Der Biermarkt ist tot. Es lebe der Biermarkt! – sechster Teil

World Beer and Drinks Forum: “Stell-dich-ein” der internationalen Getränkewelt

von Monika Busch

“Marktführer und ihre Herausforderer, ihre Märkte, ihre Ziele” – unter diesem Motto fand das 3. World Beer & Drinks Forum 2001 am 18. und 19. September in München vor der drinktec-interbrau statt.

Initiator Rüdiger Ruoss hat diese Veranstaltung – die dritte innerhalb von vier Jahren – als Top-Event der Branche platziert. Angereist war das “Who ist Who” der internationalen Getränkewelt. Dementsprechend vielfältig war auch der rege Erfahrungsaustausch unter “Kollegen” und Mitbewerbern. Hochkarätige Referenten sorgten für vielfältigen Diskussionsstoff. Natürlich gab es ebenso Spekulationen aller Art, wie “Wer ist der nächste Übernahmekandidat? Wo wird Foster’s letztendlich landen? Wer erhält den Zuschlag für Carling?” Diesjährig wies das Forum zwei gleichgewichtete Schwerpunkte auf. Unter dem Begriff Beer wurden alle Biere dieser Welt zusammengefasst, unter Drinks fanden sich Soft-Drinks, Juices und Bottled Water-Produkte wieder. Vierzig Prozent der Referenten gehörten der Brauszene an, sechzig Prozent zählen zu den Top-Managern der alkoholfreien Getränkeindustrie. Im Fokus standen die Themen Marktführerschaft und die Position der Herausforderer, zudem innovative Marketing-Strategien aus den In-und Ausland.

Auch wenn aufgrund der unfassbaren Terroranschläge in den USA die amerikanischen Teilnehmer und Referenten nicht anreisen konnten, war das Programm nicht minder interessant. In seiner Begrüßungsrede bedauerte der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Dieter Ammer, selbstkritisch in Richtung der eigenen Branche, die geringe Vertretung der kleinen und mittelständischen Brauereien. Zudem appellierte er an die Branche, die Chancen, welche im Ausland liegen würden stärker zu nutzen. “Unsere ausländischen Brauereikollegen – und ich weiß wovon ich spreche – nutzen die Chancen, die sich im Ausland bieten.” Jedoch, mahnte Ammer, sei stärkerer Export nicht die Lösung für vorhandene oder drohende Inlandsverluste, aber eine Chance. Erforderlich seien ein gutes Produkt, eine saubere Markenführung, genaue Kenntnisse der Situation im Ausland, zuverlässige Partner und ein langer Atem.
Ein besonderes Highlight und zwar nicht branchen- sondern eher führungsbezogen war der Vortrag des Schweizers Dr. Bertrand Piccard über “Die Herausforderung seines Lebens. Die erste Non-Stop-Weltumrundung 1999 im Heißluftballon”. Piccards Vortrag war ein Appell an die Führungsriege dieser Welt. Die spannende und hoch emotionale Darstellung der Erfüllung seines Lebenstraumes mit seinem Partner dem Engländer Brian Jones, beinhaltete Ängste, Gefühle und Emotionen, die jeden Menschen betreffen – nicht nur Ballonfahrer. Das seine Botschaft auch so verstanden wurde, war an einzelnen versteckten Tränchen in den Augen der hart gesottenen Top-Manager fest zu machen.

Immer wieder ein Thema die Globalisierung, respektive die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft, die an Deutschland keineswegs vorbeigeht. So auch bei dem Forum “Erreicht Deutschland nun endlich Marktreife? – Anpassungen an die neuen Rahmenbedingungen des deutschen Biermarktes” mit den Referenten Dieter Ammer, in seiner Funktion als Vorsitzender der Geschäftsführung von Beck & Co. und Dr. Michael Dietzsch, Geschäftsführer der Bitburger Brauerei Th. Simon, verantwortlich für Marketing und Vertrieb. Seine Ausführungen begann Ammer mit den Worten: “Bei so einem erlauchten Publikum, kommt man sich vor wie der siebte Ehemann von Liz Taylor. Jeder weiß was erwartet wird, aber keiner weiß, was er anders machen soll.” Nach Ansicht Ammers geschieht die weltweite hohe Akquisitionstätigkeit immer nach dem gleichen System. In der ersten Phase findet eine Deregulierung statt, Phase Zwei zeigt erste Konzentrationsbewegungen. Konzentration auf hohem Niveau abgerundet durch Allianzen beinhaltet Phase Drei. Phase Vier zeigt die Marktreife. Für den Beck-Chef steht Deutschland am Anfang der Phase zwei.

