Der Biermarkt ist tot. Es lebe der Biermarkt! – fünfter Teil

Der Weg zu neuen Marktsegmenten: eine nationale und internationale Perspektive

von Monika Busch

Die deutsche Brauereilandschaft in der Krise? Keineswegs, es gibt nur Krisen
in einzelnen Unternehmen.

Ein „Ammer-Märchen” oder Tatsache: Der Präsident des Deutschen
Brauer-Bundes und Geschäftsführer der Brauerei Beck & Co., Dieter Ammer,
kommentiert jedenfalls stets, dass es aus seiner Sicht keine Gefahr für die
Braubranche gebe, sondern lediglich von Krisen in einzelnen Unternehmen
gesprochen werden könne. Sicherlich, die Brauerei Beck & Co. ist weder
krisengeschüttelt, noch befindet sie sich im „Tal der Tränen”. Alles eine Frage
der Perspektive. Prognostiziert werden Zuwachsraten beim Weltbierkonsum
von 1,5 bis 3,0 Prozent. Und die Zuwächse werden hauptsächlich von Ländern,
die unterhalb eines Pro-Kopf-Verbrauches von 30 Litern liegen, wie beispielsweise
Asien, Lateinamerika und Osteuropa, getragen.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2000 sank der steuerpflichtige Bierabsatz hier zu Lande mit 83,1 Millionen Hektoliter um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 84,1 Hektoliter. Rückgänge sind in fast allen Bundesländern zu verzeichnen. Nennenswerte Ausnahmen sind Mecklenburg-Vorpommern (+10,5%) und Sachsen-Anhalt (+5,8%). Das 26. Top-Management-Seminar für die Brauindustrie, veranstaltet von Roland Berger & Partner, welches erstmalig in Nürnberg (14. + 15.11.00) in Verbindung mit der Brau stattfand, sollte Lösungsansätze bieten. Prof. Roland Berger stellte in seinem Vortrag zur Diskussion:

A. Struktureller Ertragsdruck und Konsolidierungschancen

Kritisch merkte Berger an, dass, außer beim Weißbier, die Brauindustrie ihren
Ritualcharakter verloren habe und zudem es nicht gelungen sei, das Produkt
Bier der veränderten Konsumentenstruktur anzupassen.

Aus seiner Sicht ist für das rückläufige Marktvolumen keine Änderung in Sicht.
Zusätzlichen Ertragsdruck attestiert Berger durch weiter sinkende
Durchschnittspreise aufgrund wachsender Handelskonzentration, hohen
Werbeaufwand, nur um die „Share of Voice” zu halten (im Markt Gehör
zu finden) sowie zunehmende Aufwendungen für Innovationen. Des weiteren
Kostenbelastung durch Transformation zur „New Economy” sowie Preisbelastung
durch die relativ starre Struktur des Biermarktes.

Handelskonzentration wächst – zusätzlicher Druck auf Preise und Konditionen

Die Händler sitzen nach Ansicht Bergers in der „Konditionsfalle”, da immer mehr
Handelsketten international einkaufen. Zudem repräsentieren die größten Händler
eine massive Einkaufsmacht (Wal*Mart-ASDA, Carrefour-Promodès, Metro
AG-makro). Ausgemacht hat Berger eine hohe Diskrepanz zwischen der
Entwicklung der Lebenshaltungskosten und dem Bierpreis. „Alle Welt wird teurer,
außer die Brauerei. Und dieses kann eigentlich nicht sein, bei dem Wert der
exzellenten Produkte. Der Biermarkt insgesamt lebt in einer Deflation.”

Hoher Werbeaufwand – Kampf um „Share of voice”

Die Top-Marken suchten ihr „Heil” in der Werbung. Seit 1994 sei der
Werbeaufwand stetig gestiegen, Ausnahme das Jahr 1999. Für Berger ein
„statistischer Ausreißer”. Der Anstieg der wachsenden Werbeausgaben ist für
Berger ein Indiz für mangelnde Fantasie.

