Abwarten, Bier trinken, auf gutes Wetter hoffen oder Verabschiedung vom Mengenwahn und Besinnung auf die eigentlichen Unternehmensziele und Kompetenzen?

von Monika Busch

Der deutsche Biermarkt hat viel Ähnlichkeit mit dem gallischen Dorf Kleinbonum, der Heimat von Asterix und Obelix, skizzierte Stephan Kobes (Kirchgässler & Kobes, dgw11/12/00) die Situation im vergangenem Jahr. “Sein Innenleben widerspricht allen objektiven Tendenzen und Strukturen, die die große internationale Bierwelt scheinbar vorgibt.” Zog sich Heineken-Vorstandboss Karel Vuursteen noch übellaunig im vergangenem Jahr vom deutschen Biermarkt scheinbar zurück, meldete er sich mit der Beteilung an der Schörghuber-Gruppe lautstark (“Wir wollen Marktführer werden”) wieder zurück.

Nachgezogen hat, wie bekannt, nun Erzfeind Interbrew mit der 80-prozentigen Beteiligung beim Altbier-Marktführer Diebels und mit dem aufsehenerregenden Deal – der Übernahme der Brauerei Beck. Und dies zu einem Preis, der allerorten nicht nur für Freude, sondern auch für harsche Kritik sorgte. Selbst die Beck’s-Liebhaber sind nun “aufsässig” geworden. Gibt es doch im Internet eine Homepagewww.rettet-becks.de, initiiert von dem 23-jährigen Studenten Klas Roggenkampf, der um den künftigen Geschmack seines Lieblingsbieres fürchtet. Er habe mit belgischen Bieren schlechte Erfahrungen gemacht und fürchtet, dass Beck’s Bier nun nicht mehr nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut werden könnte.

Doch wir können Klas Roggenkampf beruhigen. Das deutsche Reinheitsgebot gilt für Beck’s auch weiterhin. Maßgeblich ist nicht die Nationalität des Inhabers, sondern der Brauereistandort Bremen. Und dieser soll laut Aussagen der Unternehmensleitung von Interbrew erhalten bleiben. Die jüngsten Vorgänge sind für Peter Hahn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes “ein Zeichen für die Attraktivität des deutschen Marktes”. Allen Unkenrufen zum Trotz hätten die ausländischen Weltkonzerne ein hohes Potenzial im deutschen Biermarkt erkannt. Dieses bedeute jedoch keinen Ausverkauf der deutschen Brauwirtschaft, betonte Hahn. Aber die Karten werden neu gemischt und zwar schneller als manch einem lieb ist. Analysten haben ausgerechnet, dass in Europa im vergangenem Jahr nur in der “Bierwelt” für rund 13 Milliarden US-Dollar Unternehmensanteile den Eigentümer wechselten. So kontrolliert beispielsweise Heineken in Europa in acht Ländern mehr als dreißig Prozent des Biermarktes. Die dänische Carlsberg-Brauerei fusionierte mit dem Orkla-Konzern und schluckte zudem mit Feldschlößchen, die größte Brauerei der Schweiz. Scottish & Newcastle erwarb die französische Brauereigruppe Kronenbourg, die flämische Interbrew ist seit November 2000 an der Brüsseler Börse notiert und erwarb die Brauereisparte der britischen Whitbread Plc. und Teile von Bass.

Ein weiteres Analystenergebnis: die Anteile auf dem Weltmarkt der Top Ten steigen beständig. 1998 betrug der Marktanteil am Weltbiermarkt 38 Prozent, im Jahre 2000 bereits 50 Prozent. Auf dem hiesigen Markt ging der erste Royal Flush an Interbrew. Jetzt beginnt ein “neues Spiel”. Die Minderheitsbeteiligung von Heineken an der Schörghuber-Gruppe wird den Chef Vuursteen selbstverständlich nicht zufrieden stellen. Späher sind schon allerorten unterwegs.