Die häufig mangelnden Renditen in der deutschen Brauereilandschaft haben für ihn einen historischen Ursprung. Deutschland sei deshalb mit den niedrigen Margen zufrieden, weil, historisch gesehen, man gelernt habe, damit zufrieden zu sein. Er bemängelte zudem, dass hier zu Lande eine Konsolidierung auf niedrigem Niveau sich ausbreite, aber keine Preisführerschaft einhergehend mit einem Marktführer vorhanden sei. Denn dieses sei eine Grundvoraussetzung für Rentabilität. Seine abschließende Botschaft: Für einen internationalen Aspekt sei es nie zu spät. Jedoch gehe es nicht um deutsche Brauseligkeit, sondern um internationales Unternehmertum. Weiterhin merkte er an, dass ein Verkauf oftmals schneller erfolgen könne, als sich dieses Führungskräfte vorstellen könnten.

Dr. Michael Dietzsch verdeutlichte seine Ansicht zur derzeitigen Situation mit drei Karikaturen. Für ihn geht es um die “Schlacht auf dem deutschen Biermarkt”. Denn, kaum eine Brauerei in Deutschland würde noch “Geld verdienen”, die durchschnittliche Rendite liege bei 0,5 Prozent. Ausgenommen, selbstredend Bitburger und Co. “Diese geringe und weiter sinkende Rendite erzwingt eine Konsolidierung”, betonte Dietzsch. Und an diesem Prozess will sich Bitburger beteiligen, aber, so Dietzsch einschränkend: “ein Fisch ist nicht immer leicht zu fangen und zu verdauen”. Die alles umfassende Frage des Bitburger-Chef für den deutschen Markt lautete: “Stehen wir in der richtigen Reihe oder gehören wir zu den eher nicht interessanten?” Für Bitburger treffe beides nicht zu, resümierte Dietzsch. Jedoch habe man sich bereits aufgestellt, um die Herausforderung anzunehmen, so Dietzsch weiter und verwies auch auf den zur Gruppe gehörenden Gerolsteiner Brunnen. An beiden Tagen in der Metropole des “Eldorado für Biervielfalt” war immer wieder zu vernehmen, dass weitere deutsche Brauereien sich öffnen für Vertriebskooperationen und Allianzen.

Auch die Warsteiner Brauerei mit Geschäftsführer Marketing/Vertrieb Frank Spitzhüttl setzt auf weitere “Partnerschaften mit Synergien”, welches er an den Beteiligungen von Miller Brands Germany und Schloßbrauerei Kaltenberg verdeutlichte. Die von Spitzhüttl in Erwägung gezogene und zur Diskussion gestellte so genannte “Star Alliance” soll sich auf dem internationalen Parkett bewegen. “Wir treffen im Ausland fast überall auf große Brauereigruppen, die in der Regel über eine höhere Finanzkraft verfügen”, sagte Spitzhüttl in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb will der Geschäftsführer mit ausländischen Brauereien, die unabhängig und privat bleiben wollen, zusammenarbeiten.

Beispielsweise sieht Spitzhüttl gute Möglichkeiten bei Vertriebskooperationen: “Das Gute an einer Allianz ist, dass man die Kaninchen im Stall behält und nicht hergeben muss.” Mit Argusaugen beobachten die Warsteiner auch den Kauf von Distribution in den europäischen Nachbarländern durch die Braugiganten. Spitzhüttl geht davon aus, dass diese Aktivitäten auch irgendwann in Deutschland zur “Normalität” werden. Denn, der Fachgroßhandel sei entscheidend für den Bierabsatz in der Gastronomie. Deshalb seien Beteiligungen an Fachgroßhändlern eine Option, um den Fassbierabsatz zu sichern und auszubauen, unterstrich Spitzhüttl. Gesagt getan, am 16.10.2001 anlässlich der ANUGA verkündete der Warsteiner-Chef die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen von Bitburger, Krombacher und Warsteiner. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartell- amtes soll die neugegründete Premium Getränke Distribution mit Sitz in Köln als Holdinggesellschaft für Beteiligungen am Getränkefachgroßhandel agieren.

