Dem Korkton auf der Spur – Zweiter Teil

Text und Fotos: Wilfried Moselt

Bis über die Astansätze hinaus kahl geschälte Stämme mit immergrünen Kronen ragen in den blauen Himmel Portugals. Die Menschen haben die Bäume ihrer Rinde “beraubt”. Nach neun Jahren werden sie mit ihren Äxten wiederkommen und ihre unermüdlich Korkholz produzierenden Eichen erneut “beerben”, um den Kork zu noblen Flaschenverschlüssen zu verarbeiten – zwei Dutzend Mal und mehr in einem langen Korkeichenleben. Unser Bericht in zwei Folgen schildert die “Lebensgeschichte” des Korks und geht im zweiten Teil dann auch auf den neuesten Stand der Technik mit den jüngsten Ergebnissen der Kork-Forschung ein. Wir wollen versuchen, dem Korkton auf die Spur zu kommen – Zweiter Teil

Ein Wein mit Korkgeschmack sollte immer zurückgewiesen werden. Tapferes Hinunterschlucken, weil man sich nicht traut zu reklamieren, ist dem Trinkvergnügen ganz und gar nicht förderlich und sorgt für schlechte Laune. Niemandem ist geholfen, wenn das leidige Thema “Korkgeschmack” unter den Teppich gekehrt wird.

Die Fortschritte, die in der Auseinandersetzung mit dem störenden Korkton beim Wein vor allem auch auf wissenschaftlicher Ebene zu verzeichnen sind, waren nur möglich, weil die Verbraucher – und letztendlich auch die Winzer – nicht mehr bereit waren, das lästige Phänomen auf Dauer hinzunehmen. Weder dem Gast im Restaurant noch dem privaten Weinfreund kann zugemutet werden, sein gutes Geld für einen nicht genießbaren Wein auszugeben.

Dass ein Weinerzeuger, der erhebliche wirtschaftliche Verluste in Kauf nehmen muss, weil er zum einen solche fehlerhaften Weine zu ersetzen hat und zum anderen bei wiederholtem Auftreten derartiger Missstände seine Kundschaft verliert, zu den besonders Betroffenen zählt, steht außer Frage. Wenn die Besitzer der Korkeichenwälder, die Korkerzeuger, die Korkimporteure und nicht zuletzt die Forscher dem Problem gemeinsam zu Leibe rücken – und so sieht es zur Zeit aus – besteht berechtigte Hoffnung auf Abhilfe. Wir werden in dieser Folge auch die Wissenschaft mit ihren neuesten Forschungsergebnissen “in Sachen Kork” zu Wort kommen lassen. Doch zuvor wollen wir das Thema dort aufgreifen, wo wir in der letzten Ausgabe im ersten Teil stehen geblieben sind. Wir hatten festgestellt, dass es für das Auftreten des so genannten Korkgeschmacks mehrere Gründe gibt, beispielsweise grünes Holz, Fehler beim Kochen, Entwicklung von Mikroorganismen im Kork (Schimmel). Ein sehr wichtiger Faktor ist der Feuchtigkeitsgehalt des Korkens. Liegt er über acht Prozent, besteht die Gefahr für eine Entwicklung von Fehltönen.

Wenn aber alle Schimmelarten die Qualität des Korkens beeinflussen würden, gäbe es keine Korken ohne Korkgeschmack. Nur wenige Schimmelarten sind in der Tat relevant, und genau hier laufen in den Labors der qualitätsorientierten Korkerzeuger differenzierte, schimmelspezifische Versuchs- und Kontrollreihen, um die verantwortlichen Schimmeltypen zu definieren und geeignete Gegenmittel zu schaffen, die beispielsweise während der Kochvorgänge eingesetzt werden könnten.

Außerdem wird nach Möglichkeiten gesucht, die Spanne für den Trock-nungsvorgang, der zumeist noch rund drei Wochen dauert, auf wenige Tage zu reduzieren, um so einer Schimmelbildung vorzubeugen. Bei vielen Winzern greift man aus Kostengründen nicht selten auf so genannte Presskorken zurück. In diesem Zusammenhang ist folgendes festzuhalten: Für Presskorken sollte der Erzeuger nur Granulat verwenden, das direkt vom Abfall nach dem Ausstanzen der Naturkorken kommt. Solche Abfälle werden gemahlen und geschrotet, und nur dieses Schrotmaterial soll für die Pressblöcke zur Erzeugung von Presskorken zum Einsatz kommen.

