zusatzgeschenke müssen auch “klein” sein und dürfen den Wert der gekauften Ware nicht übersteigen. Die Kunden interessieren diese Reglementierungen des Gesetzgebers weniger. Sie denken nur: Rabattgesetz weg = feilschen und alles superbillig bekommen. Händler können sich schon jetzt auf handelswütige Kunden einstellen, die denken, je teuerer ein Produkt ist, um so höher ist die Gewinnmarge des Händlers und um so mehr Preisnachlass können sie erwarten. Einzelhändler schrauben ihre Gewinnmargen runter, um dem starken Wettbewerb der Discounter nicht das Feld zu überlassen.

Manche Unternehmen denken noch nicht wirklich über die neue Situation nach, für andere ist sie schon heute ein Alptraum. Eines steht fest: Durch die Neuregelung des Rabattgesetzes gibt es sowohl Gewinner, als auch Verlierer.

Ein Segen für den Einzelhandel?

Die Gewinnmargen im Einzelhandel fallen nicht ganz so üppig aus. Und je schmäler die Gewinnmarge, umso schmäler auch der Rabatt. So mancher Einzelhändler kann noch gar nicht einschätzen, welche Änderungen auf ihn zukommen. Nur einige wenige müssen sich keine Sorgen machen: Service ist das Zauberwort ihres Erfolgs.

Vorgestern schluckten die Großen die Kleinen, gestern die Schnellen die Langsamen und heute die Serviceorientierten alle anderen. Überragender Service bringt also heute mehr denn je einen uneinholbaren Wettbewerbsvorteil. Nehmen wir als Beispiel zwei Elektrohändler: Händler A bietet seinen Kunden eine Waschmaschine für 1500 DM an und gibt einen Preisnachlass von 100 DM. Händler B bietet dasselbe Waschmaschinenmodell ebenfalls für 1500 DM an, gibt aber keinen Preisnachlass, bietet aber einen kostenlosen Lieferservice und “Tag und Nacht Reparatur-Notdienst” inklusive an. Beim Händler A freut sich der Kunde, ein vermeintliches Schnäppchen gemacht zu haben. Kunden, die bei Händler B kauften, fühlen sich gut betreut und stellen einen Zusatznutzen fest.

Und wohin gehen diese Kunden beim nächsten Kauf? Natürlich zu Händler B, bei dem sie sich einfach gut betreut fühlen. Qualität und Preis sind heute nicht mehr die Hauptpunkte, mit denen sich ein Unternehmen im Kundenkopf verankert…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 11/2001