Seine Empfehlung: wertanalytische Untersuchungen.
Produktinnovationen

Innovationen sind immer mit immensem Zeit- und Kostenaufwand verbunden.
Beispielweise kostet Verpack-ung „Geld” und dadurch entsteht wachsender
Margendruck. Zudem würde sich der erforderliche Abbau von Überkapazitäten
nur im Schneck-entempo vollziehen. Klar positionierte Brauereien würden
bereits im „Konsolidierungsspiel” gewinnen, betonte Berger. Da die restlichen
europäischen Märkte weitestgehend verteilt seien, werde der deutsche Markt
für internationale Riesen immer attraktiver.

B. Fusion/Akquisition
als wesentliche Strategieoption

In punkto Fusion/Akquisition sei der Handlungsbedarf evident. Möglichkeiten
sieht Berger in „Stand-alone-Strategien” und „Kooperationsstrategien”.
Allerdings, würde die „Stand-alone-Strategie mit Cost-Cutting, Lizenzgeschäft
und geographischer Expansion nur kurzfristig und teilweise helfen. Denn Kosten-
senkungspotenziale seien nur einmalig realisierbar und Kosteneinsparungs-
sprünge oft nur beim Erreichen kritischer Mindestgrößen möglich. Des weiteren
sei die Anzahl lizenzierungsfähiger Marken mit Potenzial beschränkt und gute
Lizenzen kosteten „Geld”. Auch könne es zu möglichen Konflikten mit dem
bestehenden Markenportfolio kommen. Eine geographische Expansion im
Ausland erfordere eine kritische Größe und umfassenden Marktzugang, zudem
hohe Investitionen in das Marketing. Ad-hoc-Export sei bei realer Zuordnung aller
Kosten meist unprofitabel. „Die Brauereien stellen ihr Erbe langsam der
Gemeinschaft zur Verfügung, anstatt Rendite zu erwirtschaften”, kommentierte
Berger. Deshalb sei zu überlegen, ob der Ertragsdruck durch Allianzen, Fusionen,
Käufe oder Verkäufe relativiert werden könne. „Denn Größe veringert den
Ertragsdruck aufgrund von mehr Effizienz und Macht”, resümierte Berger. Der
kritischste Fakt sei jedoch eine strategische Allianz, dieses sei leicht gesagt,
aber schwer getan. Lediglich fünf Prozent dieser Allianzen seien erfolgreich,
gab Berger zu bedenken. Als Gründe für die hohe Quote des Scheitern
gibt Berger an:

– Synergien stellen sich nicht ein
– Unternehmenskulturen kollidieren
– Keine Anpassung an wandelnde Rahmenbedingungen
– Uneinigkeit über die Verteilung von Kosten und Nutzen
– Fokussierung nur auf kurzfristige „Quick Wins”.

Firmenkäufen und Fusionen attestiert Berger eine weitaus größere Chance.
Hier würden 30 bis 40 Prozent die gesteckten fünf Jahresziele erreichen.
Rund 50 Prozent würden zudem profitabler. Am Beispiel Heineken verdeutlichte
Berger, wie internationales Wachstum über Akquisitionen erzielt werden kann
(siehe Tabelle). Als aktivsten Konsolidierer auf dem deutschen Biermarkt
bezeichnete er Holsten (siehe Tabelle).

C. Hauptherausforderung Post-Merger-Integration und Markenführung

Für die beiden genannten Punkte sind für Berger die nachfolgenden
Erfolgsfaktoren wesentlich:

1. Zügige Umsetzung der klaren Strategie (am Beispiel Interbrew)

– Strategie: aktiver Konsolidierer der globalen Bierindustrie, Markt- und
Kundenfokus durch fünf regionale Managementeinheiten, Leverage lokaler
Stärke von Marken und Kunden durch internationales Know-how

– Ausgewählte Akquisitionen: seit 1991 in 14 Ländern 30 Akquisitionen, im
Jahre 2000 Akquisition der Brauaktivitäten von Bass, inklusive Staropramen
sowie von Whitbread…

Die vollständige Redaktion finden Sie in unsrere Printausgabe 1/2 2001