Der Kellerei, dem Winzer, dem Abfüller sei empfohlen, vor einer Entscheidung für den Presskorken entsprechende Erkundigungen einzuholen. Das Bindemittel bei der Herstellung von Presskorken basiert auf Polyurethan und ist lebensmittelrechtlich zugelassen. Das Granulat wird bei den Spitzenerzeugern von Kork nach spezifischem Gewicht, Qualität etc. kontrolliert. Immer zu bedenken bleibt, dass Presskorken zwar aus Korkmaterial hergestellt werden, dass der Kork aber in seiner Zellenstruktur durch das Mahlen geschädigt ist und naturgemäß nicht mehr die gleiche Elastizität erbringen kann wie gestanzte Naturkorken. Ein anderer Typ von Blöcken, der für die Schuhindustrie, für Fußbodenbeläge oder in der Dekoration Verwendung findet und in dem sowohl Jungfernrinde als auch Reste von gekochtem oder nicht gekochtem Kork enthalten sein können, ist für die Erzeugung von Presskorken ungeeignet, Mufftöne wären dann gewissermaßen vorprogrammiert.

Nach Meinung nahezu aller Experten sollten Presskorken grundsätzlich nicht verwendet werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Weine mehr als ein Jahr auf der Flasche bleiben. Denn bereits nach drei Monaten lässt die Kapazität als Verschlussstopfen deutlich nach. Der Presskork verliert schnell an Elastizität, die Gefahr der Oxydation steigt.

Quintessenz: Ganz wesentlich ist, dass der Korkverbraucher erfährt, von welchem Erzeuger die Korken stammen, die der Importeur ihm liefert, der ja genau weiß, wo er seine Korken einkauft. Empfehlung: lieber eine etwas geringere Qualität von Naturkork als Presskork. Ein genereller Verzicht auf den Presskorken wird allerdings weitestgehend abgelehnt. Mancher Kork-importeur räumt dem Presskorken denn auch eine unbedingte Existenzberechtigung ein. Ein guter Presskorken wird da höher eingestuft als ein schlechter Naturkorken etwa der Qualitätsstufen fünf und sechs.

Beim Presskorken wird eine hochwertige Qualität über die Steuerung der Granulatgröße und der Granulatart erreicht. So lässt sich auch ein relativ elastischer Korken mit größerem Durchmesser herstellen, der einen guten Verschluss bildet, vor allem für eine stehende Lagerung der Flaschen. Der Presskorken sollte im allgemeinen indes nur für Weine vorgesehen werden, die sich verhältnismäßig schnell drehen, also nicht länger als ein Jahr auf der Flasche bleiben. Einzelne Versuche haben erstaunlicherweise aber ergeben, dass Weine – von allerdings hochwertiger Qualität – selbst nach zehnjähriger Lagerung mit Presskorkenverschluss im Vergleich zu solchen mit Naturkorken geschmacklich keine Abweichungen gezeigt haben.

Zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang noch die kolmatierten Korken. Dabei handelt es sich um Korken mit “verklebtem” Korkstaub, die unterste und zugleich billigste Stufe der Korkerzeugung. Was ist von kolmatierten Korken zu halten? Nach Expertenmeinung stellen kolmatierte Korken immer die schlechteren Qualitäten dar, die mit einem Gemisch aus Korkstaub und Chemikalien verklebt werden.

Da sei einem guten Presskorken in jedem Fall der Vorzug einzuräumen, der aus einwandfreiem Korkabfall einheitlicher Granulatgröße hergestellt wird und gut verarbeitet ist. Einem Naturkorken von schlechter Qualität, etwa mit zu großen Poren, mit Löchern etc., werde durch die Kolmatierung der Anschein gegeben, ein Naturkork von guter Qualität zu sein.

Zwei bis vier Prozent Fehlkorken sind selbst bei erster Qualität und einwandfreier Verarbeitung indes nicht völlig auszuschließen. Unter der Voraussetzung, dass der Verbraucher – das sind in diesem Fall nicht die Weinkonsumenten, sondern die Kellerei, der Winzer beziehungsweise….

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Printausgabe 9/2001