Brand Experience schafft Markenwelt

Sprudeln allein reicht nicht

von Nicole Sesterhenn

Nur in einem Punkt kann sich die Wasserbranche wirklich sicher sein: Der Bedarf an ihrem Produkt wird nie nachlassen. Jeder einzelnen Marke aber garantiert diese Aussicht noch lange nicht das Überleben.

Viel zu groß ist da die Konkurrenz:
Immer mehr ausländische Abfüller drängen auf den deutschen Markt, das Angebot wird immer größer, das Markeninteresse des Endverbrauchers aber sinkt. Am Point of Sale bietet sich trotz der hohen Zahl von Produkten dennoch ein eher tristes Bild: Allein die Einheitlichkeit der Kästen zeigt, dass das Produkt im Grunde genommen eher langweilig ist – Wasser eben. Angesichts dieser Entwicklung sucht sich der Kunde ein ganz einfaches Kriterium für die Wahl seines Wassers: den Preis. Drei
Viertel der Verbraucher geben an, dass für Sie der Preis im Vordergrund stehe, nur 24 Prozent schwören statt dessen auf “ihre” Marke.

Das heißt noch lange nicht, dass die Wasserhersteller ihre Marketingbemühungen auf Pappaufsteller und Deckenhänger reduzieren können: Zwar werden in Deutschland derzeit bloß 56 Prozent der Kaufentscheidungen am POS getroffen, aber Experten rechnen damit, dass die Instore Decision Rate auf das Niveau anderer europäischer Länder steigen wird.

Man hat erkannt, dass klassische Werbebudgets durch die Reizüberflutung immer höherer Spendings bedürfen, um Aufmerksamkeit beim Verbraucher zu erzielen. Auch vor diesem Hintergrund nimmt die Anzahl der Verkaufsförderungsmaßnahmen am POS zu. Die massive Bewerbung der Produktgruppe lässt jedoch auch hier die Einzelmaßnahmen an Wirkkraft einbüßen. Deshalb sollte das Marketing bereits vorher einsetzen: Mit einem integrierten Kommunikationsansatz müsse gewährleistet werden, dass der Kunde seine Kaufentscheidung zumindest hinsichtlich seiner bestimmten Lebenseinstellung schon im Vorfeld konkretisiert hat.

Und das bedeutet: Im Sinne eines so genannten Brand Experience-Ansatzes müssen um das Produkt Marken- und Erlebniswelten aufgebaut werden.

Gerolsteiner beweist derzeit bereits durch seine Marktführerschaft, dass ein solches Marketingkonzept Erfolg hat: Als erster hat dieser Brunnen auf dem deutschen Markt begonnen, nicht bloß Wasser, sondern damit auch ein bestimmtes Image und ein bestimmtes Lebensgefühl zu verkaufen.
Durch die Gründung eines eigenen Radsportteams präsentierte man das Mineralwasser nicht nur als ideales Sportlergetränk, sondern schuf auch Vorbilder, mit denen sich die Verbraucher identifizieren können.

Daran schließt sich die derzeit geplante “Expedition Gerolsteiner” an, eine groß angelegte Fahrradtour für die gesamte Familie, für die auf diese Art die Markenwelt des Marktführers real erlebbar wird. Auch der im Umfeld der EM im letzten Jahr erfolgreich durchgeführte Fun Cup “Hessen kickt”, der in Kooperation mit einem regionalen Radiosender auf die Beine gestellt wurde, ist Bestandteil dieses Konzeptes und positioniert den Brunnen als Spaßmarke.

Dass Gerolsteiner diesen neuen Weg beschritt, hängt auch mit der Einführung der 1,0-Liter-PET-Mehrwegflasche zusammen: Hier ergab sich für den Getränkehersteller von vornherein erhöhter Kommunikationsbedarf, mussten doch einerseits die ökologischen und geschmacklichen Bedenken der Verbraucher gegen Plastikflaschen zerstreut, andererseits die Vorteile des neuen Materials in den Mittelpunkt gerückt werden.
Die dazu entwickelte Kampagne “Schätz’ Dich fit!” stieß auf so viel positive Resonanz, dass sie erst kürzlich mit dem POSMA Marketing Award in Silber ausgezeichnet wurde.

Spielerisch sollte dabei das geringe Flaschengewicht vermittelt werden: Der Verbraucher musste im Rahmen eines Gewinnspieles die Frage beantworten, wie viele Luftballons mindestens nötig sind, um eine leere Flasche zum Schweben zu bringen, wobei eine innovative Mechanik Hilfestellung bot. So gelang es, das geringe Gewicht nicht nur mit Gesundheit und Fitness, sondern auch mit spielerischer Lebensfreude in Verbindung zu bringen.

Ziel der Kampagne war es, um die Marke ein Image zu kreieren, durch das die Entscheidung des Kunden am POS schon im Vorfeld kanalisiert wurde. Vergleichbare Bemühungen, eine Erlebniswelt rund um ein Produkt zu erschaffen, findet man in der Mineralwasserbranche eher selten: Zwar verspricht die Thüringer Waldquell Mineralbrunnen AG drei Tage Sport und Spaß mit Schwimmen, Mountainbiking, Laufen, Klettern, Floß bauen und Kajak fahren – vermarktet mit diesem “Adventure Award” jedoch nur das in puncto Lifestyle leichter zu positionierende Produkt Vita Cola.

Andere Mineralwasserhersteller haben die Notwendigkeit zwar offensichtlich erkannt, verfolgen die Brand Experience Idee bislang aber eher halbherzig: Oberselters und Selters beschränken sich auf ein Sponsoring diverser Jazz-Veranstaltungen oder sind Werbepartner bei der Tournee der “Zillertaler Schürzenjäger”. Die Mineralbrunnen AG hat die Aktion “Sing mit Sasha” ins Leben gerufen, um an der Popularität des Popstars zu partizipieren, während Hassia und Luisen mit dem Tenor Helmut Lotti kooperieren.

Den tatsächlichen Schritt über das bloße Sponsoring hinaus zur Schaffung von Erlebniswelten, durch die die Marke unweigerlich mit einem bestimmten Lebensgefühl verknüpft wird, fehlen allerdings noch.

Die meisten anderen Hersteller von Mineralwasser halten sich sogar noch bedeckter: Sie scheinen noch immer darauf zu vertrauen, dass sich Wasser wie von selbst verkauft – doch gerade der Erfolg von Gerolsteiner beweist das Gegenteil.