Ein Rätselraten hat begonnen, wer ist der nächste? Als Übernahmekandidaten werden zur Zeit Holsten, Bitburger, Krombacher, Warsteiner und Veltins gehandelt. Interbrew allerdings unterscheidet sich bei den Top Ten sehr in der Strategie. Während die Mitbewerber alle auf Internationalität von Marken setzen, bezeichnen sich die Flamen als “The World’s Local Brewer”. Im Portfolio befand sich bis zur Übernahme von Beck’s kaum eine Marke mit einem hohen weltweiten Bekanntheitsgrad. Hingegen ist Beck’ss in allen wichtigen Ländern der Welt vertreten und erfährt zudem in den meisten Sprachen auch eine Wiedererkennung. Im Gegensatz zu Stella Artois, welches in Europa bereits schon unterschiedlich ausgesprochen wird. Noch hält sich Anheuser Busch, die mit Abstand weltgrößte Brauerei, hier zu Lande zurück – alles eine Frage der Zeit und des Preises?

Erich Dederichs, Geschäftsführer Deutscher Brauer-Bund, beantwortet die Frage, ob nun der Ausverkauf der deutschen Brauwirtschaft drohe, mit einem klaren “Nein”. Schließlich gebe es zur Zeit nur sechs von 1.270 Brauereien hier zu Lande mit mehrheitlicher oder kompletter ausländischer Beteiligung.

Ein positiver Aspekt der jetzigen Situation sei, so Dederichs, das es sich bei den ausländischen Brauereien nicht um Wohlfahrtsunternehmen handele, die Spenden verteilten, sondern ihren Schwerpunkt auf betriebswirtschaftliche Rentabilität legten. Ungeachtet der weiteren Entwicklung steht für Dederichs fest, dass die Struktur der deutschen Brauwirtschaft auf lange Sicht unverändert bleibt.

Denn im internationalen Vergleich seien alle deutschen Brauereien Zwerge oder fachtechnisch ausgedrückt “micro-breweries”. Immerhin brauen von den 1.270 Brauereien fast drei Viertel weniger als 50.000 Hektoliter im Jahr. Zwei Drittel aller deutschen Brauereien produzieren im Jahr weniger als die größte Brauerei der Welt, Anheuser-Busch in einer Stunde. Die Beteiligungen von Interbrew und Heineken könnten auch in der deutschen Brauereilandschaft als “wake up call” verstanden werden. Aber nicht alle Global Player mischen wirklich global mit. Beispielsweise konzentrieren sich bisher die Aktivitäten von Anheuser Busch und Miller weitgehend auf Nordamerika.

Anheuser Busch konnte durch einen 50-prozentigen Kapitalerwerb an der Grupo Modelo Fuß in Mexiko fassen und vertreibt in einigen Ländern Europas mit Erfolg Budweiser, wobei hier die Tschechen erfolgreich den Markenstreit ausfechten. Heineken agiert global und ist in den meisten Regionen vertreten. Bei South African Breweries (SAB) liegt der Schwerpunkt in Mitteleuropa und südlichen Afrika, Carlsberg hat eine starke Position in Asien und in Europa. Die Schwerpunkt-Aktivitäten von Interbrew konzentrieren sich bisher auf Mitteleuropa und Kanada. SAB hat in Südafrika eine 97-prozentige Monopolstellung.

Derzeit scheint eine der Schwerpunkt-Aktivitäten sich eben auf den deutschen Biermarkt zu konzentrieren. Und es geht weiter. Branchenkenner haben schon vor längerer Zeit prognostiziert, das der Übernahme von deutschen Brauereien, zwangläufig ein “Kauf von Distribution” folgen müsse. Jetzt im Gespräch die neugegründete DGV-Profi, Dillingen – Deutsche Getränke Vertriebsgesellschaft mit einem bundesweiten Logistikkonzept und einem Jahresumsatz von über zwei Milliarden Mark.