Ausgestattet ist das Unternehmen mit drei Millionen Euro und im paritätischen Eigentum der beteiligten Unternehmen. Auf die Fahne geschrieben haben sich die drei Unternehmen, die gemeinsame aktive Sicherung von Distributionswegen. Erworben werden sollen Beteiligungen an regionalen starken Getränkefachgroßhändlern, insbesondere im Bereich der Gastronomie sowie Getränkeabholmärkten. Mit Wirkung zum 1. November schlüpft der GFGH Schön, Soltau bereits unter das Dach, ebenfalls vorhaltlich der Zustimmung des Kartellamtes. Gegenüber dpa kündigte Spitzhüttl auch die mehr als überfällige Preiserhöhung per 1. März 2002, also nach der Euroeinführung an. Angestrebt werde dann ein Eckpreis von 10,99 Euro als Angebot.
Von den ausländischen Brauern wie Baron Paul De Keersmaeker (Interbrew, Chairman of the board), Scottish & Newcastle Vorstandvorsitzender Brian J. Stewart oder Anthony Ruys, designierter Heineken-Chef, war unisono in München zu vernehmen, dass sie sich auf dem deutschen Markt weiter engagieren wollen – jedoch mit dem Hinweis, dass das internationale Biergeschäft auf Renditen/Margen basiert. Attestiert wurde dem deutschen Markt, dass “große Marken” wachsen und Nischenmarken prosperieren würden. Nach Ansicht der international tätigen Brauereien werden langfristige Partnerschaften in Europa künftig eine große Rolle spielen, getrieben von Verbraucherwünschen.

So bekräftigte Interbrew den festen Willen in Deutschland weitere Brauereien zu erwerben und dieses unter dem Aspekt als “The world’s Local Brewer”. Trennen muss sich Interbrew aufgrund der Auflage der britischen Kartellbehörde von der Carling-Brauerei. Als Interessenten werden derzeit Heineken, Anheuser Busch und SAB gehandelt. Denn mit einer Übernahme von Carling werden schließlich rund 19 Prozent des britischen Biermarktes gehalten. Geschätzt wird der Wert von Analysten auf rund 1,3 Milliarden britische Pfund. Nachdem der Aktienkurs von Interbrew nach Bekanntgabe des Beck-Deal kurzfristig in Turbulenzen geriet, wird nun von Analysten der Investmentbank Lehman Brothers “nachhaltiges Kaufen” empfohlen. Den Analysten zufolge, hat Interbrew ein augewogeneres Portfolio als Heineken. Zudem sei die Position auf dem britischen Markt von Interbrew unterschätzt worden.
Internationale Finanzexperten haben immer wieder behauptet, dass ein Eintritt von international operierenden Unternehmen auf den hiesigen Markt eher unwahrscheinlich sei. Viel zu zersplittert sei dieser, kaum renditeträchtig, geprägt durch “deutsche Brauseligkeit”. Und dieses, obwohl trotz tendenziell abnehmenden Bierdurstes in Deutschland der hiesige Markt weltweit der dritt- (1999), beziehungsweise zweitgrößte (2000) Markt ist. Dass diese Aussagen nur bedingt haltbar sind, verdeutlicht der Eintritt von Heineken und Interbrew. “Mit der sprichwörtlichen deutschen Bierruhe ist es vorbei”, kommentierte Günther Guder, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen Getränke-Fachgroßhandels (GFGH) den Einmarsch ausländischer Braukonzerne. Der Bundesverband setzt weiterhin auf die Stärke seiner 1.240 organisierten Unternehmen, die 79 Prozent des gesamten Bier-, 88 Prozent des Mineralwasser- und 45 Prozent des fruchthaltigen Getränkeabsatzes zwischen Industrie, Handel, Getränkeabholmärkten und Gastronomie managen.

Einen Ausverkauf, wie beispielsweise in den Benelux-Staaten oder Frankreich befürchtet Guder nicht. “Nur unsere Unternehmen mit ihrer regionalen Marktnähe und -kenntnis können die notwendigen Dienstleistungen vom Hersteller zum Verbraucher sicherstellen”, betonte Guder. Dennoch müssten die GFGH-Unternehmen auf der Hut sein, weil ausländische Braukonzerne bei ihren Übernahmen erfahrungsgemäß auch starken Zugriff auf die Distribution ausüben würden. Beispielsweise wie in Frankreich, wo Heineken und Kronenbourg innerhalb kürzester Zeit 250 Getränkefachgroßhändler auszahlten…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 11/2001