Kolportiert wurde, dass Heineken und Interbrew bereits über eine Beteiligung von 25 Prozent verhandeln sollen. Dieses wurde auf der Pressekonferenz am 11.September in Düsseldorf von den anwesenden Gesellschaftern heftigst dementiert. Die Dillinger wollen nach eigenen Aussagen nun ein national orientiertes und regional strukturiertes Netzwerk aller Dienstleistungen für Getränke in Handel und Gastronomie knüpfen und haben die Marktführerschaft im Visier. Offen sei man für Beteiligungen, jedoch maximal in Höhe von 24,9 Prozent. Die Gründung der neuen Vertriebsgesellschaft sei die Antwort auf die Konzentrationen in Industrie und Einzelhandel. “Der enorme Druck auf die Verkaufspreise im Groß- und Einzelhandel sowie der verschärfte Wettbewerb unter den Herstellern führe zu Erlösschmälerungen auf allen Ebenen des Marktes”, betonte Geschäftsführer Dr. Achim Strecker mit Oliver Nordmann verantwortlich für Marketing und Koordination der Gruppe.

Nachgefragt:

Welchen Einfluss auf den hiesigen Markt hat nach Ihrer
Einschätzung der Eintritt der Braugiganten
Heineken und Interbrew?

Stephan Kobes,
Kirchgässler & Kobes, Freising

“Nach den aktuellen Ganz- oder Teilverkäufen einst stolzer deutscher Brauhäuser an liquidere internationale Konzerne sehen Pessimisten schon ein Nationalheiligtum wanken – die deutsche Biervielfalt. Abwarten, meinen wir dazu. Was jetzt passiert, ist nichts anderes als die längst vorhergesagte Aufspaltung dieses überhitzten Marktes. Die aber bietet in einem neuen Segment neue Chancen für Brauer mit Wurzeln in der Region.
Die deutsche Bier-Szene ist in Aufruhr: Beck’s, Diebels und Paulaner hie – Interbrew und Heineken da. Wer wird wohl der nächste hie, wer der nächste da? – Plötzlich verkünden “Bier-Experten” allerorten je nach Stimmungs- und Interessenlage: Der Ausverkauf am deutschen Biermarkt hat begonnen! Oder auch: Endlich greift die Konsolidierung! Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn Bier ist in Deutschland und vor allem im Bierkompetenzland Bayern ein ganz besonderer Saft. Und dabei redet der Verbraucher auch noch ein Wörtchen mit. Woher kommen denn die Übernahmekandidaten? Samt und sonders bewegen sich die Objekte der Begierde internationaler Getränkeriesen in der Ecke der sogenannten Marktführer respektive Top Ten, TV-Biere oder “Premium”-Marken. Nur die sind offensichtlich so interessant. Merke: Global Player kaufen geografisch breit agierende Marken – oder was sie dafür halten! Damit aber dreht es sich genau um die rund 30 Millionen Hektoliter (von insgesamt etwa 110 Mio hl), die die so genannten TV-Biere seit Jahren im Markt besetzen und über die sie trotz immenser Marketingkosten nicht hinauskommen.
Die Ironie dabei: Gerade diese Marketingkosten machten sie schließlich übernahmereif! Das ist die Spaltung des deutschen Biermarktes: Hier die Massenware – “just in time” immer und überall vorzugsweise in Dosen verfügbar, dort die sorgfältig gebrauten Produkte der regionalen und lokalen Anbieter. So beherrschen regional aufgestellte Brauereien noch immer gute 70 Prozent des deutschen Biermarktes – und das seit Jahren ohne nennenswerte Anteilsverluste. Der Verbraucher wird seine Gründe hierfür haben.”

Andreas Rost, Vorstandsvorsitzender der Holsten-Brauerei AG, Hamburg

“Der deutsche Biermarkt stellt für jede Brauerei eine Herausforderung dar – auch für Großbrauereien aus dem Ausland, wie Beispiele zeigen. Wir kennen unseren schwierigen Heimatmarkt, haben uns angemessen aufgestellt und sehen der künftigen Entwicklung sehr wach aber gelassen entgegen. Deren Auswirkungen könnten sich im übrigen auch mehr im Auslands- als im Inlandsgeschäft ergeben.”

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 10/2001